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# taz.de -- Klimageld von reichen für arme Länder: Zu wenig, zu teuer, an die…
> Industrieländer haben armen Staaten ab 2020 jedes Jahr 100 Milliarden
> Dollar versprochen. Ob das klappt? Unklar. Das Geld vergrößert manche
> Probleme.
Bild: Klimaopfer: Eine Frau rettet ihre Habseligkeiten nach einem Taifun auf de…
Berlin taz | Es war einer der wenigen Erfolge der gescheiterten
Klimakonferenz in Kopenhagen im Dezember 2009. Die damalige
US-Außenministerin Hillary Clinton verkündete: „Wir sind bereit, mit
anderen Staaten daran zu arbeiten, im Jahr 2020 jährlich 100 Milliarden
Dollar gemeinsam zu mobilisieren.“ Das Versprechen rettete den UN-Prozess
und diente immer wieder als Beweis, dass die Industrieländer die Armen der
Welt nicht mit der [1][Klimakrise] alleinlassen würden.
2020 ist fast vorbei, und eine vorläufige Bilanz zeigt: Die Verursacher der
Klimakrise haben die Hilfen für die Opfer massiv erhöht, zuletzt auf knapp
80 Milliarden US-Dollar jährlich. Aber weil Daten fehlen, ist unklar, ob
das 100-Milliarden-Ziel erreicht wird. Deutlich wird auch: Es geht nicht
nur um die Höhe; der Geldfluss ist schwer zu durchschauen, finanziert
teilweise die falschen Projekte und landet oft bei den falschen Adressaten.
In manchen Fällen verschlimmern die Zahlungen die Probleme, anstatt zu
helfen.
Als Wegweiser im Dschungel der Klimafinanzen gelten die Berichte der
Industrieländer-Organisation OECD. Die trägt regelmäßig die
unübersichtlichen Bilanzen zusammen, die unter anderem aus
Entwicklungshilfe, Zahlungen an internationale Hilfsprogramme, privaten
Investitionen und Exportkrediten bestehen. Der [2][aktuelle Report weist
aus: Im Jahr 2018 flossen aus den OECD-Ländern 78,9 Milliarden] – deutlich
mehr als die 52 Milliarden, die noch 2013 zu Buche standen. 62,2 Milliarden
davon kamen aus Steuergeldern, 14,6 Milliarden waren private Investitionen
etwa in Windparks. Während die öffentlichen Ausgaben stetig zugenommen
haben, blieben die privaten Geldflüsse zuletzt etwa gleich.
Erreichen die Industrieländer nun die magische Grenze von 100 Milliarden?
Eine Aussage darüber vermeidet der OECD-Bericht. „Wir bekommen alle Daten
für 2020 erst Anfang 2022, und es wäre unseriös, jetzt zu spekulieren“,
heißt es von der Organisation. Sie weiß genau, wie politisch explosiv eine
Aussage wäre, ob die reichen Länder ihr Versprechen halten oder nicht. Denn
bei den harten Verhandlungen über neue Klimapläne, die 2021 in Glasgow
anstehen, sind diese Zahlen gute Argumente.
Schreibt man den Trend fort, der zuletzt jedes Jahr etwa 7 Milliarden
US-Dollar mehr an Hilfen zeigt, werden die geforderten 100 Milliarden knapp
verfehlt. [3][Schon 2016 hatte die OECD die damaligen Pläne addiert und für
2020 hochgerechnet] – sie kam auf 91 Milliarden. Jetzt macht die
Coronakrise solche Vorhersagen noch schwieriger: Zählen etwa die
billionenschweren Hilfspakete mit bei der Klimafinanzierung? [4][Erste
Untersuchungen zeigen, dass in 16 der G20-Staaten die ökologischen Folgen
der Coronahilfen negativ sind.] Weil noch vieles unklar ist, „ist da bisher
eine Aussage wirklich nicht zu machen“, sagt ein OECD-Experte.
Aber die Kritik von Hilfsorganisationen richtet sich nicht nur auf die
fehlenden Mittel, sondern auch darauf, wie sie gewährt werden. Denn nur
etwa 20 Prozent der öffentlichen Hilfen werden als Zuschüsse ausgezahlt,
[5][moniert der aktuelle „Schattenbericht zu Klimafinanzen“ der
Entwicklungsorganisation Oxfam.] Etwa 80 Prozent der Hilfen dagegen sind
Kredite, mehr als die Hälfte davon nicht einmal zu besonders günstigen
Konditionen. Das sei ein „Skandal, der gern übersehen wird“, heißt es in
dem Bericht, denn solche Kredite trieben arme Länder immer tiefer in die
Schuldenfalle.
Dazu kommt aus Sicht von Oxfam: Wegen Rechentricks der Industriestaaten
könnte „der Anteil der bilateralen Klimafinanzierung um ein Drittel
niedriger liegen als angegeben“, das Geld fließe zum großen Teil in
Projekte, die kaum auf Geschlechtergerechtigkeit achteten, zu wenig werde
auf den lokalen Märkten ausgegeben. „Das Ziel von 100 Milliarden auf diese
Weise zu erreichen“, lautet das Fazit, „wäre kein Grund zu feiern, sondern
ein Grund, sich Sorgen zu machen“.
Auch andere Experten haben ihre Probleme mit den Klimafinanzen: „Nach wie
vor fließt zu wenig Geld in die Anpassung an den Klimawandel“, sagt Sven
Harmeling von Care Deutschland. Laut Oxfam gehe nur ein Viertel der Gelder
an Projekte, mit denen sich etwa Bauern gegen Dürre und Fluten absichern
können. Nur ein Fünftel des Kapitals floss in die am wenigsten entwickelten
Länder, nur 3 Prozent in kleine Inselstaaten, wo die Schäden durch Stürme
und steigende Meeresspiegel stark zunehmen.
Der Grund dafür: Projekte und Investitionen lohnen sich eher und sind
leichter durchzusetzen, wo es eine funktionierende Verwaltung und ein gutes
Wirtschaftsumfeld gibt, was in den ganz armen Regionen oft nicht der Fall
ist. „Eigentlich haben sich alle geeinigt, dass sich die Gelder für
Anpassung mit der Senkung von Emissionen die Waage halten müssen“, so
Harmeling. Aber ein profitabler Solarpark zieht eben mehr Kapital an als
ein Damm, der Felder sichert.
Wenn die Industrieländer ihr 100-Milliarden-Ziel verfehlen, „wird das eine
Vertrauenskrise auf dem Weg zu den Verhandlungen von Glasgow bringen“,
schreibt Raju Pandit Chhetri von der nepalesischen Entwicklungsgruppe
Prakriti Resource Center in einer Mail an die taz. Nepal führt derzeit die
Gruppe der ärmsten Länder. Ohne neues Geld müssten diese Länder ihre
Budgets zur Bekämpfung der Klimakrise umschichten – „auf Kosten von
dringend nötigen Ressourcen für Bldung, Gesundheit, Infrastruktur und
Hungerbekämpfung“. Chhetri verweist außerdem auf UN-Studien, [6][wonach die
Kosten für die Anpassung massiv unterschätzt würden und schon 2030 bei 140
bis 300 Milliarden] liegen könnten.
Dass die Anpassung bei den Zahlungen vernachlässigt wird, moniert auch der
Internationale Fonds für Agrarentwicklung (Ifad), ein Arm der
UN-Agrarbehörde FAO. [7][In einem aktuellen Report warnt der Ifad,] dass
„nur 1,7 Prozent der Klimafinanzierung an kleine Bauern in
Entwicklungsändern geht“, obwohl diese überproportional anfällig für
Klimaveränderungen seien und einen Großteil der Lebensmittel für die
Bevölkerung produzierten. Gerichtet war diese Kritik auch an die
Entwicklungsbanken der UN-Staaten, die sich in der Mitte November erstmals
trafen, um zu überlegen, wie ihr Geschäftsmodell mit dem Pariser Abkommen
vereinbart werden kann.
Ebenfalls Mitte November zeigte die 27. Sitzung des „Grünen Klimafonds“ der
UNO, dass es bei den Finanzen langsam vorangeht. Der Fonds, in den
Industrieländer jeweils für fünf Jahre knapp 10 Milliarden Dollar
einzahlen, vergibt Hilfen an Projekte, die die Auswirkungen der Klimakrise
lindern und die weltweite Energiewende voranbringen sollen. [8][Das
aktuelle Treffen verhandelte etwa über Waldschutz in Argentinien und Costa
Rica, bessere Klima-Informationen auf den Südsee-Inseln oder
Energieeffizienz in Bangladesch.] Die USA schulden dem Fonds noch 2
Milliarden Dollar. „Wir hoffen, dass die neue US-Regierung das begleichen
wird“, sagt Care-Lobbyist Harmeling. Er lobt die deutsche Bundesregierung,
die ihren Anteil an der Klimafinanzierung von 2014 bis 2020 von jährlich 2
auf 4 Milliarden Euro verdoppelt hat, und legt die nächste Forderung auf
den Tisch: „Alle Staaten haben sich im Pariser Abkommen verpflichtet, die
Klimafinanzierung auf der Basis der 100 Milliarden weiterzuentwickeln“,
sagt Harmeling. „Deutschland sollte deshalb bis 2025 seinen Anteil noch
einmal auf jährlich 8 Milliarden Euro verdoppeln.“
30 Nov 2020
## LINKS
[1] /Schwerpunkt-Klimawandel/!t5008262
[2] http://www.oecd.org/environment/climate-finance-provided-and-mobilised-by-d…
[3] https://www.oecd.org/environment/cc/Projecting%20Climate%20Change%202020%20…
[4] https://www.vivideconomics.com/casestudy/greenness-for-stimulus-index/
[5] https://oxfamilibrary.openrepository.com/bitstream/handle/10546/621066/bp-c…
[6] https://www.un.org/sustainabledevelopment/blog/2016/05/unep-report-cost-of-…
[7] https://www.ifad.org/en/web/latest/news-detail/asset/42159631
[8] https://www.greenclimate.fund/sites/default/files/document/gcf-b27-02-rev03…
## AUTOREN
Bernhard Pötter
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