# taz.de -- Filmempfehlungen für Berlin: Und Action! | |
> Von „normal“ ist man in den Kinos immer noch weit entfernt. Doch, was | |
> immer gut läuft: Kinderfilme. Und Abenteuer für die Großen. | |
Bild: Für Jean-Luc Godards „Alphaville“ (1965) stand Raoul Coutard hinter … | |
Was gibt es Neues von der Kino-Lage der Nation zu berichten? Nicht wirklich | |
viel: Die Lage ist ungefähr so stabil wie die Corona-Ansteckungsraten der | |
letzten Wochen. Von „normal“ ist man also noch weit entfernt. Doch immerhin | |
gibt es mit Christopher Nolans „Tenet“ und der Teenie-Schmonzette „After | |
Truth“ nun zwei Filme, bei denen die Kassen – moderat zwar, aber besser als | |
erhofft – auch in den Multiplex-Kinos klingeln und deren Wiedereröffnung | |
nicht zur finanziellen Vollkatastrophe werden lassen. | |
Was schon seit geraumer Zeit in den deutschen Kinos gut läuft, sind | |
Kinderfilme. Einer der charmantesten aktuellen Filme ist in dieser Hinsicht | |
„Meine wunderbar seltsame Woche mit Tess“ des niederländischen Regisseurs | |
Steven Wouterlood. Da lernen sich der zehnjährige Sam (Sonny Coop van | |
Utteren) und die ein Jahr ältere Tess (Josephine Arendsen) in den Ferien | |
auf der Nordseeinsel Terschelling kennen, wo die kleine Powerfrau ständig | |
in seltsame Aktivitäten verstrickt ist. | |
Doch Sam lässt sich darauf ein und erfährt, dass Tess ihren bislang | |
unbekannten und nichtsahnenden leiblichen Vater unter einem Vorwand in die | |
Ferienwohnung der Familie geladen hat und nunmehr versucht, ihn auf seine | |
Elterntauglichkeit zu testen. Der Film nimmt die Kids hinreichend ernst und | |
versteht es mit Leichtigkeit, ein eigentlich ernstes Thema auf eine | |
verspielte Weise vergnüglich zu behandeln (10.-16. 9., unterschiedliche | |
Anfangszeiten, [1][Union Filmtheater]). | |
Ebenfalls sehr ansprechend kommt der Animationsfilm „Die Heinzels – Die | |
Rückkehr der Heinzelmännchen“ der routinierten deutschen Regisseurin Ute | |
von Münchow-Pohl daher: eine amüsante Neuinterpretation der Geschichte von | |
den kleinen tüchtigen Hausgeistern, die einst zu Köln des Nachts | |
handwerkliche Arbeiten für die Menschen ausführten. | |
Die aufgeweckte Helvi schaut nach ein paar hundert Jahren mal wieder in der | |
Menschenwelt vorbei – und landet mitten in einem Bruderkrieg: Ein | |
traditioneller Handwerksbäcker scheint da gegen den Backstraßen-Großbäcker | |
von gegenüber keine Chance zu haben. Oder? Der flotte Film überzeugt vor | |
allem mit seiner total charmanten Hauptfigur, der hilfsbereiten | |
Querdenkerin Helvi, die von Jella Haase gesprochen wird (12.-13. 9., 15 | |
Uhr, [2][Filmmuseum Potsdam]). | |
Mit unnachahmlichem Draufgänger-Charme bewegte sich der für seine | |
artistischen Stunts gefeierte Douglas Fairbanks in den 20er-Jahren | |
leichtfüßig durch alle gängigen Abenteuergenres. In „The Mark of Zorro“ | |
(1920) spielte er erstmals in einem Mantel-und-Degen-Film und das gleich in | |
einer Doppelrolle. | |
Als maskierter Zorro hilft er den Armen und Unterdrückten, während er als | |
angeblich harmloser Don Diego keine Gefahr für den bösen Capt. Ramon zu | |
sein scheint. Zu sehen ist der Film beim „[3][100 Jahre Stummfilm Live | |
Festival]“ im Babylon Mitte bei freiem Eintritt (10. 9., 21.30 Uhr, 13. 9., | |
16.30 Uhr, Babylon Mitte). | |
Ein Draufgänger ist auch der Major Clive Candy (Roger Livesey) in Michael | |
Powells und Emeric Pressburgers „The Life and Death of Colonel Blimp“ | |
(1943), wohl einem der ungewöhnlichsten Propagandafilme, die je gedreht | |
wurden. | |
Denn zum einen verbindet Major Candy eine lebenslange Freundschaft mit dem | |
deutschen Leutnant Theo Kretschmar-Schuldorff (Adolf Wohlbrück), zum | |
anderen karikiert der Film mit seiner Hauptfigur althergebrachte britische | |
Traditionen wie Sportsgeist und Fair Play – die im Kampf gegen die | |
deutschen Nazis ja auch nur wenig Sinn machten. | |
Winston Churchill, damals Kriegspremier in Großbritannien, hasste die Idee | |
des Films jedenfalls, und seine Regierung bemühte sich erfolglos, | |
Fertigstellung und Vertrieb zu verhindern (OF, 16.9., 19 Uhr, | |
[4][Zeughauskino]). | |
Eine kleine Reihe widmet das [5][Klick Kino] dem 2016 verstorbenen | |
französischen Kameramann Raoul Coutard, dessen Name vor allem mit den | |
Filmen der Nouvelle Vague verbunden ist. Eine seiner besten Arbeiten | |
entstand 1965: Jean-Luc Godards „Alphaville“ ist eine im winterlichen Paris | |
gefilmte Zukunftsvision, in der ein Supercomputer eine Diktatur der Logik | |
an die Stelle von Liebe und Poesie gesetzt hat. | |
Der Science-Fiction-Effekt des Films entstand einfach durch die Verfremdung | |
der Realität: Das moderne Esso-Verwaltungsgebäude im Viertel La Defense | |
dient mit seiner Glas- und Stahlarchitektur als Zentrale der Macht, und der | |
Supercomputer war laut Godard lediglich ein von unten angeleuchteter | |
Ventilator (12. 9., 20.30 Uhr, Klick Kino; eine weitere Vorstellung gibt es | |
am 20.9., 17.30 Uhr). | |
9 Sep 2020 | |
## LINKS | |
[1] https://www.kino-union.de/ | |
[2] https://www.filmmuseum-potsdam.de/index.php?id=f4cea25915fa15e47006001d907f… | |
[3] https://babylonberlin.eu/programm/filmreihen/stummfilm/stummfilm-live | |
[4] https://www.dhm.de/zeughauskino/ | |
[5] http://www.klickkino.de/programm/alphaville/ | |
## AUTOREN | |
Lars Penning | |
## TAGS | |
Filmrezension | |
taz Plan | |
Kolumne Frisch gesichtet | |
Filmkritik | |
Kolumne Frisch gesichtet | |
taz Plan | |
Stummfilm | |
Filmindustrie | |
Film | |
Filmrezension | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Was läuft in Berliner Kinos: Das Potential unkommerzieller Filme | |
Kino ist mehr als nur Film. Von alten und aktuellen Klassiker des | |
europäischen Kinos und Rockmusik aus der uigurischen Steppenlandschaft. | |
Die Kinotipps für Berlin: Nicht vorhersehbare Volten | |
Vom Agatha-Christie-Update über einen Klassiker des ungarischen Films und | |
die Geschichte eines Mafiaaussteigers bis zu einem Biopic-Musical. | |
Filmempfehlungen für Berlin: Grauen im Freien | |
Nach langem Genehmigungsverfahren zeigt das Kino Krokodil Wilhelm Murnaus | |
„Nosferatu“ nun Open Air. Die Termine der Woche. | |
Die steile These: Synchronisierte Filme sind super | |
Filme in Originalfassung gucken wird zunehmend eine Frage des versnobten | |
Kulturverständnisses. Das ist nicht richtig, sagt unsere Autorin dazu. | |
Endlich Filmfestival trotz Corona: Das große Warten | |
Monatelang musste die Filmindustrie wegen Corona ausharren. Wie fühlt es | |
sich an, seinen Film nun endlich einem Kinopublikum zeigen zu dürfen? | |
Filmempfehlungen für Berlin: Land in Sicht? | |
In Berlin dürfen Kinos nun wieder jeden zweiten Platz verkaufen. Das stimmt | |
nun auch die größeren Häuser vorsichtig hoffnungsvoll. |