| # taz.de -- „Portraits 1989–2020“ von Albrecht Fuchs: Sie sind auch nur M… | |
| > Albrecht Fuchs porträtierte Künstler wie Christoph Schlingensief. Das | |
| > Museum für Photographie in Braunschweig zeigt nun seine Arbeiten. | |
| Bild: Ausschnitt aus „Taryn Simon, New York 2007“ von Albrecht Fuchs, VG Bi… | |
| „Wenn dein Leben sich in eine Tragödie verwandelt, versuche, sie als | |
| Zuschauer zu betrachten.“ Diesen Satz sprach [1][Christoph Schlingensief] | |
| 2008 in sein Diktiergerät, als ihn die Krebsdiagnose unvermittelt ans | |
| Krankenbett fesselte. Mit diesem Zitat begann im selben Jahr auch ein | |
| Gespräch mit dem Aktionskünstler im Magazin der Süddeutschen Zeitung, für | |
| das der Kölner Fotograf Albrecht Fuchs die Bildstrecke schoss. | |
| Ein Close-up von Schlingensief – entschlossen blickend, man mag den Trotz | |
| auf seine Erkrankung erkennen – hängt jetzt im Museum für Photographie | |
| Braunschweig. Das Museum widmet Albrecht Fuchs eine erste umfassende | |
| Ausstellung seiner Porträtfotografie, die er immerhin bereits seit gut 30 | |
| Jahren betreibt. | |
| Das Schlingensief-Porträt fällt aus dem für Fuchs typischen Bilderkanon, | |
| denn er beschränkt sich selten auf die physiognomische Präsenz der | |
| Abgebildeten, gar in der Nahaufnahme. Mindestens genauso wichtig ist ihm | |
| die Umgebung – sei es das private Zuhause, das Atelier, die Obhut eines | |
| Hotelzimmers oder eine Architektursituation –, in die er seine | |
| Protagonist:innen wenigstens als Halb-, meist als Ganzfigur einbettet. | |
| Fuchs erzählt, wie der damalige Chefredakteur des SZ-Magazins das so | |
| bestellte Schlingensief-Konterfei auch kritisierte, aber wohl nicht, weil | |
| er den künstlerischen Zwiespalt des Bildautors Fuchs spürte, sondern weil | |
| er sich Dramatischeres erhofft hatte. Das richtige Maß an Nähe und Distanz | |
| zu den Porträtierten, aber auch die Zurücknahme seiner selbst als | |
| fotografischen Akteur macht das Geheimnis der Bildnisse von Albrecht Fuchs | |
| aus, als konzeptionelle Haltung vielleicht nicht ganz unverwandt dem späten | |
| Lebensprinzip Schlingensiefs. Fuchs hat sich im Laufe der Jahre auf eine | |
| professionelle Gruppe spezialisiert, die selber Expert:innen der | |
| Bildgestaltung und häufig Meister der Selbstdarstellung sind: | |
| Künstler:innen. | |
| ## Längerfristige Porträtfolge | |
| Seine ersten Porträtfotos entstanden 1989 in New York. Fuchs, 1964 in | |
| Bielefeld geboren, besuchte dort seinen Studienkollegen der Folkwangschule | |
| in Essen, Laurenz Berges, der für ein Jahr als Assistent bei Evelyn Hofer | |
| (1922–2009) arbeitete. Ein Schwerpunkt der jüdischen deutschen Fotografin | |
| waren Besuche in Künstlerateliers, sie hatte mit Andy Warhol, | |
| [2][Jean-Michel Basquiat] und Julian Schnabel die US-Kunstprominenz vor dem | |
| Objektiv. Hofer arbeitete mit der großformatigen Kamera auf dem Stativ und | |
| natürlichem Licht, sie wusste um den schmalen Grat zwischen unglaubwürdiger | |
| Inszenierung und banaler Belanglosigkeit, sie sah ein gutes Porträt als | |
| Ergebnis gelungenen Zusammenspiels zwischen Fotografin und Abgebildeten. | |
| Fuchs nahm diese Prinzipien auf, wählte mit dem Negativformat von 6 auf 7 | |
| Zentimetern eine subtile Möglichkeit der Akzentuierung als stehendes oder | |
| als liegendes Bildnis. Und mittlerweile liest sich auch die Liste der von | |
| ihm Porträtierten wie das Who’s who der aktuellen deutschen und | |
| US-amerikanischen Kunstszene. | |
| Häufig ist ein Auftrag der Erstkontakt für eine längerfristige | |
| Porträtfolge, so bei [3][Martin Kippenberger]. Fuchs begleitete ihn 1995 in | |
| die alte Goldgräberstadt Dawson City in Kanada, wo Kippenberger eine | |
| rustikal hölzerne Station seines weltumspannenden, fiktiven U-Bahn-Systems | |
| „Metro-Net“ installierte. Dabei entstand auch das ikonografische Motiv, das | |
| Kippenberger von hinten zeigt: im durchfeuchteten Mantel auf einer | |
| Geröllhalde stehend, blickt er in die vom Goldrausch verwüstete Landschaft. | |
| Diesen modernen „Wanderer über dem Nebelmeer“, frei nach Caspar David | |
| Friedrich, stellte Kippenberger ans Ende seines Katalogs „MK 95“ – und er | |
| traf Fuchs dann noch mehrmals, nun privat. Eine kleine Serie etwa zeigt | |
| Kippenberger erschöpft im Hotel, gerade aus Japan zurückgekehrt. Und | |
| nochmals von hinten, Fernsehen schauend. | |
| Auch manch anderer Kunstheroe ließ sich von Fuchs in sehr persönlicher | |
| Manier einfangen. John Baldessari, seiner stattlichen Körpergröße von über | |
| zwei Metern bewusst, belagerte eine braune Couch im Atelier, an der Wand | |
| zwei Fotografien von Cindy Sherman, Bücher im Regal, am Kopfende ein | |
| spießiger Gummibaum, das kontrapunktisch aufstrebende Bildelement. Der | |
| Wiener Bildhauer Franz West legte sich ebenfalls lang, auf eine seiner | |
| sparrigen Sofa-Skulpturen, nicht ohne vorher akkurat die Schuhe beiseite zu | |
| stellen. | |
| Raymond Pettibon erwischte Fuchs 2018 in seiner New Yorker | |
| Hochhaus-Wohnung: eine schwarze Silhouette vor der offenen Fensterfront, | |
| Abbild der seinerzeit depressiven Stimmung des Hausherrn. | |
| Albrecht Fuchs akzeptiert aber auch, wenn Vertrautheitsgesten nicht gewollt | |
| sind. Gerhard Richter stand für eine Titelstory gestreng blickend im | |
| aufgeräumten Atelier, Komponist Ennio Morricone saß verklemmt im kitschig | |
| römischen Wohnsalon. Denn alle Künstler:innen, so Fuchs, sind auch nur | |
| Menschen. | |
| Bis 6. Dezember, Museum für Photographie Braunschweig, Katalog (Verlag der | |
| Buchhandlung Walter König), 28 Euro | |
| 25 Oct 2020 | |
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| ## AUTOREN | |
| Bettina Maria Brosowsky | |
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