# taz.de -- Filmempfehlungen für Berlin: Land in Sicht? | |
> In Berlin dürfen Kinos nun wieder jeden zweiten Platz verkaufen. Das | |
> stimmt nun auch die größeren Häuser vorsichtig hoffnungsvoll. | |
Bild: Stummfilm um Mitternacht: Buster Keatons „The Navigator“ (1924) im Ba… | |
Davon zu reden, dass sich die Corona-Lage langsam „normalisiert“, ist | |
angesichts gerade wieder steigender Infektionsraten wohl etwas | |
überoptimistisch. Auch Kinos und Verleiher sind von „normal“ noch weit | |
entfernt, doch immerhin darf in Berlin nun jeder zweite Platz im Kino | |
verkauft werden. | |
Das macht das Geschäft jetzt auch für die größeren Kinos attraktiv, die | |
bislang immer noch geschlossen waren, jetzt aber mit Christopher Nolans | |
neuem Film „[1][Tenet]“ auch einen veritablen Blockbuster zeigen können: | |
die große Hoffnung für das Spätsommergeschäft. | |
Wird wohl auch klappen, mit dieser sehr unterhaltsamen James-Bond-artigen | |
Agentengeschichte, die – durch Nolans verquere Spielereien mit diversen | |
Zeitebenen ordentlich aufgepeppt – mit Verfolgungsjagden aufwartet, in | |
denen Autos gleichzeitig vorwärts und rückwärts fahren. Zu sehen ist | |
„Tenet“ in den kommenden Wochen (seit dem 26. 8.) unter anderem im Zoo | |
Palast, teilweise in mehreren Sälen gleichzeitig. | |
Auch das [2][Babylon Mitte] macht ab September wieder auf und holt am 5. 9. | |
um 23.59 Uhr beim Stummfilm um Mitternacht eine Vorstellung nach, die | |
eigentlich schon am 14.3. hätte laufen sollen. Doch dann kam der Lockdown | |
dazwischen. Deshalb hier noch einmal der Hinweis auf Buster Keatons „The | |
Navigator“ (1924), einen der witzigsten und charmantesten Filme des | |
genialen Stummfilmkomikers und –regisseurs. | |
## Brillante Gags | |
„The Navigator“, so heißt der riesige Ozeandampfer, auf dem sich zwei | |
verwöhnte junge Leute mitten auf dem Meer allein wiederfinden. Dabei nutzt | |
Keaton die Größe des Schiffs immer wieder für brillante Gags: So macht etwa | |
schon die Zubereitung eines Frühstücks Probleme, weil die Kombüse | |
keineswegs für die Verköstigung von zwei, sondern von Hunderten Personen | |
ausgelegt ist. | |
Zudem wird das professionelle Kochequipment von zwei reichlich | |
inkompetenten Personen verwendet: Betsy (Kathryn Grant) zählt vier | |
Kaffeebohnen in eine gewaltige Kanne und versucht, den Kaffee mit | |
Meerwasser zu brühen, Rollo (Keaton) hingegen kann ein paar Eier in einem | |
riesigen Topf kaum mehr wiederfinden (5. 9., 23.59 Uhr, Babylon Mitte). | |
Noch einmal gute zehn Jahre in der Zeit zurück geht es mit der ersten | |
Verfilmung von „[3][Der Student von Prag]“ (1913, R: Stellan Rye), einer | |
phantastischen Spukgeschichte, die heute als der bedeutendste deutsche Film | |
aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg gilt. | |
Der Schriftsteller Hanns Heinz Ewers entwarf das Exposé zu einer Geschichte | |
um den armen Studenten Balduin, der 1820 in Prag sein Spiegelbild an die | |
Mephistopheles-Figur Scapinelli verkauft, um mit neu gewonnenem Reichtum | |
und Ansehen die Hand der von ihm geliebten Comtesse Margit zu gewinnen. | |
Doch das Spiegelbild, ein nunmehr verselbstständigter Teil seines alten | |
Ichs, vereitelt dies immer wieder. | |
Neben den Kameratricks und den Doppelbelichtungen der Doppelgänger-Szenen, | |
die von Kameramann Guido Seeber in zuvor nicht gekannter technischer | |
Brillanz ausgeführt wurden, waren auch die hier zu sehenden zaghaften | |
Kameraschwenks noch ungewohnt für den zeitgenössischen Betrachter. | |
## Opfer für das Schöne | |
Gegen Ende des Films kommt es gar zu einem spektakulären Panoramaschwenk: | |
Während Balduin (Paul Wegener) auf der vergeblichen Flucht vor seinem | |
Spiegelbild erschöpft über eine auf einer Anhöhe gelegene Wiese taumelt, | |
schweift der Blick im Hintergrund über die Altstadt Prags, bis der | |
Hradschin ins Bild kommt (2. 9., 19 Uhr, Filmmuseum Potsdam) | |
Ein Lieblingsfilm: „[4][The Red Shoes]“ (1948) von Michael Powell und | |
Emeric Pressburger begeistert mich, seit ich diesen fantastischen | |
britischen Technicolor-Film 1988 bei der Farbfilm-Retrospektive der | |
Berlinale in einer erstmals wieder vom Kameranegativ abgenommenen Kopie | |
sah. Zudem vertritt die in der Welt des Balletts spielende Geschichte einen | |
radikalen Kunstbegriff: Der Schaffung des Schönen, so das Credo, gilt es | |
grundsätzlich alles zu opfern – im Zweifelsfall auch die Liebe und das | |
Leben. | |
Zum Sinnbild wird dabei das 14½ minütige Ballett von den roten Schuhen, das | |
den Mittelpunkt des Films einnimmt: Die verzauberten roten Schuhe tanzen | |
einfach immer weiter, auch als ihre Trägerin (Moira Shearer) längst müde | |
geworden ist, und führen das Mädchen schließlich in den Tod (OF, 9. 9., 19 | |
Uhr, Zeughauskino; eine weitere Vorstellung gibt es am 19. 9. um 21 Uhr). | |
28 Aug 2020 | |
## LINKS | |
[1] https://www.youtube.com/watch?v=L3pk_TBkihU | |
[2] https://babylonberlin.eu/film/3458-stummfilm-um-mitternacht-the-navigator | |
[3] https://www.filmmuseum-potsdam.de/?id=3a2c98e697f515755836001d5948df21&… | |
[4] https://www.dhm.de/nc/zeughauskino/kalender/terminansicht-zeughauskino.html… | |
## AUTOREN | |
Lars Penning | |
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