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# taz.de -- Intensivstationen in der zweiten Welle: Angst vor dem Kollaps
> Die Zahl der Patienten auf den Intensivstationen im Norden steigt.
> Reichen die Kapazitäten? Und wohin mit der Angst, dass nicht?
Bild: Ort der Hoffnung und der Angst: Intensivstation mit Covid-Patient*innen, …
Hamburg taz | Intensivstationen sind Orte, an die man mit Angst und
Faszination denkt. Der Zugang zu ihnen war schon immer beschränkt und wer
Zutritt erhält, sieht sich vor allem Maschinen gegenüber und die wenigen
Menschen sind nahezu gesichts- und körperlos hinter ihrer Schutzkleidung.
Das Leben der PatientInnen scheint vor allem von diesen Maschinen
abzuhängen, deren Funktion ein Laie nicht versteht. Es ist eine
beängstigende Welt, die aber in der Präzision der Abläufe und Instrumente
beeindruckt – und beruhigt.
Derzeit sind die [1][Intensivstationen einer der meistdiskutierten Punkte]
in der Coronadebatte, und zwar in einer sonderbaren Gleichzeitigkeit als
Ort und als Unort. Einerseits sind sie [2][virtuell präsent,] ihre
Standorte und Verfügbarkeit lassen sich online jederzeit einsehen und
werden regelmäßig aktualisiert. Zugleich wird in diesen Wochen das
öffentliche Leben zurückgefahren, um [3][die noch freien Plätze] auf den
Stationen erst gar nicht belegen zu müssen.
## Solidarisch aus der Krise
Angst, auch die belächelte „German Angst“, sei ein wichtiges Frühwarnsyst…
und Korrektiv, sagt Silke Beck vom Leipziger Helmholtz-Zentrum für
Umweltforschung in einem [4][Interview, das das Bundesforschungsministerium
auf seine Internetseite] gestellt hat. Abgefragt wird die Angst schon
länger in jährlichen Statistiken. Nun kommt die Frage hinzu, was genau in
der Pandemie die Menschen bedrückt.
Dabei scheint die Angst davor, sich zu infizieren, zwar zu steigen, aber
wesentlicher ist die Sorge vor wirtschaftlichen Folgen der Pandemie – und
die Angst um Angehörige. Das ist bemerkenswert in einer Zeit, in der
häufiger von Verteilungskämpfen als von Solidarität zwischen den
Generationen die Rede ist. Dazu passt, dass 92 Prozent der im Auftrag der
Bundesregierung von Infratest Befragten glauben, dass die Krise nur gelöst
werden kann, wenn die Menschen solidarischer miteinander umgehen.
## Das Potenzial der Angst
Nun sind Bekenntnisse dieser Art erst einmal Theorie. Aber positiv gedeutet
verweisen sie auf das, was der dänische Philosoph Søren Kierkegaard als
Potenzial der Angst beschrieb: Sie sei der Blick des Individuums in den
Abgrund und eben dort erkenne es den „Schwindel der Freiheit“. Einer
Freiheit, in der die oder der einzelne allein Entscheidungen treffen kann
und muss.
Und eine ähnliche Fremdheit erkennt der Philosoph Martin Heidegger, noch so
ein düsterer Kenner der Angst, wenn er erklärt, dass in ihr die alltägliche
Vertrautheit zusammenbricht.
Wir können uns also umsehen und mit neuer Fremdheit auf Situationen
blicken, die gar nicht alle grundsätzlich neu sind, aber eine neue Dramatik
bekommen haben. Wir können darüber nachdenken, wer gerade wie tief fällt
und welche Netze ausgebreitet werden.
Wir können die schlichte Tatsache zur Kenntnis nehmen, dass Menschen, die
von ihnen Nahestehenden nicht mehr besucht werden können, irgendwann
sterben wie Blumen ohne Wasser. Wir können zur Kenntnis nehmen, dass
hochtechnisierte Intensivstationen nichts nutzen, wenn niemand dort
arbeiten will.
## Der Schwindel der Angst
Es ist nicht so, dass der Schwindel der Angst notwendigerweise Gutes zutage
fördert. Gemeingut der Psychologie ist, dass Angst in Aggression umschlagen
kann. Das Ergebnis kann man auf einschlägigen Demonstrationen sehen.
Wer das Pech hat, BürgerIn in einem Land wie Ungarn zu sein, muss zusehen,
wie Coronamaßnahmen dazu dienen, die Rechtsstaatlichkeit weiter zu
unterhöhlen. Man kann im Schwindel nationale Egoismen erkennen und man kann
fragen, warum weder Flüchtlingselend noch Klimakrise vergleichbare Kräfte
mobilisieren.
Nicht jederR hat die gleichen Voraussetzungen, mit dem Potenzial der Angst
umzugehen. Ein [5][Coronaverdacht in einer Flüchtlingsunterkunft] ist eine
fundamental andere Erfahrung als der in einer bundesdeutschen
Durchschnittsfamilie. Aber auch das gilt es in den Blick zu nehmen: Unser
Schwindel ist Chance und Privileg, so absurd das klingen mag.
Mehr lesen Sie in der gedruckten taz am wochenende – oder [6][hier]
13 Nov 2020
## LINKS
[1] /Coronapandemie-und-Kliniken/!5723610
[2] https://www.intensivregister.de/#/intensivregister?tab=kartenansicht
[3] https://www.ndr.de/nachrichten/info/Corona--Intensivbetten-Norddeutschland-…
[4] https://www.bmbf.de/de/schuetzt-uns-die-deutsche-angst-in-krisenzeiten-1120…
[5] /Corona-in-Unterkunft-fuer-Gefluechtete/!5721013
[6] /e-kiosk/!114771/
## AUTOREN
Friederike Gräff
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