# taz.de -- Uwe Kekeritz über Entwicklungspolitik: „Einiges läuft falsch“ | |
> Projekte im Globalen Süden sind intransparent und befördern oft nur die | |
> eigene Wirtschaft, kritisiert der Sprecher für Entwicklungspolitik der | |
> Grünen. | |
Bild: Gefährdetes Idyll: Ein geplanter Staudamm im Bisri-Tal im Libanon konnte… | |
taz: Herr Kekeritz, Sie haben sich stark gegen den [1][Bau des | |
Bisri-Staudamms im Libanon] eingesetzt. Wie sinnvoll sind Dämme allgemein | |
für die Wasserversorgung? | |
Uwe Kekeritz: Ich glaube, das kommt auf die Verhältnisse an. Ich komme | |
beispielsweise aus Mittelfranken, da haben wir eine sogenannte | |
Seenlandschaft und in Bayern finden sich viele künstlich angelegte Seen, | |
die als Wasserreservoirs für die Versorgung von Städten dienen. Ich kann | |
mir gut vorstellen, dass in den Ländern des Globalen Südens so etwas im | |
Prinzip auch sinnvoll sein kann. Wenn wir uns die Urbanisierung anschauen | |
und die Städte, die mit Wasser versorgt werden müssen, dann brauchen wir | |
Wasserspeicher als einen Teil der Lösung. Ein Dammbau wie im Bisri-Tal ist | |
aber hochproblematisch. Durch die Veränderung der Umwelt durch derartige | |
Großprojekte im Libanon hätten die Alternativen geprüft und zunächst das | |
kaputte Rohrsystem repariert werden müssen. Und es hätte der Weltbank als | |
Geldgeberin klar sein müssen, dass die [2][korrupte Regierung und die | |
ebenso korrupten Eliten] weniger an die Wasserversorgung gedacht haben, | |
sondern eher daran, wie sie an Geld kommen. Auch dass diese Regierung einen | |
solchen Kredit nicht zurückzahlen kann, musste die Weltbank wissen, da | |
[3][der Libanon schon lange am Rande der Insolvenz stand]. | |
Staudämme bieten auch geopolitisch hitziges Potential, wie wir bei dem | |
[4][Staudamm GERD in Äthiopien] sehen. | |
Dieser riesige Staudamm in Äthiopien dient der Stromversorgung. Was die | |
Wasserversorgung angeht, hat er allerdings für Ägypten natürlich negative | |
Auswirkungen. Es bestehen auf ägyptischer Seite durchaus berechtigte | |
Ängste, denn das ganze Land ist abhängig vom Nilwasser. Ein Staudamm ist | |
für mich eine der letzten Maßnahmen, die man ergreifen kann. Grundsätzlich | |
müssten Alternativen geprüft werden: Vielleicht kleine, dezentrale | |
Kraftwerke. In Äthiopien gibt es aber auch viel Wind und Sonne. Die | |
Alternativen zu den verheerenden Großstaudämmen liegen also auf der Hand. | |
Gerade im Globalen Süden ist das Wasser aber privatisiert, die | |
Wasserversorgung ist teuer. | |
Die Wasserversorgung wird häufig durch Lastwagenlieferungen sichergestellt, | |
was als Notmaßnahme richtig ist. Für die Menschen bedeutet dies aber | |
Wasserknappheit, mangelnde Qualität und ein zeitlich hoher Aufwand, um an | |
Wasser zu kommen. Für mich ist wichtig, dass die Wasserversorgung auf | |
keinen Fall privat organisiert werden darf. Sie muss in staatlicher Hand | |
sein. Denn die Privatisierung hat schwere Folgen für die Armen: | |
Beispielsweise in den [5][Armenvierteln in Kenia muss jeder Liter Wasser im | |
Kanistern] bezahlt werden. Und dieses Wasser ist teurer als in den | |
Luxusvierteln. Das Menschenrecht auf Wasser darf nicht kommerzialisiert | |
werden. | |
Die neue Renaissance von Dämmen zeigt, dass Entwicklungsgelder offenbar | |
eher in Bauprojekte gesteckt werden. Eine Priorität liegt auf dem Bauen und | |
Entwickeln, anstatt auf kleineren Lösungen, die nicht so viel Geld | |
verschlingen. Läuft da grundsätzlich etwas falsch in der | |
Entwicklungspolitik? | |
Ich gebe ihnen Recht, da läuft einiges falsch in der globalen | |
Entwicklungspolitik. Aber die Bundesregierung und auch die Kreditanstalt | |
für Wiederaufbau (KfW) haben sich aus den wirklich großen Staudammprojekten | |
zurückgezogen. Da stehen dann andere Finanziers wie die Weltbank bereit. | |
Deshalb muss die Bundesregierung beispielsweise über den deutschen | |
Exekutivdirektor eine progressivere Rolle wahrnehmen. Auch einige deutsche | |
Unternehmen sind nach wie vor am Bau solcher Projekte beteiligt und für | |
diese sind sie durchaus lukrativ. Grundsätzlich brauchen wir sowohl in der | |
Energie- wie auch Wasserversorgung dezentrale Ansätze, Mega-Staudämme | |
bringen keine nachhaltige Lösung. | |
Die Weltbank agiert als Bank, auch die KfW ist eine Bank. Haben | |
Entwicklungsprojekte überhaupt etwas mit Hilfe zu tun oder sind sie Mittel | |
zum Zweck für Gewinne aus Geldanlagen? | |
Die Entwicklungsfinanzierung der KfW ist institutionell zweigeteilt. Der | |
eine Teil ist die KfW Entwicklungsbank. Sie stellt Gelder in Form von | |
Zuschüssen und Niedrigzins-Krediten zur Verfügung. Oftmals gibt es dann | |
noch Unterstützung durch das Bundesministerium für Entwicklung und | |
Zusammenarbeit (BMZ). Ich gehe davon aus, dass die KfW bisher keine | |
gigantischen Summen verloren hat. Die Deutsche Entwicklungsgesellschaft | |
(DEG), eine hundertprozentige Tochter der KfW, dagegen schon. | |
Als deutsche Steuerzahlerin denke ich doch aber: Entwicklungszusammenarbeit | |
hat etwas mit Hilfe zu tun und nicht mit Banken und Kapitalanlagen. | |
Da haben Sie Recht. Früher sagte man, ein gewährter Kredit ist | |
Entwicklungshilfe. Ist der Kredit getilgt worden, dann ist die Summe von | |
den öffentlichen Ausgaben für Entwicklungszusammenarbeit auch wieder | |
abgezogen worden. Heute wird das nicht mehr so gemacht. Beispielsweise wird | |
nur noch der Teil, der vom Kredit nicht zurückgezahlt werden muss, als | |
Entwicklungszusammenarbeit angerechnet. Zuschüsse und Entwicklungskredite | |
bieten den Partnerländern Finanzierungsmöglichkeiten für | |
Entwicklungsprogramme. Die KfW bietet den Ländern damit eine Finanzierung | |
an, die sie sich so über den Kapitalmarkt wohl nicht hätten beschaffen | |
können oder nur zu horrenden Zinsen. Wenn die KfW einen Kredit mit vier | |
Prozent an ein Entwicklungsland vergibt, dann kann das günstig für das Land | |
sein, aber eben auch günstiger für die Bank: Denn wo bekommen Sie in | |
Deutschland heute noch vier Prozent? | |
Die KfW ist eine staatliche Institution, legt aber nicht offen, wie sie ihr | |
Kapital anlegt. Wieso ist die Entwicklungszusammenarbeit so intransparent | |
gestaltet? | |
Die KfW ist in den letzten Jahren in Sachen Transparenz besser geworden. | |
Großes Sorgenkind bleibt die Tochter DEG, die sich gänzlich der | |
öffentlichen Kontrolle entzieht und sich dabei auf das Bankgeheimnis | |
beruft. Ich halte es für unerträglich, dass im öffentlichen Bereich immer | |
noch intransparente Strukturen herrschen. | |
Aber auch als Anteilseignerin möchte ich wissen, in welche Projekte und | |
Anlagen dieses Geld weiter fließt. Deutsche Steuerzahlende wissen gar | |
nicht, wie die KfW das Geld anlegt, beispielsweise in Fonds mit Firmen im | |
Waffengeschäft. | |
Da müssen wir unterscheiden, denn die KfW ist eine Bankengruppe mit | |
verschiedenen Bereichen und Tochtergesellschaften. Ich gehe hoffentlich | |
zurecht von der Annahme aus, dass die Entwicklungsbank keine Investitionen | |
in Waffengeschäften tätigt. Aber bei Entwicklungsprojekten mit | |
Privatsektorbeteiligung sind sie oftmals äußert intransparent und | |
verstecken sich hinter dem Bankgeheimnis. Im Entwicklungsbereich müsste die | |
Bank eigentlich Auskunft geben, denn sie agiert hier im Auftrag der | |
Bundesregierung. Trotzdem wehrt sie sich mit Händen und Füßen. Auch das | |
Parlament könnte Transparenz erzwingen. Aber die Mehrheitsverhältnisse | |
lassen das nicht zu. | |
Sie sind im Beirat des Deutschen Evaluierungsinstituts der | |
Entwicklungszusammenarbeit (DEval). Wird dort besprochen, wie | |
Entwicklungszusammenarbeit für die Öffentlichkeit transparenter gestaltet | |
werden kann? | |
Indirekt ist das immer Thema. Aber das DEval hat die Aufgabe, konkrete | |
Projekte oder Vorhaben zu überprüfen. Beispielsweise beurteilt das DEval, | |
ob Zielgrößen klar definiert und dann auch erreicht werden, wie die | |
internen Kommunikationsstrukturen sind und ob die Projekte in die lokale | |
Wirtschaft, Verwaltung und Zivilgesellschaft eingebunden sind. Diese | |
Empfehlungen können durchaus von grundsätzlicher Natur sein, stellen aber | |
nicht die Frage, wie Entwicklungspolitik neu konzipiert werden müsste. Ein | |
weiteres Problem ist, dass die DEval eine Einrichtung des BMZ selbst ist. | |
Sie plädieren für eine Neuausrichtung der Entwicklungspolitik. Wie soll die | |
konkret aussehen? | |
Entwicklungspolitik wird immer häufiger instrumentalisiert, [6][um | |
Migrations- und Fluchtbewegungen zu kontrollieren]. Das ist zum einen | |
moralisch verwerflich und grundfalsch, aber zum anderen fehlen die Gelder | |
dann in anderen Bereichen wie Bildung, Gesundheit, Frauenrechte, Ernährung, | |
Wasserversorgung und so weiter. Es ist kontraproduktiv, wenn das BMZ quasi | |
ein verlängerter Arm unserer Sicherheits- oder Migrationspolitik wird. Das | |
stößt auf Ablehnung in den Partnerländern. Es kann nicht sein, dass Außen- | |
und Entwicklungsministerium mit völlig unzureichenden Absprachen im | |
gleichen Flüchtlingslager agieren. Außerdem kritisiere ich, dass die | |
Wirtschaftskomponente immer mehr dominiert. Die Entwicklungspolitik | |
verkommt zur Außenwirtschaftsförderung. Es braucht endlich Kohärenz, und | |
zwar im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung. In der Konsequenz muss daraus | |
eine Kehrtwende etwa in der Handels- und Haushaltspolitik, in der Finanz- | |
und Steuerpolitik oder auch in der Agrar- und Wirtschaftspolitik folgen. | |
Zudem ist die Struktur falsch, wie wir die Vorhaben mit unseren | |
Partnerländern konzipieren. Wenn wir Konzepte für die Entwicklungspolitik | |
erstellen, dann läuft es so ab, dass das BMZ sich gemeinsam mit GIZ und KfW | |
überlegt, was sie machen wollen. Die Konzepte für solche Programme sollten | |
grundsätzlich anders erstellt werden. Die Länder müssen stärker in die | |
Verantwortung genommen werden. Sie haben sehr viele fähige Wissenschaftler, | |
Kulturschaffende, religiöse Führer und eine aktive Zivilgesellschaft, die | |
in die Entwicklungsstrategien nicht einbezogen werden. Sie müssen von | |
Anfang an selbst Verantwortung innerhalb des Projektes tragen. Das wäre | |
auch eine Methode, die Korruption zu verringern und die Eigenverantwortung | |
zu stärken. Ein Projekt wie der Bisri-Damm wäre so sicherlich nicht | |
entstanden. | |
25 Oct 2020 | |
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## AUTOREN | |
Julia Neumann | |
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