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# taz.de -- Protest gegen Flughafen-Eröffnung: „Welche Flüge brauchen wir?�…
> Lena Tucnak vom Bündnis „Am Boden bleiben“ will die BER-Eröffnung stör…
> Sie fordert eine Debatte darüber, welche Flüge in der Klimakrise zu
> verantworten sind.
Bild: Protest gegen den Flughafen hat in Berlin eine lange Tradition: Hier ein …
taz: Frau Tucnak, vor mehr als einem Jahr hat Ihre Initiative „Am Boden
bleiben“ ein Bekennervideo zur Sabotage der BER-Baustelle veröffentlicht.
Jetzt wird der Flughafen dennoch eröffnet. Waren Sie doch nicht so
erfolgreich, wie Sie suggerieren wollten?
Lena Tucnak: Immerhin haben wir es geschafft, den Flughafenbau um neun
Jahre zu verzögern … Aber es stimmt: Komplett erfolgreich waren wir nicht.
Nun wollen Sie die Eröffnung des neuen Flughafens blockieren. Ist es für
diesen Protest nicht schon zu spät?
Es ist der Moment, in dem viele Augen auf die Themen Flugverkehr, Flughäfen
und speziell auf den BER gerichtet sind. Unsere Aktion soll einen lange
nicht geführten, aber total notwendigen Diskurs anstoßen: Welche Flüge
brauchen wir und welche sollte es nicht mehr geben? Der BER ist darauf
angelegt, dass der Flugverkehr weiter wachsen soll. Das kann in Zeiten der
Klimakrise nicht sein. Da hilft es auch nicht, dass Tegel im Gegenzug
geschlossen wird.
Sind Sie dafür, fliegen zu verbieten?
Inlands- und Kurzstreckenflügen auf jeden Fall, da kann man auch die Bahn
nehmen. Fast zwei Drittel der Inlandsflüge entfallen auf Geschäftsreisen.
Es profitieren also vor allem Konzerne, dass es diese Flüge gibt und dass
sie aufgrund von Steuersubventionen so billig sind. Während die Mehrheit
der deutschen Bevölkerung selten bis gar nicht fliegt, steigen 7 Prozent
zehnmal oder häufiger pro Jahr ins Flugzeug – auf Kosten vieler anderer.
Das ist die Spitze der Klima-Ungerechtigkeit.
Und was ist mit längeren Strecken?
Auch darüber müssen wir reden, denn diese Flüge haben den größten Anteil an
den Emissionen. Wir müssen darüber reden, was Bullshit-Flüge und was
notwendige Flüge sind. Es ist ein Unterschied, ob ich meine Familie auf
einem anderen Kontinent besuche oder zum Klettern nach Thailand fliege.
Momentan fliegt eine globale Minderheit auf Kosten der mehr als 80 Prozent
der Weltbevölkerung, die noch nie geflogen ist, um den Globus. Deshalb
brauchen wir strukturelle Änderungen auf gesetzlicher Ebene, vor allem die
Besteuerung von Kerosin und eine Vielfliegerabgabe, bei der jeder
zusätzliche Flug in einem bestimmten Zeitraum teurer wird.
Wie soll die Blockade ablaufen?
Geplant ist, in einer Aktion des zivilen Ungehorsams mit Hunderten
Pinguinen die Eröffnung des BER an relevanten Orten zu blockieren – denn
die coolsten Vögel bleiben am Boden. Das große Tamtam, wenn die ersten
Flieger landen, werden wir deutlich stören, sodass der Betrieb nicht normal
stattfinden kann. Weil an dem Tag keine Flugzeuge abheben, wird die Aktion
auch nicht auf Kosten einzelner Fluggäste gehen. Unsere Botschaft ist es
nicht, Leute persönlich verantwortlich zu machen, sondern das System zu
kritisieren, das den Flugverkehr systematisch bevorteilt. Wenn es legal
ist, die Klimakrise durch unnötigen Flugverkehr zu befeuern, ist es mehr
als legitim, dass wir blockieren.
Bei der Tegel-Blockade vergangenen November hat ein Großeinsatz der Polizei
inklusive einer Zufahrtssperre die Abläufe am Flughafen wohl am
effektivsten gestört. Ist die Polizei auch diesmal Ihr Partner?
Für den damaligen Einsatz bedanken wir uns auch heute noch. Was die Polizei
dieses Mal macht, wird sich herausstellen. Wenn sie selbst großflächig
absperrt, wird es keine Besucher*innen und keine richtige Eröffnung geben.
Also entweder die Polizei blockiert das komplette Areal und stört die
Eröffnung. Oder wir machen das.
Vor einem Jahr hat Ihre Gruppe mit etwa 50 Menschen in der Abflughalle in
Tegel gesessen. Ist diesmal mit mehr Teilnehmer*innen zu rechen?
Damals sind viele nicht reingekommen. Dieses Jahr werden es noch viel mehr
Menschen versuchen, es wird deutlich breiter mobilisiert. Wir rechnen mit
mehreren Hundert Personen, rufen aber auch dazu auf, bei
Krankheitssymptomen zu Hause zu bleiben. Wir planen einen
verantwortungsvollen Protest.
Wer steht hinter „Am Boden bleiben“?
Unsere Gruppe existiert seit 2018, weil bis dato das Problem des
Flugverkehrs quasi nicht thematisiert wurde, weder von der
Klimagerechtigkeitsbewegung noch von der Zivilgesellschaft, Parteien oder
NGOs. Deswegen gibt es uns. Wir sind Teil des globalen Netzwerks Stay
Grounded, dem mittlerweile mehr als 160 Mitgliederorganisationen weltweit
angehören, die gemeinsam für eine klimagerechte Reduktion von Flugverkehr
einstehen. Dabei sind viele NGOs, kritische Gewerkschaften bis hin zu
indigenen Gemeinden im Globalen Süden.
Wieso hat das Thema so lange keine Rolle gespielt?
Einerseits weil die Industrie es sehr gut geschafft hat zu behaupten, dass
der Flugverkehr für die Emissionen nicht relevant ist. Entgegen der
kursierenden Zahl, Fliegen sei nur für 2 Prozent des Ausstoßes
klimaerhitzender Treibhausgase verantwortlich, sind es tatsächlich etwa 6
Prozent, denn die Nicht-CO2-Effekte müssen eingerechnet werden. Man kann
zwei Jahre vegan leben, aber nach einem Flug ist jeder positive Klimaeffekt
dahin. Wenn es die Hoffnung gab, dass Flugverkehr nicht so schlimm ist, hat
sich das nicht bestätigt. Der zweite Grund ist, dass Menschen, die
eigentlich ein ökologisches Bewusstsein haben, besonders viel fliegen. Im
Parteienvergleich fliegen Grünen-Wähler*innen am häufigsten, weil sie am
meisten Geld zur Verfügung haben. Das ist natürlich ein unangenehmes Thema,
weil die Auseinandersetzung damit die persönliche Lebensweise infrage
stellt.
Was soll mit dem BER geschehen, wenn er nicht mehr für den Flugverkehr
genutzt werden soll?
Das Gelände bietet sich hervorragend für ein Museum des fossilen
Kapitalismus und der veralteten Mobilität an. Es bietet Flächen für
Freizeit- und Nachbarschaftszentren, Gärten und Landwirtschaft. So wie das
Tempelhofer Feld, nur größer.
29 Oct 2020
## AUTOREN
Erik Peter
## TAGS
Flughafeneröffnung
Schwerpunkt Klimawandel
klimataz
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