# taz.de -- Periodenprodukte in Schottland: Free bleeding | |
> In Schottland gibt es Periodenprodukte künftig kostenlos. In Deutschland | |
> feiert man noch, dass Tampons & Co nicht als Luxusgüter versteuert | |
> werden. | |
Bild: 20.500 Euro gibt eine Frau im Leben für Menstruationsartikel aus | |
Fast alle Menschen mit Gebärmutter zwischen dem frühen Teenageralter und | |
den Wechseljahren menstruieren. Sie alle müssen das Blut und die | |
Schleimhautreste, die Monat für Monat unkontrolliert aus ihnen | |
herausströmen, irgendwie auffangen: mit Tampons, mit Binden, mit | |
Menstruationstassen oder Periodenwäsche. Das Angebot ist mittlerweile | |
vielfältig, doch für welches Produkt man sich nun auch entscheiden mag: Es | |
kostet Geld. Und das nicht gerade wenig. Eine [1][repräsentative Studie aus | |
Großbritannien von 2015] ergab, dass Frauen umgerechnet im Schnitt etwa 500 | |
Euro im Jahr und 20.500 Euro im Leben für Menstruationsartikel und Dinge | |
ausgeben, die sie während ihrer Periode brauchen – oder ihnen das Leben | |
während der Blutungen erleichtern. Dazu gehören Tampons, | |
Menstruationstassen und Binden, aber zum Beispiel auch Schmerzmittel, | |
Schokolade und neue Unterwäsche, weil Unterhosen oft ausbleichen, wenn Blut | |
darauf landet. | |
Frauen verdienen also nicht nur weniger Geld als Männer, oben drauf müssen | |
sie auch noch Geld für Hygieneprodukte ausgeben. [2][Außer, sie leben in | |
Schottland]. Hoch im Norden des Vereinigten Königreichs fließen zwar nicht | |
Milch und Honig, aber bald etwas viel Besseres: Tampons und Binden aus | |
Spendern auf den Toiletten. Das schottische Parlament hat am Dienstagabend | |
einstimmig einen entsprechenden Gesetzentwurf verabschiedet. Demnach müssen | |
Schulen und Universitäten künftig Menstruationsartikel kostenlos zur | |
Verfügung stellen, und auch andere öffentliche Einrichtungen kann die | |
Regierung dazu verpflichten. | |
Regierungschefin Nicola Sturgeon feiert das bei Twitter als großen Erfolg | |
– und verspricht, dass kostenlose Produkte allen zur Verfügung stehen, die | |
sie brauchen. Offen ist bislang, wie die schottische Regierung | |
sicherstellen will, dass wirklich jede Person, die Menstruationsartikel | |
braucht, sie auch bekommt. Im Gesetz ist von öffentlichen Einrichtungen die | |
Rede, daher ist eher unwahrscheinlich, dass Drogerie- und Supermärkte die | |
Produkte kostenlos an Frauen abgeben. Stattdessen wäre es denkbar, dass sie | |
in öffentlichen Ämtern umsonst abholbar wären. | |
Schottland gilt als Pionier im Kampf gegen die sogenannte Periodenarmut, | |
bereits jetzt stellen dort viele Universitäten und Schulen die | |
Hygieneartikel kostenfrei bereit. Denn viele Frauen können sich | |
Menstruationsartikel nicht leisten und benutzen stattdessen zum Beispiel | |
Zeitungspapier, Stofffetzen oder Toilettenpapier und gefährden damit ihre | |
Gesundheit. Neben Schottland tun sich zum Beispiel auch Kenia, Kanada, | |
Indien und Irland dabei hervor. Dort werden Periodenprodukte zwar nicht | |
kostenfrei verteilt, aber wenigstens nicht besteuert. | |
## Kein Luxusgut soll Forschritt sein | |
In Deutschland ist das noch lange keine Realität. Seit Januar müssen die | |
Menstruierenden immerhin keine 19 Prozent Mehrwertsteuer mehr für Tampons | |
und Co bezahlen, sondern nur noch 7 Prozent. [3][Den ermäßigten Steuersatz] | |
erhebt der deutsche Staat bei Dingen, die zum Grundbedarf des Lebens | |
gehören, 19 Prozent fallen für Produkte an, die als Luxus gelten. Dazu | |
zählten bis vor einigen Monaten eben Tampons und Binden, nicht aber | |
Schokolade, Matetee oder Münzsammlungen. Es ist schon erstaunlich wie viel | |
Engagement es für diese Änderung brauchte. Nämlich 190.000 Unterschriften, | |
zwei Petitionen und jahrelange ehrenamtliche Arbeit von Aktivistinnen. Ohne | |
die Tampons und Co noch immer als „Luxusgüter“ besteuert werden würden. | |
Ob die Kostensenkung jedoch bei den Abnehmer:innen ankommt, ist eine ganz | |
andere Frage. Denn einige Hersteller erhöhten wohl prompt die Preise für | |
Tampons und Binden. [4][Das bestätigte Kaufland dem Tagesspiegel im | |
Januar]. Die Steuersenkung war also vielleicht gut gemeint, im Endeffekt | |
aber wenig wirksam. | |
Die Aktion zeigt: Multinationalen Unternehmen und „dem Markt“ ist die | |
Benachteiligung von Frauen meistens ziemlich egal. Regierungen müssen | |
beherzt eingreifen, wenn sie nicht wollen, dass die Hälfte ihrer | |
Bürger*innen Geld ausgeben müssen, nur weil sie eine Gebärmutter haben. So | |
wie es Schottland jetzt tut. | |
Denn mal ehrlich: Einmal im Monat bluten, mit Krämpfen und Wärmflasche im | |
Büro sitzen und PMS ertragen, ist schon schwer genug. | |
25 Nov 2020 | |
## LINKS | |
[1] https://www.huffingtonpost.co.uk/2015/09/03/women-spend-thousands-on-period… | |
[2] /Neues-Gesetz-in-Schottland/!5731435 | |
[3] /Petition-Perioden-Produkte/!5595503 | |
[4] https://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/nach-senkung-der-tamponsteuer-herste… | |
## AUTOREN | |
Xenia Balzereit | |
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