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# taz.de -- Filmreihe im Berliner Zeughauskino: Der Blick der Anderen
> Eine Werkschau im Zeughauskino versammelt internationale Perspektiven und
> Projektionen auf Berlin. Und damit auch fast 100 Jahre Filmgeschichte.
Bild: „Flirt“ (USA/D/JP 1995) von Hal Hartley erzählt dreimal das gleiche …
Kinoabend auf Hickam Field, einer US-Luftwaffenbasis im Pazifik. Die
Soldaten der Lufttransporteinheit sehen Bilder der Berliner Blockade.
Emotionen kommen jedoch erst auf, als die Wochenschau das Thema wechselt
und junge Frauen im Badeanzug zeigt. Ein Teil der Arbeit wird verlegt, nach
Berlin, zur Luftbrücke. George Seatons „The Big Lift“ blickt wenige Monate
nach dem Ende der Berliner Luftbrücke zurück auf die logistische Leistung
der Luftbrücke und das Verhältnis der US-Truppen zur deutschen Bevölkerung.
Seaton entfaltet die rückblickende Dokumentation entlang einer
Spielhandlung um die Beziehungen zweier US-Soldaten zu ihren deutschen
Freundinnen. Die Spielhandlung zeugt vom allmählichen Übergang der
Vorsicht, die wenige Jahre zuvor noch in den Filmen herrschte, mit denen
die US Army ihre Soldaten auf ihre Zeit in Deutschland vorbereitete: „Ihr
seid in Feindesland. Seid wachsam, vorsichtig gegenüber jedem, geht keine
Risiken ein. Ihr habt es mit der deutschen Geschichte zu tun.“
So zwiespältig der Blick auf die deutsche Bevölkerung in „The Big Lift“ i…
(nicht zufällig lief der Film erst Jahre später in Berliner Kinos), so sehr
ist diese Zwiespältigkeit schon ein Schritt in Richtung der Realitäten der
Nachkriegszeit und des Kalten Kriegs.
## Blicke auf Berlin
Im Rückblick ist „The Big Lift“ jedoch weniger für diese seine Handlung
interessant, als für die Bilder Berlins. Schon der Anflug über Neuköllner
Wohnblöcke auf den Flughafen Tempelhof ist unterdessen Geschichte. „The Big
Lift“ läuft am Samstag als Teil einer Reihe des Berliner Zeughauskino zu
internationalen Blicken auf Berlin. Der Filmhistoriker Jan Gympel hat in
der [1][Filmreihe „Berlin International“] eine Filmgeschichte von
Perspektiven und Projektionen auf Berlin versammelt.
Zur Eröffnung (und noch einmal am Sonntag) läuft das futuristische Musical
„The Apple“ von 1980 des israelisch-amerikanischen Genrefilmproduzenten
Menahem Golan, das ein unbedarftes Paar zeigt, das in den 1990er Jahren
unter die Musikproduzenten fällt.
Einer der Filme, nach dem man sich fragend den Kopf kratzen wird, ist H.
Bruce Humberstones „Charlie Chan at the Olympics“ von 1937. Der Film ist
Teil der Filmreihe um den chinesisch-hawaiianischen Polizisten Charlie
Chan, die von den 1920er Jahren bis in die 1930er Jahre entstand. Die Figur
Charlie Chans beruht lose auf dem Leben von Chang Apana, der als Sohn einer
chinesischen Familie Polizist bei der Polizei in Honolulu wurde.
„Charlie Chan at the Olympics“ erzählt von der Erfindung einer
Fernsteuerung für Flugzeuge, die bei einem Testflug gestohlen wird. Die
Spur führt zu einer Band deutscher Krimineller mit Schiff, Flugzeug und
Luftschiff von Hawaii mittenhinein in den Trubel der Olympischen Spiele in
Berlin 1936. Warum kratzt man sich am Kopf? Humberstones Film zeigt Berlin
1936 als befände man sich in den 1920er Jahren und die Nazis fänden nicht
statt.
Die Berliner Polizei, die in der Mehrheit diesen Jahren fleißig bei der
Unterdrückung von Antifaschisten hilft, ist in dem Film eine etwas
unbeholfene, aber beflissene Polizei, die Chan bei der Lösung des Falls
hilft. Und dann ist da noch die Figur Chans.
Was macht man heutzutage mit Filmen über die Figur eines
chinesisch-hawaiianischen Polizisten, die auf einer realen Figur basiert
zeitgenössisch als das progressive Gegenbild zur Verkörperung des
rassistischen Stereotyps der „gelben Gefahr“ in Dr Fu Manchu galt, wobei
beide Rollen gespielt wurden von einem gebürtigen Schweden mit „Yellow
facing“?
Eine eigene Auswahl treffen
Die Reihe präsentiert Filme aus den beiden deutschen Staaten, den USA,
Großbritannien, der Türkei, Belgien, Frankreich, Italien der UdSSR von den
1920er Jahren bis in die 1990er. Wenn man vor der Qual der Wahl steht und
nicht alle Filme der Reihe sehen möchte, ist es besonders aufschlussreich
sich für entweder dafür zu entscheiden alle Filme aus einem Land zu sehen
und zu beobachten wie sich der Blick auf Berlin (und auf Deutschland)
verändert oder sich auf einen Zeitraum zu beschränken.
Wer beispielsweise alle Filme aus den USA anguckt, sieht die Entwicklung
der transatlantischen Allianz mit West-Deutschland bis in die 1960er Jahre
und die Neujustierung des amerikanischen Blicks auf Berlin nach dem Fall
der Mauer in „Flirt“, den der US-Independent-Regisseur Hal Hartley 1995
unter anderem in Berlin dreht.
Wer dem türkischen und später türkisch-deutschen Kino durch die Reihe
folgt, sieht in den Filmen von Zeki Ökten („Deutschland, bittere Heimat“),
Sinan Çetin („Berlin in Berlin“) und Şerif Gören („Polizei“) einen B…
auf Deutschland, der über die Filmfördererfolge deutsch-türkischen Kinos
der 1990er Jahre unsichtbar geblieben ist.
Ein einziger Film aus der direkten Wendezeit findet sich in der Reihe, der
aber hat es in sich. Der jugoslawische Regisseur Dušan Makavejev dreht
Anfang der 1990er Jahre einen Film über die Orientierungslosigkeit nach dem
Fall der Mauer.
In „Gorilla Bathes at Noon“ driftet ein Offizier der sowjetischen Armee
durch die Stadt, schläft auf Dächern, findet bei einer Gruppe Außenseiter
Unterschlupf. Beinahe zärtlich adoptiert er die Lenin-Statue auf dem Platz
der Vereinten Nationen und begleitet den – kürzlich wiederentdeckten – Kopf
der Statue auf dem LKW aus der Stadt. „Berlin International“ ist ein
wunderbares Angebot für alte und neue Berliner:innen, sich der Stadt mit
neuen Augen zu nähern.
2 Oct 2020
## LINKS
[1] https://www.dhm.de/zeughauskino/filmreihen/berlin-international.html
## AUTOREN
Fabian Tietke
## TAGS
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