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# taz.de -- Neuer US-Gesandter für Klima John Kerry: Der amerikanische Klima-Z…
> Trump hinterlässt in der US-Klimapolitik einen Scherbenhaufen,
> Ex-Außenminister John Kerry darf ihn nun aufkehren. Einfach wird das
> nicht.
Bild: Hat das Klimathema in der DNA: John Kerry
Am Abend des 12. Dezember 2015 sitzt John Kerry im voll besetzten Saal „La
Seine“ des Pariser Konferenzzentrums Le Bourget und schaltet sein
Tischmikrofon an. Bei der Klimakonferenz dankt der US-Außenminister seinem
französischen Amtskollegen Laurent Fabius. Der hat kurz zuvor unter großem
Jubel der Anwesenden das Pariser Abkommen durchgesetzt. Dann preist Kerry
mit dem sorgfältig toupierten grauen Haar, in blauem Anzug, weißem Hemd und
roter Krawatte, die Delegationen aus 195 Ländern, die in zwei Wochen harten
Verhandlungen den Kompromiss gefunden haben: „Es gab einen Geist der
Kollegialität“, lobt er, „die Bereitschaft, die Fehler der Vergangenheit
nicht zu wiederholen, und einen Sinn für die Dringlichkeit unserer
Aufgabe.“
Fast genau fünf Jahre später steht John Kerry am Dienstag in Washington auf
einer Bühne und sagt praktisch das Gleiche: Zusammenarbeiten, die Zeit
drängt, bloß nicht wieder die alten Fehler machen. Wieder trägt er blauen
Anzug und weißes Hemd. Nur die Krawatte ist diesmal blau und das Haar ein
wenig grauer. Gerade hat ihn sein Freund, Kollege und demnächst auch Boss
Joe Biden als neuen Klimagesandten des US-Präsidenten vorgestellt. Kerry
sagt: „Kein Land kann dieses Problem allein lösen, nicht einmal die USA“,
er verspricht den Amerikanern „Millionen von sicheren Jobs“ und schließt:
„Joe Biden vertraut auf Gott und die Wissenschaft, um die Schöpfung zu
retten.“
Kerrys Bemerkungen dauern nur vier Minuten, aber sie zeigen Glanz und das
Elend der US-Klimapolitik am Beginn der Biden-Präsidentschaft. Die neue
Administration und John Kerry als ihr „Klima-Zar“ erkennen die Klimakrise
an und machen deren Bewältigung zu einer ihrer Prioritäten; sie setzt auf
Wissenschaft, Wirtschaftswachstum, grüne Jobs, Technologie und globale
Zusammenarbeit. Aber Biden und Kerry wollen auch die konservativen
US-BürgerInnen mitnehmen – und sie gehen von einer globalen Führungsrolle
der USA beim Klimaschutz aus, die es nicht mehr gibt.
„Am ersten Tag im Amt“ will Joe Biden wieder dem Pariser Abkommen
beitreten, das sein Vorgänger verlassen hat. Aber das heilt nur die
juristischen Wunden. Den Scherbenhaufen, den vier Jahre Donald Trump in der
Klimapolitik angerichtet haben, soll jetzt der Diplomat und Klimaschützer
John Kerry beseitigen: Er muss die politische Eiszeit rund um die
Erderhitzung beenden. Einfach wird das nicht.
## Ein Klimachampion
Wenn es aber einer schaffen kann, so die weitverbreitete Meinung in der
Umweltszene, ist es John Kerry. Der 76-jährige Jurist mit Yale-Abschluss
„hat das Klimathema in seiner DNA“, sagt ein europäischer Diplomat, der
Kerry seit Jahren kennt. Der Chef des [1][US-Umweltverbands EDF] nennt ihn
„einen der effektivsten Klimachampions der Welt“. Und Varshini Prakash von
der US-Jugendbewegung für Klimaschutz, [2][Sunrise Movement], sagt: „Kerry
glaubt an die Wichtigkeit, jungen Stimmen zuzuhören und sicherzustellen,
dass wir mit am Tisch sitzen – auch wenn wir nicht immer einer Meinung
sind.“
Kerry gilt als Gentleman, der die Tricks und Kniffe des Politbetriebs in
Washington ebenso gut kennt wie das internationale Parkett. Der
demokratische US-Senator für Massachusetts reiste 1992 mit Al Gore zum
UN-Erdgipfel in Rio. 2004 verlor der 1,93-Meter-Mann mit dem immer leicht
schwankenden Cowboygang die Präsidentenwahl gegen George W. Bush. 2009
scheiterte er mit einem Gesetz zur CO2-Bepreisung in den USA. Von 2013 bis
2017 war er unter Barack Obama Außenminister. Er handelte den Atomdeal mit
dem Iran aus, ein Diplomat der alten Schule.
Bei der Klimakonferenz in Paris war Kerry eine Woche mit großem Einsatz vor
und hinter den Kulissen tätig. Als Trump die USA aus dem Pariser Abkommen
führte, gründete Kerry Anfang 2019 die Organisation [3][World War Zero],
mit der sich PolitikerInnen, Militärs und SchauspielerInnen wie Leonardo
DiCaprio und Emma Watson öffentlichkeitswirksam zu Klimapolitik äußerten.
Die martialische Rhetorik, das Klimaproblem „wie die Mondlandung oder den
Zweiten Weltkrieg“ anzugehen, wählte Kerry auch bei seiner Einführung als
Klima-Gesandter.
Der „Klima-Zar“ steht vor gewaltigen Problemen. Erst einmal muss die neue
Adminstration die eskalierende Coronakrise in den USA bekämpfen und die
Wirtschaft stabilisieren – wie „grün“ die Hilfspakete werden, bleibt
abzuwarten. Dann haben die Trumpisten die Umweltbehörde EPA und das
US-Außenministerium, zuständig für Klimapolitik, systematisch von innen
ausgehöhlt. Und der Ruf der USA als globaler Klimaschützer ist am
Nullpunkt: Zum zweiten Mal haben die USA ein Klimaabkommen mitverhandelt,
um sich dann daraus zu verabschieden: erst 2001 aus dem Kioto-Protokoll,
dann 2020 aus dem Pariser Abkommen.
Um das US-Image aufzupolieren, müssten die USA schnell einen neuen und
ehrgeizigeren Klimaplan vorlegen. Dann würde es helfen, wenn die USA ihre
Rechnungen bezahlten. Das Land schuldet etwa dem „Grünen Klimafonds“ noch 2
Milliarden Dollar. Entwicklungsgruppen und arme Länder erwarten, dass die
USA nicht nur ihre finanziellen Verpflichtungen erfüllen, sondern
vielleicht auch bei der Kompensation von Klimaschäden in armen Ländern oder
bei einem Schuldenerlass kooperativ sind. Allerdings wird ein
republikanisch dominierter Senat von internationalen Abkommen oder neuem
Geld für Klimaschutz wenig wissen wollen.
Biden will zumindest zu Hause klotzen, nicht kleckern. Mit Investitionen
von 2 Billionen US-Dollar will er grüne Energien fördern, 6 Millionen
Gebäude sanieren lassen, den öffentlichen Nahverkehr in Städten massiv
ausbauen. Er hat versprochen, den US-Strom bis 2035 ohne CO2 zu erzeugen
und das Land ähnlich wie die EU auf einen Kurs zu bringen, bis 2050
klimaneutral zu sein.
Um diese großen Pläne umzusetzen, will Biden im Dezember einen
„Klima-Koordinator“ im Weißen Haus ernennen – Kerrys Gegenpart für die
Innenpolitik. Kerry dagegen bekommt einen regulären Sitz im Nationalen
Sicherheitsrat der USA. Die Regierung werde „die Klimakrise als die
dringende Bedrohung der nationalen Sicherheit behandeln, die sie ist“,
sagte Kerry.
## Klima als Querschnittsthema
„Das zeigt die Ernsthaftigkeit, mit der Biden und Kerry das Thema angehen“,
lobt Greenpeace-Chefin Jennifer Morgan. Immerhin lägen die Prioritäten der
Biden-Administration bei der Bekämpfung der Coronapandemie, der
Wirtschaftskrise, von Rassismus und der Klimakrise.
„Viele Ursachen hängen zusammen und müssen zusammen angegangen werden“,
sagt Morgan, die lange für den Washingtoner Thinktank WRI gearbeitet hat.
„Sie müssen Klima als Querschnittsthema auch in der Außenpolitik
etablieren, also auch bei Handelsabkommen, in Finanzfragen und bei der
Politik von Weltbank und Weltwährungsfonds.“
Für Morgan aber noch wichtiger: „Kerry muss mit Demut an den
Verhandlungstisch zurückkehren.“ Die USA seien nicht mehr Anführer beim
Klimaschutz, China und Europa hätten sich emanzipiert. „Auf keinen Fall
darf Europa auf die USA warten, sondern muss beim Green Deal weiter Druck
machen.“
Für viele Beobachter ist klar: Je ehrgeiziger Klimaschutz in den USA
passiert, desto einfacher könnte Kerrys Job im Ausland werden. China und
Indien etwa schauen offenbar skeptisch auf den erneuten Kurswechsel.
Offizielle Reaktionen gibt es nicht, auch nicht von der UNO.
Immerhin würde ein Kurswechsel in den USA wirklich etwas bewirken. Für die
Analystengruppe [4][„Climate Action Tracker“] ist Bidens Plan, die USA bis
2050 klimaneutral zu machen, ein entscheidender Schritt: „Zusammen mit
Chinas Versprechen von CO2-Neutralität bis 2060 und den Plänen der EU,
Japans und Südkoreas, bis 2050 klimaneutral zu sein, nähern wir uns einem
Kipppunkt, der das 1,5-Grad-Ziel aus dem Pariser Abkommen in greifbare Nähe
rückt“, heißt es.
Vorsichtig optimistisch ist auch ausgerechnet ein US-Republikaner. Bob
Inglis saß als Klimaleugner für South Carolina im US-Repräsentantenhaus,
ehe er zum Klima-Aktivisten in seiner Partei wurde. Er sieht die Chance,
dass Biden und Kerry auch bei Konservativen mit der Idee einer CO2-Steuer
landen könnten: „Eine CO2-Steuer für Importe an der Grenze wäre für die
US-Industrie sehr hilfreich“, sagt er der taz. Das würde die Wirtschaft
gegen Importe aus China absichern. Auch könne man viele der
Klima-Investitionen wie neue Stromnetze oder Windfarmen als
„Infrastrukur-Hilfen“ etkettieren, um Republikaner zur Zustimmung zu
bekommen.
„Man braucht im Senat ja nur ein paar Stimmen für solche Mehrheiten“, so
Inglis. Und Geld aus so einer Steuer könne helfen, „die Renten von
Kohlearbeitern etwa in Kentucky zu bezahlen“ – wo der mächtige Sprecher des
Senats, Mitch McConnell, seine Basis hat.
Erstmal werden Biden und Kerry allerdings wohl kleine Klima-Brötchen
backen, heißt es von europäischer Seite. Der neue Präsident wollte „in den
ersten hundert Tagen“ eine „Konferenz der führenden Nationen“ zur
Klimakrise nach Washington einberufen. „Das wird nichts, das pfeifen die
Spatzen von den Dächern“, meint ein Diplomat. Es sei auch nicht angemessen,
dass sich die USA wieder als Anführer gäben. Die informelle MEF-Runde
(„Major Economies Forum“), die die USA nach dem Kioto-Ausstieg im
Klima-Gespräch hielten, wurde unter Trump beendet – an seine Stelle rückte
das Format MoCA mit der EU, China und Kanada. „Irgendeine Form von
informeller Runde mit den USA wird es wieder geben“, sagtder Diplomat. „Und
sicher ist auch: die Amerikaner werden daraus eine große Show machen.“
28 Nov 2020
## LINKS
[1] https://deutschland.edf.com/de
[2] https://www.sunrisemovement.org/?ms=SunriseMovement
[3] https://worldwarzero.com/
[4] https://climateactiontracker.org/
## AUTOREN
Bernhard Pötter
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