# taz.de -- Spanische Filme in Berlin: Blinde Flecken im Selbstbild | |
> Im Zeughauskino läuft eine Filmreihe über den großen spanischen | |
> Produzenten Elías Querejeta, dessen Wirken in der späten Franco-Zeit | |
> begann. | |
Bild: Löste beim Erscheinen einen Skandal aus: „La prima Angélica“ von 19… | |
Vier Männer auf der Jagd. Drei von ihnen, Paco, Josè und Luis, teilen eine | |
gemeinsame Geschichte. Der vierte, Pacos Schwager Enrique, steuert den Jeep | |
bei, mit dem die Männer anreisen und blickt mit Unverständnis auf das | |
angespannte Verhältnis der drei. Während die Männer unter der brennenden | |
Sonne den Kaninchen auflauern, verschärfen sich die Spannungen zunehmend. | |
Carlos Sauras’ „La caza“ zeigt eine Gemeinschaft, die weder von den | |
geteilten Geheimnissen der Vergangenheit noch von den gemeinsamen | |
Erlebnissen zusammengehalten wird, und durch sie zugleich unfähig ist, die | |
Konflikte der Gegenwart zu lösen. Die Männergesellschaft des Films kann | |
ihre Unzulänglichkeiten im Umgang mit ihren Problemen und dem Scheitern | |
ihrer Freundschaften nur noch mit Saufen, Ballern und dem Geifern über | |
nackten Frauenkörpern in Zeitschriften überdecken. | |
Obwohl die Handlung des Films 1966, zehn Jahre vor Francos Tod, als | |
Gesellschaftsbild erkennbar war, wurde der Film zur Vorführung auf | |
Festivals im Ausland freigegeben, wohl auch um die Vermarktung spanisches | |
Film im Ausland zu fördern. Auf der Berlinale 1966 gewann Sauras Film den | |
Silbernen Bären. Der Film eröffnete am Freitag die Retrospektive „La | |
factoria Querejeta“ zum Werk des spanischen Filmproduzenten Elías | |
Querejeta, die das Zeughauskino schon im März begonnen hatte, dann jedoch | |
coronabedingt abbrechen musste. | |
## Franquistische Familie | |
Elías Querejeta begann Anfang der 1960er Jahre als Produzent zu arbeiten | |
und wirkte schon bald an einigen der wichtigsten Filme des neuen spanischen | |
Kinos mit. Er produzierte bis in die 2000er Jahre, die Reihe konzentriert | |
sich jedoch weitgehend auf jene Filme, die noch während der Franco-Diktatur | |
entstanden, ergänzt um einige Ausläufer aus den 1980er und 1990er Jahren. | |
Zu den bemerkenswertesten Filmen der Reihe gehört ein Dokumentarfilm von | |
Jaime Chávarri. „El desencanto“ (The Disenchantment), entstanden im | |
Todesjahr Francos 1976, zeigt die Familie des Dichters Leopoldo Panero. In | |
Gesprächen mit der Familie des Franco-Unterstützers entsteht das | |
Familienbild einer großbürgerlichen Familie von der Zeit des Bürgerkriegs | |
bis in die Gegenwart des Films. Zwischen den jeweiligen Spleens der | |
Hinterbliebenen treten die Konflikte und blinden Flecken der | |
Selbsterzählung der Familie zu Tage (13. 10., 19 Uhr). | |
## Politisches Erdbeben | |
Mit dem Eröffnungsfilm „La caza“ beginnt die Reihe von Frühwerken Sauras, | |
die sich durch die Filmreihe zieht. 1970, vier Jahre nach „La caza“ wendet | |
sich Saura der Gesellschaftssatire zu: „El jardin de las delicias“ (The | |
Garden of Delights) zeigt einen Geschäftsmann der nach einem Autounfall im | |
Rollstuhl sitzt und sich an nichts erinnern kann. Um an seine | |
Geschäftsgeheimnisse zu kommen, inszenieren der Vater und die Frau des | |
Geschäftsmanns Ereignisse aus der Vergangenheit (24. 10., 21 Uhr). | |
1974 löste „La prima Angélica“ (Cousine Angélica) ein politisches Erdbeb… | |
aus. Das Begräbnis der Mutter führt für Luis zur Wiederbegegnung mit seiner | |
Lieblingscousine Angélica, von der in den Zeiten des Spanischen | |
Bürgerkriegs getrennt wurde. Die spanische Rechte versuchte Vorführungen zu | |
verhindern, in einem Kino explodierte sogar eine Bombe (18. 10., 18.30 | |
Uhr). Kurz nach Francos Tod stellt Saura „Cria cuervos“ fertig, der den | |
Zerfall einer Familie zeigt. Die junge Ana gibt ihrem Vater die Schuld am | |
Krebstod ihrer Mutter und vergiftet ihn (31. 10., 21 Uhr). | |
Die von Petra Palmer zusammengestellte Retrospektive „La factoria | |
Querejeta“ führt am Beispiel Querejetas, die Bedeutung von Filmproduzenten | |
für die Entstehung der diversen neuen Wellen des europäischen Kinos hervor. | |
Zugleich erinnert sie einen zentralen Akteur des spanischen Kinos der | |
späten Franco-Zeit und der ersten Jahre nach dem Ende der Diktatur, der | |
außerhalb Spaniens nicht mehr allzu geläufig ist. | |
Die Reihe zudem bietet die Gelegenheit, nach längerem wieder einige | |
Klassiker des spanischen Kinos auf der großen Leinwand zu sehen. Neben den | |
Filmen aus dem Frühwerk Sauras beispielsweise Chávarris „A un dios | |
desconocida“ von 1977 (15. 10., 19 Uhr) und Victor Erices „El espiritu de | |
la colmena“ (The Spirit of the Beehive) von 1973 (17. 10., 21 Uhr), die | |
sich beide auf sehr unterschiedliche Weisen des Bürgerkriegs und seiner | |
Folgen annehmen. | |
12 Oct 2020 | |
## AUTOREN | |
Fabian Tietke | |
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