# taz.de -- Filmfestival in Berlin: Improvisierte Umstände | |
> Beim Festival Alfilm gibt es einen Monat lang interessante arabische | |
> Filme zu sehen. Ein Themenschwerpunkt ist weiblicher Widerstand. | |
Bild: Geschichte einer Liebe zum Kino: „You Will Die at Twenty“ | |
Der junge Muzamil hat bei seiner Geburt vorausgesagt bekommen, er werde mit | |
20 Jahren sterben. Eine Prophezeiung, die das Leben des Jungen geprägt hat | |
und ihm die Lebensfreude gründlich vermasselt hat. Erst als der Junge | |
Suleiman trifft, einen Freund seines Vaters, lässt er sich von ihm mit der | |
Freude am Kino anstecken. | |
Geschickt wählte der sudanesische Regisseur Amjad Abu Alala für seinen Film | |
„You Will Die at Twenty“ die Geschichte einer Liebe zum Kino, um dem | |
sudanesischen Kino zur Rückkehr auf die Bühnen internationaler | |
Filmfestivals zu verhelfen. Das Kalkül ging auf: die internationale | |
Koproduktion lief letztes Jahr auf den Filmfestspielen in Venedig. | |
Nun eröffnet der Film die „Nomad Edition“ von Alfilm, dem arabischen | |
Filmfestival in Berlin mit einer Vorführung im Freiluftkino Kreuzberg (1. | |
9., 21.15 Uhr). Mit dieser Sonderausgabe holt Alfilm im Laufe des September | |
zumindest einen Teil der Filme nach, die eigentlich schon im April hätten | |
laufen sollen. Denn kaum war dank der Förderung aus Mitteln der | |
Festivalförderung der City Tax das Geld für die nächsten vier Jahre | |
gesichert, machte die Pandemie den Festivalmacher_innen das Leben schwer. | |
## Filmgeschichte Sudans | |
Wer „You Will Die at Twenty“ bei der Eröffnung am Dienstag verpasst, holt | |
den Film am besten am Samstag im Kino Arsenal nach. Da läuft der Film im | |
Doppel mit dem Dokumentarfilm „Talking about Trees“, einer ebenso | |
spannenden wie unterhaltsamen Lehrstunde in sudanesischer Filmgeschichte. | |
Regisseur Suhaib Gasmelbari zeigt die älteren Herren der Sudanese Film | |
Group beim Versuch, den Filmen endlich ein Heim zu geben und ein Kino zu | |
eröffnen (beide u.a. 5. 9., 19 & 21.15). | |
Auch in diesem Jahr lohnt es, sich in die Dokumentarfilme zu trauen. Sarah | |
Kaskas porträtiert in „Underdown“ drei Menschen, die versuchen in Beirut zu | |
überleben. Taxifahrer Abu Hussam, der in seinem Taxi lebt, fluchend und | |
Arak trinkend durch die Stadt fährt. Samya, die versucht, Geld für die | |
Augenoperation ihrer Mutter aufzutreiben und sich mit ihrem Neffen durch | |
die Tage schlägt. Ali, der als Kind aus Syrien nach Beirut kam und nun ohne | |
Vater und obdachlos in der Stadt überlebt (10. 9., Arsenal, 20 Uhr & 25. | |
9., City Kino, 19 Uhr). | |
Wael Kadlos „The Way Home“ hingegen ist eine Familienaufstellung im Exil. | |
Der Regisseur wuchs weitgehend bei seiner Großmutter auf, für ihn ist sie | |
seine Mutter. In den offenen Konflikgesprächen zwischen dem Sohn und seiner | |
Mutter, später auch dem Vater, werden Generationskonflikte spürbar, die | |
nicht nur diese eine Damaszener Familie prägen. Zugleich entsteht ein | |
Eindruck von den Umständen, in denen die beiden Generationen ihre Jugend | |
zugebracht haben (8. 9., Arsenal, 20 Uhr & 26. 9., City Kino 19 Uhr). | |
Trotz erschwerter Bedingungen gibt es auch in diesem Jahr neben dem | |
Hauptprogramm einen Themenschwerpunkt. Unter dem Titel „Resistance is | |
Female“ versammelt sich ein bunter Strauß an Filmen. Mit dabei ist | |
Menschenrechtsfilmfestivalliebling „For Sama“, in dem die Filmemacherin ihr | |
Leben in Aleppo und ihr Engagement in der Opposition gegen Assad für ihre | |
Tochter dokumentiert (2. 9., Arsenal, 20 Uhr). | |
In Habiba Djahnines Dokumentarfilm „Letter to my Sister“ begibt sich die | |
Regisseurin zehn Jahre nach dem Mord an ihrer Schwester, einer | |
feministischen Aktivistin, auf Spurensuche in der kabylischen Stadt | |
Tizi-Ouzou. Die Spurensuche führt sie zurück in das dunklen Jahre Algeriens | |
ab Beginn der 1990er Jahre. Der Film wird ab Mitte September online zu | |
sehen sein. | |
## Leben palästinensischer Frauen | |
Der Rückblick in die Geschichte des arabischen Kinos ist in diesem Jahr auf | |
einen Film zusammengeschmolzen: das Regiedebüt des | |
belgisch-palästinensischen Regisseurs Michel Khleifi „Fertile Memory“ von | |
1980. Khleifi porträtiert in seinem Film zwei Frauen: Roumia Farah Hatoum | |
lebt als Witwe in der Nähe von Nazareth im Norden Israels und verdient sich | |
ihren Lebensunterhalt in einer Textilfabrik. Die Schriftstellerin Sahar | |
Khalifeh lebt in Ramallah im Westjordanland (7. 9., 20 Uhr, Arsenal & 24. | |
9., City Kino, 20.30 Uhr). | |
In Khleifis Porträt wird eine Bandbreite weiblicher Lebensbedingungen | |
palästinensischer Frauen zu Beginn der 1980er Jahre erkennbar. Im Rückblick | |
ist Khleifis Film auch zu einem Zeitdokument geworden. Abgerundet wird der | |
Themenschwerpunkt durch eine Online-Podiumsdiskussion. | |
Trotz der etwas improvisierten Umstände ist es Alfilm auch in der „Nomad | |
Edition“ wieder gelungen, ein interessantes, vielfältiges Programm | |
zusammenzustellen. Es bleibt zu hoffen, dass einige der Filme, die für den | |
April angekündigt waren, darunter einiges vielversprechendes aus Nordafrika | |
und ein Familienporträt von Youssef Chahines Nichte Marianne Khoury, im | |
nächsten Jahr nachgeholt werden. | |
1 Sep 2020 | |
## AUTOREN | |
Fabian Tietke | |
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