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# taz.de -- Pandemie in Ostsachsen um Görlitz: Pflegekrise trifft Coronakrise
> In Ostsachsen explodiert die Zahl der Coronainfizierten auf
> Intensivstationen. Pflegekräfte sind am Limit, manche arbeiten trotz
> eigener Krankheit weiter.
Bild: Das Pflegepersonal in Görlitz hat die Belastungsgrenze erreicht
Leipzig taz | Vergangene Woche kam der Hilferuf aus Görlitz: Die
Krankenhäuser sind an der Belastungsgrenze, zu viele Rettungskräfte
erkrankt, das Gesundheitsversorgung am Limit. Der ostsächsische Landkreis
steht in der [1][Coronakrise] kurz vor dem Kollaps. Der Landrat Bernd Lange
(CDU) ruft Landespolizei, Gesundheitsministerium und Bundeswehr zur Hilfe.
Angesichts der massiv ansteigenden Infektionszahlen spricht er von einer
„Krisensituation, wie es sie seit den 1950er Jahren in der Region nicht
mehr gegeben hat“.
Gleichzeitig herrscht in dem östlichsten Landkreis Deutschlands nicht erst
seit der Pandemie ein gravierender Pflegenotstand. Mit schwerwiegenden
Folgen: In Görlitz arbeiten Coronapositive Pflegekräfte derzeit einfach
weiter.
Görlitz, am Dienstagvormittag. Im Landratsamt haben sich Landrat Bernd
Lange (CDU), die Sozialdezernentin des Landkreises Martina Weber und der
Leiter des Kommunalamtes zusammengefunden. Die Verantwortlichen geben sich
führungsstark, wollen zeigen, dass sie die Lage unter Kontrolle haben. Man
spricht über die Allgemeinverfügung, darüber, dass die Polizei mehr
kontrollieren müsse. Dass anders als zuvor auch Bußgelder strenger verhängt
werden müssten.
Zu diesem Zeitpunkt liegt die 7-Tages-Inzidenz laut Robert-Koch-Institut im
östsächsischen Landkreis an der polnischen Grenze bei 443,57. In der Woche
zuvor waren es noch 400,8. Der Landkreis Görlitz gehört neben Bautzen, dem
Erzgebirgskreis und dem Kreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge zu den
aktuellen Corona-Hotspots. In keinem anderen Bundesland breitet sich das
Virus derzeit so rasant aus wie in Sachsen.
## Lässt sich die Lage noch kontrollieren?
Fünfzehn Pflegeheime stehen im Landkreis derzeit in Quarantäne, 417
Bewohner:innen und Mitarbeiter:innen sind davon betroffen. Dennoch sieht
die neue Allgemeinverfügung kein explizites Besuchsverbot vor – diese
Entscheidungen obliegt den Einrichtungen selbst. Die Krankenhäuser stellen
ihre Notdienste ein, weil sie überlastet sind. Das Klinikum Görlitz hat
mehr Betten bekommen, dennoch liegt die Auslastung der Intensivstation noch
immer bei 96%. Einige Intensivpatient:innen wurden in den vergangenen Tagen
in Krankenhäuser nach Dresden verlegt – manche Plätze sind durch Todesfälle
frei geworden, so sagt es die Sozialdezernentin auf der Pressekonferenz am
Dienstag.
Trotz dieser Krisenlage beteuern die politisch Verantwortlichen, dass es
keinen Kontakt zwischen infizierten Pflegekräften und nicht-infizierten
Patient:innen gebe. Im Juli hatte das RKI eine Empfehlung herausgegeben, in
der es hieß, „in absoluten Ausnahmefällen“ sei „die Versorgung NUR von
Covid-19-Patientinnen und Patienten“ durch SARS-CoV-2-positives Personal
„denkbar“. Diese Ausnahme könne man garantieren, sagt Weber.
Doch lässt sich die Lage überhaupt kontrollieren? Nein, sagt Mirko Schultze
aus Görlitz. Der Landtagsabgeordnete und Sprecher der Linksfraktion für
Feuerwehr, Rettungswesen, Bundeswehr und Katastrophenschutz ist „fest davon
überzeugt“, dass Coronapositiv getestetes Personal mit Personen in Kontakt
kommt, die nicht infiziert sind.
Zwar arbeiten die infizierten Pflegekräfte in speziellen Schutzanzügen,
laut Schulze könne angesichts der [2][Arbeitsbelastung und dem Notstand]
aber nicht garantiert werden, dass es zu keinem Kontakt komme. „Es muss
eine Pflegekraft am Bett stehen, wenn jemand an einer Beatmungsmaschine
hängt.“ Dieses Risiko müsse man hier eingehen, um die Versorgung der
Coronakranken zu gewährleisten.
Will man versuchen, mit Pflegekräften aus Görlitz zu sprechen, so findet
man sich in einer Sackgasse wieder. Viele Leute haben Angst, sich zu
äußern. Andere sagen, sie wollen nicht mehr über das Thema reden, sondern,
dass sich endlich etwas ändere. Von den Stationen im Klinikum heißt es, man
müsse sich an die Pressestelle wenden. Die Sprecherin des Klinikums Görlitz
versichert, dass dort keine Mitarbeiter:innen eingesetzt werden, die mit
Corona infiziert sind.
Eine Pflegerin aus dem nahegelegenen Bautzen sagt jedoch, angesichts des
Pflegenotstandes sei nicht möglich, die RKI-Empfehlung zu garantieren. Man
müsse ja weiterarbeiten. Denn: „Sobald einer von uns krank wird, bricht das
ganze System zusammen.“
Seit Dienstag ist nun in Görlitz und Bautzen eine neue Allgemeinverfügung
in Kraft, die unter anderem Ausgangsbeschränkungen beinhaltet. Am
Mittwochmorgen sagte Ministerpräsident Kretschmer, dass auch landesweit
eine Verschärfung der geltenden Coronaregeln in Betracht komme, sollten die
Zahlen nicht sinken. Dann müssten auch Kindertagesstätten, Schulen und
viele Geschäfte komplett schließen Doch es sind späte Maßnahmen,
Ankündigungen und Drohungen. Man hat die Pandemie unterschätzt.
3 Dec 2020
## LINKS
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## AUTOREN
Sarah Ulrich
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