# taz.de -- Journalist von G20-Gipfel ausgeschlossen: 1.500 Euro – Polizei sa… | |
> Vor dreieinhalb Jahre wurde der Journalist Adil Yiğit vom G20-Gipfel | |
> ausgesperrt. Erst jetzt zahlt ihm die Hamburger Polizei eine | |
> Entschädigung. | |
Bild: Der deutsch-türkische Journalist Adil Yiğit wurde vom G20-Gipfel ausges… | |
HAMBURG taz | Für den Journalisten Adil Yiğit geht das Jahr mit einer | |
Genugtuung zu Ende. Die liegt in Form von 1.500 Euro auf seinem Konto und | |
kommt vom Hamburger Polizeipräsidenten Ralf Martin Meyer. | |
Das Geld soll Yiğits Verdienstausfall kompensieren, dreieinhalb Jahre | |
nachdem ihm beim G20-Gipfel in Hamburg die Akkreditierung vom | |
Bundespresseamt entzogen worden war. Der deutsch-türkische Journalist war | |
am 8. Juli 2017 unter den [1][32 Medienvertreter*innen, denen der Zutritt | |
zum Pressezentrum wegen plötzlich aufgetauchter Sicherheitsbedenken | |
verwehrt wurde], obwohl sie sich zuvor ordnungsgemäß akkreditiert hatten. | |
Yiğit arbeitet für verschiedene Medien, darunter die taz, und betreibt die | |
regierungskritische türkische Nachrichtenseite „Avrupa Postasi“. | |
Die Zahlung ist der dritte und letzte Schritt, mit dem die | |
Sicherheitsbehörden gegenüber Yiğit eingestehen, ihm Unrecht zugefügt zu | |
haben. Bereits im Oktober 2017, drei Monate nach dem Gipfel, hatte der | |
Journalist einen Brief vom Bundeskriminalamt (BKA) bekommen, das wohl eine | |
Art Entschuldigung sein sollte. Das BKA schrieb darin von einem | |
Missverständnis – Yiğit habe gar nicht auf der Liste der 32 unerwünschten | |
Journalist*innen gestanden, sondern auf einer Liste von 82 Personen, zu | |
denen auch Logistiker*innen, Techniker*innen und Caterer*innen für das | |
G20-Medienzentrum gehörten. | |
Diese Liste sei nur [2][durch einen Irrtum in die Hände der | |
Einlasskontrolleur*innen] gelangt, schrieb das BKA. Durch welchen Irrtum | |
Yiğits Name aber auf die Liste geraten sein soll, ließ die Behörde offen. | |
Für Yiğit klingt das alles reichlich unglaubwürdig – er reichte Klage beim | |
Berliner Verwaltungsgericht ein. | |
## Polizeichef entschuldigt sich persönlich | |
Zu einem Urteil kam es dort aber nicht, der Journalist und die Polizei | |
einigten sich außergerichtlich. Yiğit bestand darauf, dass sich der | |
Polizeipräsident persönlich bei ihm entschuldige – und bekam die | |
Entschuldigung. „Diese Einziehung Ihres ‚Ausweises‘ war unberechtigt“, | |
[3][räumte Meyer im Juli 2020 ein]. Und: „Da (…) ich in der Verantwortung | |
für das Handeln der Polizei Hamburg stehe, bitte ich Sie um Entschuldigung | |
für das unbeabsichtigte Fehlverhalten der eingesetzten | |
Polizeibediensteten.“ In dem gleichen Schreiben stellte Meyer auch einen | |
finanziellen Ausgleich für Yiğit in Aussicht. | |
„Es ging mir nie ums Geld“, sagt der Journalist gegenüber der taz. „Viel | |
wichtiger ist mir meine journalistische Ehre.“ Auch, weil er in den | |
vergangenen drei Jahren viel Unrecht aushalten musste. Schon im Dezember | |
2016 gab es Probleme mit seiner Akkreditierung beim OSZE-Gipfel in Hamburg | |
– schließlich kam er aber doch rein. Im Februar 2018 drohte die | |
Ausländerbehörde plötzlich, Yiğit, der seit 30 Jahren in Deutschland lebt | |
und vier deutsche Kinder hat, abzuschieben. [4][Nachdem mehrere Medien | |
darüber berichteten], verlängerte die Behörde doch seine | |
Aufenthaltserlaubnis. | |
Ein paar Monate später zwangen ihn Sicherheitsmitarbeiter*innen bei einer | |
Pressekonferenz von Kanzlerin Angela Merkel und dem türkischen Präsidenten | |
Recep Tayyip Erdoğan, den Saal zu verlassen. Der Grund war, dass Yiğit | |
[5][ein T-Shirt trug, auf dem er Pressefreiheit für die Türkei forderte.] | |
„Türkische Staatsmedien starteten daraufhin eine Kampagne gegen mich“, sagt | |
Yiğit. „Sie stellten mich als einen dar, der überall rausgeschmissen wird.�… | |
Vor allem deswegen bedeutet es ihm viel, dass wenigstens die deutschen | |
Behörden sich nun entschuldigt haben. | |
Dass das von alleine nicht passiert wäre, ist dem Journalisten klar. | |
„Rechte werden einem meistens nicht gegeben, sondern sie werden erkämpft“, | |
sagt er. Mit seinem Erfolg will er andere Medienvertreter*innen ermutigen, | |
es ihm gleichzutun. Im November 2019 hatte das Berliner Verwaltungsgericht | |
den freien Journalisten Sebastian Friedrich und Rafael Heygster Recht | |
gegeben, denen das Bundespresseamt ebenfalls zu Unrecht die Akkreditierung | |
entzogen hatte. | |
Die beiden haben sich aber dagegen entschieden, eine Zivilklage auf | |
Entschädigung ihres Verdienstausfalls anzustrengen. Es würde sich schlicht | |
nicht lohnen: Bei den niedrigen Honoraren, die Journalist*innen bei | |
kleineren linken Medien bekommen, steht der Aufwand in keinem Verhältnis zu | |
dem, was dabei herausspringen würde. | |
„Der Schaden ist finanziell ohnehin nicht zu kompensieren“, sagt Rafael | |
Heygster. Als freier Journalist sei man vor allem auf gute Kontakte und | |
einen guten Ruf angewiesen. Der Akkreditierungsentzug hätte ihn | |
gebrandmarkt, er fühlte sich als Angeklagter. Dass er Recht bekam, sei | |
immerhin eine kleine Genugtuung. | |
Yiğit hofft, dass die Behörden aus der Sache lernen und er und seine | |
Kolleg*innen zukünftig keine derartigen Probleme mehr haben werden. Einen | |
Teil der 1.500 Euro will er an eine Organisation spenden, die sich für | |
Pressefreiheit in der Türkei einsetzt. | |
24 Dec 2020 | |
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[1] /Kommentar-Akkreditierung-bei-G20/!5425002 | |
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[3] /Hamburgs-Polizeichef-entschuldigt-sich/!5699456 | |
[4] /Adil-Yiit-ueber-seine-Abschiebung/!5479628 | |
[5] /Eklat-bei-Pressekonferenz-im-Kanzleramt/!5539194 | |
## AUTOREN | |
Katharina Schipkowski | |
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