# taz.de -- Hamburgs Polizeichef entschuldigt sich: Am Ende doch noch Buße | |
> Beim G20-Gipfel wurde dem Journalisten Adil Yiğit die Akkreditierung | |
> entzogen. Drei Jahre später räumt Hamburgs Polizeipräsident Fehler ein. | |
Bild: Zu Unrecht bei seiner Arbeit von der Polizei behindert: Adil Yiğit | |
HAMBURG taz | Manchmal kann die Polizei doch Fehler einräumen. Mehr als | |
drei Jahre nachdem dem Hamburger Journalisten [1][Adil Yiğit die | |
Akkreditierung zum G20-Gipfel entzogen] worden war, entschuldigt sich nun | |
[2][Hamburgs Polizeipräsident Ralf Martin Meyer] höchstpersönlich bei dem | |
62-jährigen Medienvertreter. In einem Brief räumt Meyer erstmals umfassend | |
Fehler der Polizei bei der Behandlung des Journalisten ein. | |
Yiğit war einer von mindestens zehn Journalist*innen, denen zunächst der | |
Zutritt zum „Internationalen Mediencenter“ in den Hamburger Messehallen | |
gewährt, dann aber wieder entzogen worden war. Ende 2017 hatte sich bereits | |
das Bundeskriminalamt (BKA) bei Yiğit in knappen Worten entschuldigt, die | |
Schuld für den Vorfall aber der Hamburger Polizei zugeschoben. | |
Diese habe zwei Listen mit Personen, gegen die das BKA Sicherheitsbedenken | |
hatte, vertauscht. Denn auf der sogenannten „Negativ-Liste“ mit den Namen | |
von 32 Journalist*innen, tauchte Yiğits Name gar nicht auf. Bei diesen | |
Medienvertreter*innen waren dem Bundespresseamt während des Gipfels | |
plötzlich Sicherheitsbedenken gekommen, sodass nach Absprache mit dem BKA | |
ihre Akkreditierungen wieder kassiert werden sollten – was nicht in allen | |
Fällen gelang. | |
Diese Verwechslung soll dann dazu geführt habe, dass Yiğit, der unter | |
anderem für die taz schreibt und die regierungskritische türkische Website | |
„Arupa Postasi“ verantwortet, seine Akkreditierung verlor und nicht vom | |
Gipfelgeschehen berichten konnte. | |
## „Fehlerhafte Umsetzung vermeintlicher Entscheidungen“ | |
„Diese Einziehung Ihres ‚Ausweises‘ war unberechtigt“, stellt Meyer jet… | |
klar. Weiter heißt es in dem Schreiben, das der taz vorliegt: „Es handelte | |
sich dabei um eine fehlerhafte Umsetzung von vermeintlichen Entscheidungen | |
des Bundespresseamtes.“ | |
Da diese „fehlerhafte Umsetzung“ auf Seiten der „unter Leitung der Polizei | |
Hamburg tätigen Einsatzkräfte“ passiert sei, habe „die Polizei Hamburg | |
somit den unberechtigten Entzug ihrer Akkreditierungskarte mitverursacht“, | |
schreibt Meyer umständlich und fügt hinzu: „Da (...) ich in der | |
Verantwortung für das Handeln der Polizei Hamburg stehe, bitte ich Sie um | |
Entschuldigung für das unbeabsichtigte Fehlverhalten der eingesetzten | |
Polizeibediensteten.“ | |
Da ihm klar sei, schreibt Meyer weiter, dass „Ihre berufliche Tätigkeit in | |
einer Weise eingeschränkt wurde, die bei einem Journalisten zu | |
Verdienstausfällen führt“, bietet Meyer zudem einen finanziellen Ausgleich | |
in nicht bezifferter Höhe an. Die förmliche Entschuldigung, die Übernahme | |
des Verdienstverlustes und der entstandenen Verfahrenskosten sind die | |
Eckpfeiler eines außergerichtlichen Vergleichs, den die Hansestadt Hamburg | |
mit dem türkischstämmigen Journalisten anstrebt. | |
Yiğit hatte – da nicht klar war, wer den Entzug der Akkreditierung zu | |
verantworten hatte – vor dem Berliner Verwaltungsgericht zunächst gegen die | |
Bundesrepublik Deutschland geklagt. Während des Verfahrens hatte die | |
Hamburger Innenbehörde, der auch die Polizei untersteht, deutlich gemacht, | |
dass sie einen Prozess gern vermeiden und sich außergerichtlich mit Yiğit | |
einigen will. | |
## Die Entschuldigung kommt spät | |
Insgesamt hatten neben Yiğit acht weitere Journalist*innen vor dem Berliner | |
Verwaltungsgericht gegen den Entzug ihrer bereits erteilten | |
Gipfel-Akkreditierungen geklagt. Sie alle waren, anders als Yiğit, auf der | |
Negativ-Liste der 32 Unerwünschten gelandet. Im November war [3][das erste | |
Urteil] ergangen: Das Gericht erklärte den Entzug der Akkreditierungen für | |
den Hannoveraner Fotojournalisten Rafael Heygster und den freien Autoren | |
Sebastian Friedrich für rechtswidrig. Die Gewerkschaft Verdi sprach in | |
diesem Zusammenhang von einem „wichtigen Erfolg für die Pressefreiheit“. | |
Für Yiğit ist die offizielle Entschuldigung des Hamburger | |
Polizeipräsidenten, die er von diesem verlangt hatte, „okay, auch wenn sie | |
erst sehr spät, nach über drei Jahren erfolgt ist“. Wichtiger sei ihm aber, | |
was die Polizei und das Bundespresseamt unternehme, „damit sich so ein | |
Vorfall nicht wiederholen kann“. | |
Der offiziellen Version, er sei das Opfer einer Verwechslung zweier Listen | |
geworden, mag der Erdoğan-Gegner bis heute nicht glauben. Er mutmaßt, dass | |
der türkische Geheimdienst seine Finger im Spiel hatte. | |
29 Jul 2020 | |
## LINKS | |
[1] https://g20-doku.org/index.html@p=179.html | |
[2] https://www.polizei.hamburg/polizeipraesident/ | |
[3] /Akkreditierungsentzug-nicht-rechtmaessig/!5643170/ | |
## AUTOREN | |
Marco Carini | |
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