# taz.de -- Corona-Entwicklung in Deutschland: Gericht kippt Berliner Sperrstun… | |
> Das Berliner Verwaltungsgericht hat einem Eilantrag zur Sperrstunde | |
> stattgegeben. NRW hält an seinen strengen Kontaktregelungen fest. | |
> Coronameldungen im Überblick. | |
Bild: Verlassener Kneipenkiez im Berliner Stadtteil Friedrichshain | |
BERLIN dpa/afp/taz | Das Berliner Verwaltungsgericht hat die wegen der | |
Coronapandemie vom Senat [1][beschlossene Sperrstunde] in der Hauptstadt | |
gekippt. Das sagte ein Gerichtssprecher am Freitag der Deutschen | |
Presse-Agentur. Mehrere Gastronomen hatten Eilanträge gegen die Verordnung | |
eingereicht. | |
Insgesamt hatten sich nach Angaben von Rechtsanwalt Niko Härting rund ein | |
Dutzend Berliner Bars und Clubs gegen die Sperrstunde gewandt. Sie | |
kritisierten die Sperrstunde als unverhältnismäßig. | |
Aus ihrer Sicht gibt es keine überzeugende Begründung für die Schließung | |
der Gaststätten um 23 Uhr. Mit einer Sperrstunde für die Gastronomie werde | |
erreicht, dass sich junge Menschen dann an anderen Orten träfen, für die | |
keine Hygienekonzepte gelten, so die Argumentation. | |
Der Senat hatte am Dienstag vor dem Hintergrund der deutlich gestiegenen | |
Infektionszahlen beschlossen, dass Restaurants, Bars, Kneipen und die | |
meisten Geschäfte künftig zwischen 23 und 6 Uhr geschlossen sein müssen. | |
Die neue Regelung war ab vergangenem Wochenende in Kraft getreten. | |
## Hamburg führt Sperrstunde ein | |
Der Senat in Hamburg verschärft hingegen die geltenden Corona-Vorgaben. Der | |
Betrieb von Gaststätten ist ab Sonnabend für den Publikumsverkehr von 23 | |
Uhr bis 5 Uhr des Folgetages untersagt, wie der Senat am Freitag mitteilte. | |
In diesem Zeitraum gilt zugleich ein Verbot, Alkohol zu verkaufen. | |
Private Feiern außerhalb der eigenen Wohnung sind nur noch mit bis zu 25 | |
Menschen zulässig. In der eigenen Wohnung dürfen noch höchstens 15 Feiernde | |
sein. Zusätzlich werde empfohlen, körperliche Kontakte auf ein absolut | |
nötiges Minimum zu reduzieren und geeignete Hygienemaßnahmen einzuhalten, | |
hieß es weiter. | |
Darüber hinaus wird nach den Herbstferien in den Berufsbildenden Schulen | |
sowie in den Oberstufen der allgemeinbildenden Schulen die Pflicht zum | |
Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung auch auf den Unterricht ausgeweitet. | |
## NRW: Nur maximal zehn Personen im öffentlichen Raum | |
Nordrhein-Westfalen will an seinen strengen Kontakt-Beschränkungen | |
festhalten. Abweichend von gemäßigteren Empfehlungen der jüngsten | |
Bund-Länder-Konferenz sollen sich in NRW weiterhin nur maximal zehn | |
Personen im öffentlichen Raum treffen dürfen – unabhängig von der | |
Infektionslage. Das berichtete [2][NRW-Ministerpräsident Armin Laschet] | |
(CDU) am Freitag in einer Video-Schalte mit Oberbürgermeistern und | |
Landräten. | |
Die Bund-Länder-Einigung vom vergangenen Mittwoch sieht eine Beschränkung | |
auf zehn Personen erst vor, wenn die Zahl der Neuinfektionen in einer | |
Kommunen pro 100.000 Einwohner auf 50 oder mehr innerhalb von sieben Tagen | |
steigt. In NRW dürfen sich bei Erreichen dieser Warnstufe schon seit | |
vergangenem Montag nur noch fünf Personen im öffentlichen Raum treffen. | |
Für die Gastronomie in allen Kommunen mit hohen Corona-Neuinfektionszahlen | |
soll eine verpflichtende Sperrstunde zwischen 23 Uhr und 6 Uhr eingeführt | |
werden. Das hat das Landeskabinett am Freitag ebenfalls beschlossen. Die | |
Sperrstunde gilt in Kommunen mit 50 oder mehr Neuinfektionen pro 100.000 | |
Einwohner innerhalb sieben Tagen, wie Laschet mitteilte. | |
## Maskenpflicht in Baden-Württemberg auch im Unterricht | |
Die Maskenpflicht wird in Baden-Württemberg ab Montag an weiterführenden | |
Schulen [3][auch auf den Unterricht] ausgeweitet. „Die Erweiterung der | |
Maskenpflicht ab Klasse 5 auf den Unterricht gilt ab einer landesweiten | |
7-Tages-Inzidenz von über 35“, teilte eine Sprecherin des | |
Kultusministeriums am Freitag mit. | |
„Wir werden heute die Schulen darüber informieren, dass dies dann ab | |
kommenden Montag zu beachten ist.“ Bislang gilt die Maskenpflicht ab Klasse | |
fünf und an weiterführenden Schulen in Baden-Württemberg lediglich auf | |
sogenannten Begegnungsflächen wie Schulfluren, Aula und Toiletten. | |
## Bayern und Hessen schaffen Beherbergungsverbot ab | |
In Bayern ist an diesem Freitag das umstrittene Beherbergungsverbot für | |
Reisende aus Corona-Hotspots ausgelaufen. Die Staatsregierung verzichte auf | |
eine Verlängerung der Vorschrift, „wir belassen es dabei“, sagte | |
Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU) am Freitag in München. | |
Damit endet das Beherbergungsverbot mit Ablauf des Tages. Zur Begründung | |
sagte Herrmann, dass man darauf setze, dass die Länder die Beschlüsse der | |
Bund-Länder-Vereinbarung aus dieser Woche umsetzten. | |
Herrmann betonte, dass das Beherbergungsverbot aber weiter im | |
„Instrumentenkasten“ für den Kampf gegen die Pandemie enthalten bleibe. | |
Sollte es notwendig werden, könne es somit wieder angewendet werden. Dies | |
sei derzeit aber auch weniger relevant, weil die Ferien in vielen besonders | |
von der Pandemie betroffenen Regionen bereits wieder vorbei seien. | |
Auch Hessen plant die Abschaffung des Beherbergungsverbots. Das kündigte | |
die Staatskanzlei in einer Mitteilung vom Freitag an. Die geplante | |
Abschaffung stehe auf der Tagesordnung für eine Sitzung des | |
Corona-Kabinetts am kommenden Montag. | |
## Schleswig-Holstein hält an Verbot fest | |
Das schleswig-holsteinische Oberverwaltungsgericht hat einen Eilantrag | |
gegen das Beherbergungsverbot in dem Bundesland abgelehnt. Eine Familie aus | |
dem Kreis Recklinghausen (Nordrhein-Westfalen), die ab Freitag auf Sylt | |
Urlaub machen wollte, hatte den Antrag gestellt, wie das Gericht am | |
Donnerstagabend mitteilte. | |
Würde der Vollzug des Beherbergungsverbots jetzt ausgesetzt, könnten | |
Menschen aus inländischen Risikogebieten zu touristischen Zwecken | |
unkontrolliert nach Schleswig-Holstein kommen, hieß es in der Begründung | |
der Richter. [4][In Baden-Württemberg und Niedersachsen] hatten | |
Verwaltungsrichter das Verbot am Donnerstag für rechtswidrig erklärt. | |
Die Richter betonten, angesichts des bundesweit rasanten Anstiegs der | |
Infektionen sei die Landesregierung nicht gehalten, zu warten, bis sich die | |
Situation in Schleswig-Holstein in ähnlicher Weise entwickle wie in den | |
inländischen Risikogebieten. | |
Bei einer Gesamtbetrachtung überwiege das Interesse der Gesamtbevölkerung | |
am Schutz vor einer Weiterverbreitung des Coronavirus gegenüber den | |
Interessen der antragstellenden Familie an einer touristischen Reise. Denn | |
diese habe es in der Hand, durch einen negativen Coronatest den Urlaub auf | |
Sylt „zeitnah zu realisieren“. Der Testung sei finanziell zumutbar, so die | |
Richter des 3. Senats. | |
## Erstmals über 7.000 Neuinfektionen in Deutschland | |
Die Gesundheitsämter in Deutschland haben nach Angaben des | |
Robert-Koch-Instituts (RKI) vom Freitagmorgen 7.334 neue Corona-Infektionen | |
innerhalb eines Tages gemeldet. Am Vortag war mit 6.638 neuen Fällen der | |
bis dato höchste Wert seit Beginn der Pandemie in Deutschland registriert | |
worden. In der vergangenen Woche meldete das RKI am Freitag 4.516 | |
Neuinfektionen. | |
Die jetzigen Werte sind alledings nur bedingt mit denen aus dem Frühjahr | |
vergleichbar, weil mittlerweile wesentlich mehr getestet wird – und damit | |
auch mehr Infektionen entdeckt werden. Sicher ist jedoch, dass die [5][Zahl | |
der Infektionen wieder exponentiell zunimmt]. | |
Auch bei den intensivmedizinisch behandelten Covid-19-Patienten zeichnet | |
sich ein deutlicher Anstieg ab. Laut RKI-Lagebericht wurden am Donnerstag | |
655 Corona-Infizierte intensivmedizinisch behandelt, 329 davon wurden | |
beatmet. Eine Woche zuvor hatte der Wert noch bei 487 (239 beatmet) | |
gelegen, in der Woche davor bei 362 (193 beatmet). Rund 8.700 | |
Intensivbetten sind in Deutschland derzeit jedoch noch frei. | |
Die Zahl der Todesfälle im Zusammenhang mit einer Corona-Infektion liegt | |
laut Robert-Koch-Institut jetzt bei 9.734. Das waren 24 mehr als am Vortag. | |
Nach Schätzungen des RKI gibt es etwa 287.600 Genesene. | |
## Polizeigewerkschaft gegen Castortransport | |
Angesichts der steigenden Coronazahlen hat die Gewerkschaft der Polizei | |
gefordert, den geplanten Castortransport von der Wiederaufbereitungsanlage | |
im britischen Sellafield ins südhessische Zwischenlager Biblis abzusagen. | |
„Wenn nun von der Polizei erwartet wird, dass sie die Corona-Auflagen und | |
den Gesundheitsschutz stärker durchsetzen soll, dann ist es aus unserer | |
Sicht nicht vereinbar, dass Anfang November ein Nukleartransport von der | |
Polizei quer durch Deutschland begleitet werden soll“, sagte GdP-Vize Jörg | |
Radek der Deutschen Presse-Agentur. „Dafür gibt es keinen zwingenden | |
Grund.“ Polizeikräfte, die dann zur Sicherung des Castortransportes im | |
Einsatz wären, könne man nicht zeitgleich für den Infektionsschutz | |
abstellen, sagte der GdP-Vize. | |
Der Transport der sechs Behälter mit hochradioaktivem Müll aus dem | |
britischen Sellafield war zunächst für das Frühjahr geplant. Aufgrund der | |
Coronapandemie wurde er im März aber auf unbestimmte Zeit verschoben. Das | |
Bundesinnenministerium hielt den notwendigen Polizeieinsatz nicht für | |
verantwortbar. Atomkraftgegner rechnen damit, dass der Transport etwa | |
Anfang November im Hafen im niedersächsischen Nordenham ankommen wird. | |
[6][Bei vergangenen Castortransporten] waren Tausende Polizisten aus dem | |
gesamten Bundesgebiet im Einsatz. Radek erwartet, dass dies auch beim | |
nächsten Transport wieder der Fall wäre. Er forderte eine Absage und | |
betonte, der Gesundheitsschutz müsse Priorität haben – schließlich seien | |
auch Polizistinnen und Polizisten von Ansteckung bedroht. | |
## Reisewarnungen für Frankreich und die Niederlande | |
Am Donnerstagabend erklärte die Bundesregierung viele weitere Regionen im | |
Ausland zu Risikogebieten, darunter nunmehr [7][das gesamte französische | |
Festland] sowie die gesamten Niederlande. Auch Malta, der Norden Portugals, | |
Teile Polens und Schwedens sowie die italienischen Regionen Kampanien und | |
Ligurien sind betroffen, wie das Robert-Koch-Institut (RKI) am Donnerstag | |
in Berlin mitteilte. Die Einstufung tritt demnach in der Nacht zum Samstag | |
in Kraft. | |
Damit gilt nun erstmals seit dem Frühjahr wieder die französische | |
Grenzregion Grand Est mit dem Elsass, Lothringen und dem Verwaltungsbezirk | |
Champagne-Ardenne als Risikogebiet. In den Niederlanden kam die Provinz | |
Zeeland dazu, womit das gesamte Land als Risikogebiet gilt. Auch weitere | |
Regionen Kroatiens, der Schweiz, Großbritanniens und Irlands wurden auf die | |
Liste gesetzt. In Schweden gilt unter anderem die Provinz um die Hauptstadt | |
Stockholm nun als Risikogebiet. | |
Mit Polen steht nun auch das letzte Nachbarland Deutschlands teilweise auf | |
der Liste des RKI. Betroffen sind dort unter anderem die Regionen um die | |
Städte Krakau und Danzig. Polens Regierungschef Mateusz Morawiecki | |
verkündete am Donnerstag neue Beschränkungen für das Land. Er rief die | |
Bürger auf, „zu Hause zu bleiben“ und im Home Office zu arbeiten. In Polen | |
waren innerhalb der vergangenen 24 Stunden 8.099 Neuinfektionen registriert | |
worden – so viele wie noch nie zuvor. | |
16 Oct 2020 | |
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