# taz.de -- Berlins neuer Flughafen BER: Ist doch schön geworden | |
> Ein Raum der Stille, eine Ausstellung über die Pannengeschichte des BER – | |
> ein letzter Rundgang vor der Eröffnung des neues Flughafens. | |
Bild: Endlich fertig! Terminal 1 des neuen Flughafens „Willy Brandt“, kurz:… | |
BERLIN taz | Manche Dinge ändern sich eben nie. Auch im BER ist | |
Mineralwasser ein Luxusprodukt wie schon in Tegel und Schönefeld: 3,50 Euro | |
wollen die Automaten auf der Besucherterrasse des Großflughafens für eine | |
Halbliterflasche haben. Vielleicht ist die Nachfrage aber auch gar nicht so | |
groß, denn bei dem bescheidenen Flugzeugaufkommen, das hier dank Corona | |
erst einmal zu beobachten sein wird, dürfte kaum jemandem die Spucke | |
wegbleiben. | |
Mitten auf der Terrasse steht Patrick Muller, als „Chief Operating Officer“ | |
des BER quasi die rechte Hand von Flughafenchef Engelbert Lütke Daldrup, | |
und beantwortet MedienvertreterInnen letzte Fragen zur bevorstehenden | |
Inbetriebnahme am 31. Oktober. Auch dabei wird er nicht von Fluglärm | |
unterbrochen, obwohl auf der nördlichen Start-und-Lande-Bahn ja längst | |
Betrieb herrscht. Aber am Terminal T5, wie der Flughafen Schönefeld jetzt | |
heißt, werden zurzeit gerade mal ein gutes Dutzend Flieger am Tag | |
abgefertigt. | |
Nein, dazu könne er nicht viel sagen, das sei damals eben so geplant | |
worden, erklärt Muller mit einem Hauch von Genervtheit auf die Frage, warum | |
es denn keine Rolltreppen gebe, die hinunter in den S- und Regionalbahnhof | |
fahren. Er verweist auf die sechs Fahrstühle, die Passagiere von den | |
Bahnsteigen direkt unter das auf riesigen Stahlsäulen gelagerte Dach des | |
Hauptterminals T1 befördern – und umgekehrt. Wer die Aufzüge im ebenfalls | |
vom Architektenbüro gmp entworfenen Berliner Hauptbahnhof kennt, ahnt aber | |
bereits, dass niemand die gläsernen Kabinen benutzen sollte, der es auch | |
nur ein bisschen eilig hat. | |
Kurz vor Start ist die so genannte Luftseite – also alles zwischen | |
Sicherheitskontrolle und Flugzeug – nur Mitarbeitenden zugänglich. Von | |
einer der Brücken, die auf dem Weg zur Besucherterrasse den so genannten | |
Marketplace überqueren, lässt sich trotzdem ein Blick auf diesen Bereich | |
erhaschen. Hier wird noch an Auslagen geschraubt, werden Regale befüllt und | |
Flächen gewischt. 95 Läden werden zur Eröffnung bereitstehen, neben den | |
üblichen Duty-Free-Anbietern auch solche, die dem Flughafen ein regionales | |
Flair verleihen sollen, wie „Witty’s Currywurst“ oder eine Außenstelle d… | |
„Ständigen Vertretung“, wo allerdings Kölsch statt Kindl in die Gläser | |
fließt. | |
## Kinderwagen mit Puppen eingecheckt | |
Viele derer, die jetzt im Gebäude unterwegs sind, tragen leuchtend rote | |
Westen mit „ORAT“-Aufdruck. Tatsächlich ist der damit bezeichnete | |
Probebetrieb auch noch nicht ganz vorbei, nur die Phase mit KomparsInnen | |
ist abgeschlossen. MitarbeiterInnen der Flughafengesellschaft und externer | |
Dienstleister werden weiterhin in kleinen Gruppen mit den Abläufen und | |
Räumlichkeiten vertraut gemacht. | |
„Der Vorlauf für den Probebetrieb hat schon vor anderthalb Jahren | |
begonnen“, erklärt Florian Steinhaus, Projektleiter in der ORAT-Logistik. | |
In den vergangenen Monaten wurde es dann tatsächlich ernst, und nach allem, | |
was Steinhaus erzählt, hat man kaum eine Eventualität ausgelassen: „Wir | |
haben Kinderwagen eingecheckt, in denen natürlich nur Puppen lagen“, so | |
Steinhaus, „wir haben Waffen eingecheckt, Hundeboxen mit Kuscheltieren | |
drin, wir haben sogar eine Hochsprungstange eingecheckt.“ Alles sei | |
erfolgreich zu Ende gebracht worden. | |
In den kommenden Wochen werden sich Steinhaus und seine KollegInnen um die | |
Rückabwicklung der ORAT-Logistik kümmern. Dabei geht es im Kern vor allem | |
um einen Restbestand von 5.500 Koffern. Ursprünglich hatten die fast 10.000 | |
KomparsInnen den Check-in sogar mit rund 7.000 Gepäckstücken geprobt, viele | |
waren nach dieser Dauerbelastung aber schon schrottreif. | |
Den Restbestand will die Flughafengesellschaft möglichst an andere | |
europäische Flughäfen verkaufen. Für die sind sie auch besser geeignet als | |
etwa für BER-Fans: „Die Koffer wurden eigens für den Testbetrieb | |
präpariert“, erklärt Steinhaus. Sie sind unterschiedlich schwer, manche | |
enthalten kleine Stahltafeln mit eingestanzten Nummern, die beim | |
Durchleuchten entdeckt werden müssen, andere wiederum sind mit einer | |
bestimmten Menge Salz gefüllt: Es simuliert den Transport von Sprengstoff, | |
den andere Detektoren erkennen können. | |
## „Viel Spott eingebracht“ | |
Während auf dem Terminalvorplatz ein Dampfreinigungsgerät namens „Steam | |
Beast“ in Zeitlupe seine Runden dreht, um den bereits angegrauten hellen | |
Naturstein wieder aufzufrischen, wird in der über dem Bahnhof gelegenen | |
Verteilerebene letzte Hand an eine Ausstellung gelegt: Sie erzählt die | |
Geschichte des Berliner Luftverkehrs sowie [1][die Pannen-Story des BER], | |
und das tut sie wortreich und vor allem in schonungsloser Selbstkritik. | |
BesucherInnen aus dem In- und Ausland können hier künftig Sätze lesen wie: | |
„Das fulminante Scheitern hat dem Flughafen, Berlin und Deutschland viel | |
Spott eingebracht.“ | |
Das „Monster“ Entrauchungsanlage wird ebenso gewürdigt wie die absurde Idee | |
der „Mensch-Maschine-Schnittstelle“, bei der 2012 die nicht funktionierende | |
Brandschutz-Türautomatik von 700 Menschen ersetzt werden sollte. Die | |
glanzlosen Namen der gescheiterten Interims-BER-Chefs Hartmut Mehdorn und | |
Karsten Mühlenfeld werden gar nicht erst genannt, obwohl beide auf einem | |
Foto zu sehen sind. | |
Wenige Worte sollen dagegen im Zentrum der Terminalhalle gemacht werden, wo | |
sich hinter mehreren Türen in Nussbaumfurnier ein Reihe fast unwirklicher | |
Räume auftut: In der Flughafenkapelle und dem spiegelsymmetrischen „Raum | |
der Stille“ fühlt man sich wie in einer Art Aztekengrab aus Betonplatten, | |
durch die schwaches LED-Licht schimmert. Auf dem Boden des Stille-Raums | |
sind die vier Himmelsrichtungen in eine Messingplatte graviert, was | |
betwilligen Muslimen allerdings wenig hilft, die sich exakt auf Mekka | |
einpendeln müssen. Aber dafür gibt es ohnehin längst Apps. | |
Wer nicht nur einen Moment der Stille, sondern Zuwendung oder ein offenes | |
Ohr braucht, kann sich an das Seelsorgeteam des BER wenden. Sabine Röhm, | |
evangelische Pfarrerin, und ein katholischer Priester sind auf je einer | |
halben Stelle dafür zuständig, außerdem ein gut 30-köpfiges Team von | |
Ehrenamtlichen. „Ein Flughafen ist ein Tor zur Welt, da kreuzen sich die | |
Wege von Menschen mit vielen unterschiedlichen Gefühlen“, sagt Röhm, die | |
eine spezielle violette Weste trägt. „Menschen mit Flugangst oder mit | |
Liebeskummer oder in Trauer. Manchmal auch jemand, der einfach seinen | |
Koffer verloren hat.“ | |
Vielleicht werden die SeelsorgerInnen auch auf ein anderes praktisches | |
Problem angesprochen: Es gibt im BER sehr wenige frei zugängliche | |
Steckdosen. 2011, als es hier eigentlich einmal losgehen sollte, waren | |
stromfressende Smartphones und Tablets längst nicht so verbreitet wie | |
heute. Immerhin: Aus Tegel wurden Handy-Ladestationen mit Steckern für | |
verschiedene Modelle herübergebracht. Nur angeschlossen sind sie noch nicht | |
– dazu braucht es wohl erst noch ein paar Verlängerungskabel. | |
28 Oct 2020 | |
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[1] /Eroeffnung-des-Pannenflughafens-BER/!5718802 | |
## AUTOREN | |
Claudius Prößer | |
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