| # taz.de -- Arbeitskampf im Berliner Daimler-Werk: „Wandel nur mit uns“ | |
| > Hunderte Arbeiter:innen von Daimler kämpfen gegen Stellenabbau im Werk in | |
| > Berlin-Marienfelde. Politiker:innen sagen in Reden Unterstützung zu. | |
| Bild: Lautstark gegen Stilllegung: Daimlerbeschäftigte demonstrieren in Berlin | |
| Berlin taz | Es ist kalt und grau an diesem Mittwochmorgen in Berlin. Vor | |
| den Werkstoren der Daimler-Niederlassung in Marienfelde ist die Stimmung | |
| allerdings hitzig. Trotz Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt und | |
| wolkenverhangenem Himmel haben sich hier Hunderte Arbeiter:innen | |
| versammelt. Der Grund: Die Daimler AG hat nach Angaben der IG Metall (IGM) | |
| vor, mehr als 2.000 Stellen in dem Werk zu streichen. Mit einer Belegschaft | |
| von 2.500 Beschäftigten würde ein Großteil der Jobs im Werk wegfallen. | |
| Doch gegen die Kürzungspläne des Konzerns regt sich Widerstand. Bereits | |
| Mitte November hat es eine Demonstration am Werk gegeben. Auch am Mittwoch | |
| geben sich die Demonstrant:innen kämpferisch. „Das Daimler-Werk muss | |
| erhalten bleiben. Das ist alternativlos“ ruft Irene Schulz, | |
| geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IGM, in ein Mikrofon. Sie | |
| kritisiert den Umgang der Geschäftsführung mit den Beschäftigten, vielen | |
| drohe der Jobverlust, obwohl sie es seien, die „Daimler groß und | |
| erfolgreich gemacht haben, in guten wie in schwierigen Zeiten“, sagt sie. | |
| Neben Schulz spricht auch die Bezirksbürgermeisterin von | |
| Tempelhof-Schöneberg, Angelika Schöttler (SPD). Sie erzählt von der | |
| Wichtigkeit der Arbeitsplätze für Marienfelde und verspricht den | |
| Beschäftigten, sich für sie „gegenüber der Geschäftsleitung“ einzusetze… | |
| Es habe auch schon Gespräche mit dem Regierenden Bürgermeister gegeben, die | |
| in Zukunft fortgeführt werden sollen. | |
| ## Kevin Kühntert demonstriert mit | |
| Überraschungsgast des Tages ist Kevin Kühnert, der nächstes Jahr im | |
| Wahlkreis Tempelhof-Schöneberg sein Direktmandat für den Bundestag | |
| ergattern will. Auch er spricht von der Bedeutung des Werkes für den | |
| Bezirk. Das Werk „hat immer Identität gestiftet“, sagt Kühnert. Die | |
| Niederlassung in Marienfelde wurde 1902 gegründet und ist damit das älteste | |
| produzierende Werk des Konzerns. Gerichtet an Unternehmenschef Ola | |
| Källenius sagt Kühnert, dieser sei dabei, „diese Identität zu töten“. | |
| Daimler selbst hält sich bisher mit den genauen Plänen für den Standort | |
| Marienfelde relativ bedeckt. Auf Anfrage der taz erklärt Daimler Sprecherin | |
| Madeleine Herdlitschka, dass aktuell Verhandlungen mit dem Betriebsrat | |
| laufen würden, man sich zu laufenden Gesprächen aber nicht äußern würde. | |
| Daimler hatte bereits im Juli verkündet, die Produktion des V6-Dieselmotors | |
| in Berlin Ende 2021 einstellen zu wollen. Konzernsprecherin Herdlitschka | |
| berichtet dazu, man wolle sich in Zukunft am Standort Berlin auf | |
| „Komponenten der E-Mobilität und Digitalisierung“ fokussieren. | |
| Was das konkret für die Belegschaft bedeutet, ließ Herdlitschka | |
| unbeantwortet, sie verwies lediglich darauf, dass die Umstellung der | |
| Produktion „mit weniger Beschäftigungsumfängen“ einhergehen würde. Die | |
| Kürzungen im Standort Marienfelde reihen sich dabei ein in ein | |
| Sparprogramm des Unternehmens, welches vorsieht bis 2025 2 Milliarden Euro | |
| alleine an Personalkosten einzusparen. | |
| ## Ja zum Wandel, Nein zum Stellenabbau | |
| Dass der dringend notwendige Strukturwandel in der Automobilindustrie mit | |
| dieser Form von drastischen Personalkürzungen einhergehen soll, stößt bei | |
| den Beschäftigten auf Unverständnis. Sätze wie „Niemand stellt die | |
| Transformation in Frage“ und „Dder Wandel ist notwendig“ sind in vielen | |
| Redebeiträgen zu hören, der geplante Stellenabbau sei jedoch eine | |
| „Bankrotterklärung“ und kein Konzept, mit dem der Strukturwandel ernsthaft | |
| zu bewältigen sei, betont IGM-Vorstandsmitglied Irene Schulz mit Nachdruck. | |
| Die Worte der Redner:innen gehen auch an die Adresse der am Mittwoch | |
| tagenden Betriebsversammlung der Werkleitung. Die Beschäftigten wollen | |
| weiter kämpfen. Und kämpfen scheint warm zu halten, man merkt ihnen die | |
| Temperaturen zumindest nicht an. Kein Wunder, wie Schulz sagt: „Die Kälte | |
| bei der Demo kriegen wir Metaller:innen gewuppt“, das eigentliche Problem | |
| sei die Kälte der Geschäftsleitung. | |
| 9 Dec 2020 | |
| ## AUTOREN | |
| Roberto Sanchino Martinez | |
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