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# taz.de -- Pop-up-Radwege selbst gemacht: Stadt stellt Strafanzeige
> Zwei Aktivistinnen haben in Schleswig Pop-up-Radwege mit der Sprühdose
> angelegt – und eine Strafanzeige wegen Sachbeschädigung kassiert.
Bild: Nicht wirklich amtlich im Design: Diese Fahrradsymbole sprühten die Akti…
Neumünster taz | Schleswig will eine fahrradfreundliche Stadt werden –
bereits vor Jahren beschloss der Rat der 25-Tausend-Einwohner*innen-Stadt
dieses Ziel. Doch weil ihnen konkrete Maßnahmen fehlten, griffen zwei
Schleswigerinnen, eine davon Ratsmitglied der Grünen, zur Sprühdose und
legten Anfang Dezember Pop-up-Radwege an. Nun fordert die CDU den Rücktritt
der Ratsfrau, und die Stadt hat Strafanzeige gestellt.
In einer nächtlichen Aktion sprühten die Grüne Dorothee Tams und die
Autorin Marlies Jensen-Leier stilisierte Fahrräder und Pfeile auf Gehwege
und Straßen. „Ein bisschen subversiv“ hätte sie sich bei der Aktion
gefühlt, sagte Jensen-Leier der Lokalzeitung. Dabei gingen sie eher offen
vor, meldeten sich am nächsten Morgen bei der Presse und bei der
Stadtverwaltung.
„Es geht uns ums Klima, jemand muss endlich etwas tun“, sagt Tams der taz.
„Die Umsetzung des Pariser Klimaabkommens beginnt hier in der Stadt.“ Dass
ihre Ratskolleg*innen „das nicht kapieren wollen, macht mich wütend“,
sagt die Grüne, die betont, dass die anderen Fraktionsmitglieder nicht in
die Pläne eingeweiht waren.
Denn die Striche auf den Gehsteigen haben juristische Folgen: So positiv
die Reaktionen in sozialen Netzwerken und in der eigenen Partei waren, die
Stadt reagierte mit einer Strafanzeige: „Das mussten wir“, sagt
Rathaussprecher Eric Gehrke. Denn durch die „arge Sachbeschädigung“ seien
Kosten entstanden, weil die städtischen Umweltdienste „richtig lange
arbeiten mussten“, um die Farbe vom Pflaster zu bekommen. Zudem geht es aus
Sicht der Stadt um Eingriffe in den Straßenverkehr: „Verkehrsteilnehmer
hätten denken können, die Linien stammten von einer städtischen Behörde.“
Tams kann über diese Argumente nur den Kopf schütteln. Erstens sähen die
roten und grünen Markierungen keinesfalls amtlich aus, zweitens habe es bei
der angeblich so schwer zu entfernenden Farbe um eine wasserlösliche
Sprühkreide gehandelt: „Die Nachbarjungs haben sie mit einem Kinderbesen
und einem Eimer Wasser von der Straße geschrubbt. Wir hätten die
Markierungen selbst wieder entfernt, wenn die Stadt uns Bescheid gesagt
hätte.“ Und die Sicherheit im Straßenverkehr sei eher verbessert worden:
„Wir haben ein paar Symbole auf einen breiten Fußweg gemalt, um die
Situation zu entschärfen.“ Ihre Markierungen brachten die beiden Frauen
unter anderem an einer Stelle an, an der heute der Radweg abrupt an einem
Parkstreifen endet.
Die Schleswiger Aktion hat Vorbilder: Pop-up-Radwege entstanden zuerst in
den USA, weitere Staaten folgten. In Berlin ließ der Senat im April gelbe
Markierungen auf einige Straßen zeichnen, die aber wegen Klagen dagegen
zunächst bis Jahresende befristet sind. In Hamburg entstand im Stadtteil
Eimsbüttel im September die erste zeitweilige Radspur, weitere sollen
folgen.
Das Ziel in den Großstädten ist, das Radfahren zu erleichtern, um während
der Coronapandemie das Gedränge in Bussen und Bahnen zu verringern. In
Schleswig geht es weniger um die Entlastung der Busse, sondern mehr um Raum
fürs Rad. Nach dem Beschluss, die Stadt fahrradfreundlich zu gestalten, sei
kaum etwas passiert, kritisieren Tams und Jensen-Leier: „Es gibt einen
Runden Tisch, der aber nur wenig getagt hat“, sagt die Grünen-Ratsfrau.
Stadtsprecher Gehrke erklärt den Grund: „Seit einem Jahr ist die Stelle des
Verkehrsplaners unbesetzt. Es ist die Frage, wie sinnvoll ein solcher
Arbeitskreis tagen kann, wenn die Person aus der Verwaltung fehlt, die die
Dinge umsetzen kann.“ Hinzu käme die Coronapandemie: „Treffen sind zurzeit
nicht so leicht umzusetzen.“ Dennoch seien für das kommende Jahr rund
300.000 Euro in den Haushalt für Radwege und Markierungen eingestellt. „Das
war Dorothee Tams als Ratsfrau bekannt“, sagt Gehrke.
Die steht zu ihrer Aktion und ist „bereit, die Konsequenzen tragen – aber
nicht aus dem Rat auszuscheiden“, wie CDU-Ratsmitglieder gefordert hatten.
Auch Marlies Jensen-Leier will weitermachen: „Damit auch unsere Nachkommen
noch eine lebbare Welt vorfinden.“
15 Dec 2020
## AUTOREN
Esther Geißlinger
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