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# taz.de -- Bundestagsdebatte über Coronamaßnahmen: Die Last der ganzen Gesel…
> Merkel verteidigt die neuen Maßnahmen, Grüne applaudieren. Die AfD
> poltert, ein wenig, FDP und Linke wiederholen mit Verve ihre Einwände.
Bild: Die Disziplin des ethisch Vertretbaren: Angela Merkel am Donnerstag im Bu…
Berlin taz | Angela Merkel merkt man am Donnerstagmorgen im Bundestag die
Anstrengung [1][der langen siebenstündigen Corona-Sitzung mit den
MinisterpräsidentInnen] kaum an. Man habe mit dem Lockdown light das
Schlimmste verhindert, aber es reiche noch nicht, so die Botschaft.
Die Kanzlerin warnt, sich in falscher Sicherheit zu wiegen, lobt die
Bevölkerung für ihre Disziplin und verteidigt nicht ungeschickt das Konzept
der Regierung: Weil Wirtschaft und Schulen offen bleiben, muss eben alles
andere eingeschränkt werden, auch Geschäfte, für die ähnliche
Beschränkungen gelten wie im Frühjahr. „Diese Branchen tragen die Last für
die ganze Gesellschaft“, so Merkel.
Es gibt seit langem ein Alternativkonzept, das AfD und FDP favorisieren.
Man solle lieber die Risikogruppen schützen und isolieren, und dafür eben
Kinos, Sportvereine und Kneipen wieder öffnen. FDP-Fraktionschef Christian
Lindner verweist darauf, dass zwei Drittel der Coronatoten in Hessen in
Pflegeeinrichtungen gestorben sind. Mit besonderen Einkaufszeiten für die
Gefährdeten, Taxigutscheinen und mehr Tests in Pflegeeinrichtungen könne
man sich den verschärften Lockdown somit sparen.
Merkel verweist indes auf eine Zahl, die dieses Konzept mit mehr als einem
Fragezeichen versieht. Zu den Risikogruppen zählen 27 Millionen
BürgerInnen. Die aus dem öffentlichen Leben herauszuhalten, sei „ethisch
nicht vertretbar“. Point taken.
## Die AfD klingt wie ein Brandstifter, der die Feuerwehr ruft
Die AfD arbeitet mal nicht mit dem ganz großen Vorschlaghammer.
Fraktionschefin Alice Weidel bescheinigt der Regierung „obrigkeitstaatliche
Bevormundung“ und hält die Kontaktbeschränkungen auf zwei Haushalt für
„ungehörig“. Das ist für AfD-Verhältnisse sachlich. Weidel fordert zudem
einen „unaufgeregten Dialog“. Das klingt, angesichts des AfD-Trommelfeuers
gegen die vermeintliche Coronadiktatur, so wie der Brandstifter, der nach
der Feuerwehr ruft.
Für AfD-Chef Tino Chrupalla ist nicht Corona für die Depression im Land
verantwortlich, sondern – wer sonst – Angela Merkel. Doch auch diese
Polemik klingt etwas matt. Der AfD fehlt es an agitatorischem Schwung –
vielleicht eine Nachwirkung der vehementen Rüffel von allen Seiten, nachdem
sie Querdenker-Aktivisten in den Bundestag geschleust hatte.
Für SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich sind die Maßnahmen „angemessen,
nachvollziehbar und lebensnah“ – das knüpft direkt an den Dreiklang an, mit
der Merkel den November-Lockdown begründet hatte: „geeignet, erforderlich
und verhältnismäßig“.
SPD und Union ziehen als zentrale Autoren der Verschärfungen für den
Dezember natürlich an einem Strang. Dass die SPD sich rhetorisch zur
Echokammer der Kanzlerin macht, wirkt ungeschickt. Mit dieser Rolle hat die
SPD keine so guten Erfahrungen gemacht.
Dies ist [2][das zweite Mal, dass Merkel im Parlament die neuen Maßnahmen
verteidigt]. Die Macht haben – [3][auch nach der Novelle des
Infektionsschutzgesetzes], das die Rolle des Parlaments aufwerten sollte –
de facto die MinisterpräsidentInnen und Merkel, laut Weidel „eine
Kungelrunde“.
## Die linke Liste der Mängel
Auch Linksfraktionschef Dietmar Bartsch kritisiert dies scharf. „Bei
Grundrechtseinschränkungen muss der Bundestag entscheiden, egal wie sehr
Sie das nervt“, sagt er Richtung Kanzlerin. Bartsch skizziert, präzise und
zugespitzt, die Mängelliste der Regierung, die im Sommer bei Masken, in
Pflegeheimen und Schulen zu wenig getan habe und, anstatt Luftfilter für
Schulen zu kaufen, mit Milliarden Konzerne gerettet habe. „Jedes Theater
hat sich besser auf den Coronawinter vorbereitet als die Bundesregierung.“
Bartschs Rede zeigt, dass es auch in Krisenzeiten möglich ist, harte Kritik
zu üben, ohne populistische Muster zu bedienen. Das tut die AfD laufend,
die FDP, wenn sie suggeriert, dass die Isolierung der Risikogruppen der
Königsweg sei, den Merkel aus bloßem Starrsinn nicht wählt. Die
Linksfraktion spielt damit derzeit die Rolle des Oppositionsführers.
## Die Grünen machen der Union ein Angebot
Die Grünen applaudieren hingegen als einzige Oppositionsfraktion der
Regierungserklärung der Kanzlerin. Sie hatten ebenfalls als einzige
Oppositionsfraktion dem Infektionsschutzgesetz der Groko zugestimmt.
Auch die Fraktionschefs von Union und Grünen funken in der Debatte auf
ähnlichen Frequenzen. CDU-Mann Ralph Brinkhaus warnt, dass auch der
verschärft Dezember-Lockdown „nicht reicht“, und fordert konsequentere
Maßnahmen. Anstatt die Pandemie langfristig zu bekämpfen, würde die
Bund-Länder-Runde nur „scheibchenweise“ vorgehen.
Der grüne Fraktionschef Toni Hofreiter blies ins gleiche Horn, forderte
mehr Planbarkeit und klare Einschränkungen. Für Hotspots mit mehr als
[4][200 Infizierten in sieben Tage pro 100.000 Einwohner] müssten
bundesweite scharfe Einschränkungen gelten. „Beschließen wir es doch hier
im Parlament. Das bieten wir Ihnen an“, so Hofreiter Richtung Union. Die
schwarz-grünen Annäherungen sind unübersehbar.
26 Nov 2020
## LINKS
[1] /Coronamassnahmen-in-Deutschland/!5731615
[2] /Merkel-Appell-zur-Coronakrise/!5722379
[3] /Neues-Infektionsschutzgesetz/!5725442
[4] /coronazahlen
## AUTOREN
Stefan Reinecke
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