# taz.de -- Lernen an Universitäten: Miese Aussicht für die Lehre | |
> 2020 läuft der „Qualitätspakt Lehre“ aus. Nun fürchten | |
> Hochschuldidaktiker*innen einen Qualitätseinbruch in der universitären | |
> Lehre. | |
Bild: Fördermittel flossen von 2011 bis 2020 beispielsweise in die Vergütung … | |
BERLIN taz | Noch bildet Stefanie Wiemer Studierende an der Universität | |
Leipzig darin aus, Tutorien für die jüngeren Semester zu halten. Doch wie | |
es nach diesem Semester für das Tutoring-Kolleg weitergeht, an dem die | |
Hochschuldidaktikerin tätig ist, weiß sie nicht. Der Qualitätspakt Lehre, | |
durch den das Weiterbildungszentrum gefördert wurde, läuft zum Ende des | |
Jahres aus. Eine kostenneutrale Verlängerung gilt noch bis Ende März, | |
danach ist die Weiterfinanzierung ungewiss. | |
Wie dem Tutoring-Kolleg in Leipzig geht es zahlreichen Instituten in ganz | |
Deutschland. Mit insgesamt 2 Milliarden Euro hatte der Bund von 2011 bis | |
2020 Universitäten, Fachhochschulen und Kunst- und Musikhochschulen | |
gefördert. Neben der Finanzierung hochschuldidaktischer Zentren flossen die | |
Mittel beispielsweise in die Vergütung studentischer Tutor*innen oder | |
zusätzliche Stellen für Lehrpersonal. | |
„Gerade in der [1][Coronapandemie] haben wir ganz viel unterstützt“, | |
berichtet Wiemer. „Meine Kolleg*innen und ich haben den studentischen | |
Lehrenden erklärt, wie digitale Lehre funktioniert und so dafür gesorgt, | |
dass sie überhaupt stattfindet.“ | |
Aber auch ohne Pandemie nähmen die hochschuldidaktischen Mitarbeitenden | |
eine wichtige Vermittlerrolle ein. „Wie bringe ich Studierende dazu, | |
zusammenzuarbeiten? Sich aktiv zu beteiligen? Unsere Aufgabe ist, bei den | |
studentischen Lehrenden ein Verständnis dafür zu wecken, wie Lehre | |
funktioniert“, erklärt Wiemer. | |
## Die Qualität der Lehre droht einzubrechen | |
Auch didaktische Beratungen und Fortbildungen für [2][wissenschaftliche | |
Mitarbeiter*innen] und Professor*innen wird teils aus dem Qualitätspakt | |
Lehre bezahlt. Denn sie sind zwar Expert*innen für ihr Fach, aber meistens | |
keine Pädagog*innen. Beschäftigte an den Hochschulen sollen so besser für | |
die Lehre, Betreuung und Beratung qualifiziert werden. | |
Doch ein Anschlussprogramm des Bundes für den nun auslaufenden | |
Qualitätspakt gibt es nicht. Die neugegründete „Stiftung Innovation in der | |
Hochschullehre“ fördert ab dem 1. August 2021 lediglich Projekte, bei denen | |
es um die Entwicklung innovativer Studien- und Lehrformate geht. | |
Und der „Zukunftsvertrag Studium und Lehre stärken“ ist lediglich das | |
Nachfolgeprogramm des Hochschulpakts, mit dem die grundständige Lehre | |
abgesichert werden soll. Hochschuldidaktiker*innen befürchten deshalb eine | |
Verschlechterung des Betreuungsverhältnisses, wenn Tutorien wegen des | |
ausgelaufenen Qualitätsoaktes nicht weiterfinanziert werden. Befürchtet | |
wird auch ein Qualitätseinbruch in der universitären Lehre. | |
Wer auch immer weiterfinanzieren soll – der Bund alleine ist es jedenfalls | |
nicht, findet Dorothea Ellinger, Vorstand der Gesellschaft für | |
Hochschuldidaktik. „Der Bund hat sehr transparent kommuniziert, dass es | |
nach 2020 nicht weitergeht wie bisher und bei der Antragstellung bereits | |
zur Bedingung gemacht, dass die Hochschulen ein Konzept für die | |
Verstetigung der Maßnahmen aus dem Qualitätspakt Lehre vorlegen“, sagt sie. | |
Die Hochschulen seien nun in der Verantwortung, da sie darüber entscheiden, | |
wie sie die von den Ländern erhaltenen Mittel verteilen. | |
## Ein Flickenteppich | |
Doch an den Hochschulen sind die Kassen klamm, viele vermelden | |
Haushaltsnotlage – und sehen sich nicht in der Lage, die Maßnahmen weiter | |
zu finanzieren. Ellinger geht davon aus, dass lediglich ein Drittel der | |
Stellen, die durch den Qualitätspakt Lehre geschaffen wurden, verstetigt | |
werden. Konkrete Zahlen habe man allerdings noch nicht. Denn ob und in | |
welchem Umfang die Länder mit Zusatzfinanzierungen einspringen, | |
unterscheidet sich von Bundesland zu Bundesland. | |
Während Länder wie Niedersachsen, Hessen und Schleswig-Holstein etwa | |
Programme zur Anschlussfinanzierung aufsetzten, verweist Sachsen-Anhalt auf | |
Anfrage lediglich auf die Stiftung Innovation in der Lehre, Rheinland-Pfalz | |
auf Stellen aus dem Zukunftsvertrag Studium und Lehre stärken. | |
In Brandenburg liegt laut einem Sprecher von dessen | |
Wissenschaftsministerium ganz in der Verantwortung der Hochschulen, welche | |
Stellen aus dem Qualitätspakt Lehre weitergeführt werden. Gleiches gilt für | |
Sachsen. Was das Tutoring-Kolleg in Leipzig angeht, heißt es von der | |
Universität lediglich, dass über die dreimonatige Verlängerung bis Ende | |
März 2021 hinaus „weitere Klärungen folgen“. | |
„Selbst wenn sich eine kurzfristige Lösung finden sollte, brauchen wir | |
langfristig solide Finanzen und Strukturen, damit die Qualität der Lehre | |
nicht von schwankenden Landesmitteln abhängt“, fordert | |
Hochschuldidaktikerin Wiemer. Die Unterstützung der sächsischen | |
Studierenden ist den Hochschuldidaktiker*innen jedenfalls gewiss – im | |
Rahmen eines Positionspapier haben sie bereits ihre Zustimmung | |
ausgesprochen. | |
16 Dec 2020 | |
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## AUTOREN | |
Franziska Schindler | |
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