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# taz.de -- Berliner Kinotipp der Woche: Zwischen Träumen und Realität
> Das Festival „Film Restored“ der Deutschen Kinemathek lädt zu
> Entdeckungen quer durch die europäische Filmgeschichte ein.
Bild: ›Love, Life and Laughter‹ Szene aus „Love, Life, Laughter“, Groß…
„Unsere düstere und sorgenreiche Zeit braucht Betty Balfour, denn sie
bringt Ablenkung mit ihrem gesunden Humor und ihrem silbernen Lachen,“ so
die niederländische Zeitung De Telegraaf über „Love, Life and Laughter“
anlässlich von dessen Premiere 1923.
Der britische Regisseur George Pearson inszeniert Balfour, eine der
beliebtesten britischen Schauspielerinnen der Zeit, in dem Film als
Revuetänzerin Tip Toes. Einige Stockwerke über ihr wohnt ein junger
Schriftsteller. Die beiden sind ein ungleiches Paar, sie ein tänzerischer
Wirbelwind, er ein grummeliger Sorgenkopf. In Pearsons Film finden sie über
das Hin und Her zwischen der Welt ihrer Träume und ihrer Realität
allmählich zueinander.
Fast 100 Jahre war der Film verschollen, die Suche des British Film
Institute blieb lange erfolglos – bis das niederländische Filmmuseum Eye
vor einigen Jahren eine Kopie in der eigenen Sammlung entdeckte. Pearsons
Film ist nur eine der Entdeckungen, die man auf dem Festival „Film
Restored“ der Deutschen Kinemathek machen kann.
Eröffnet wird das Festival am kommenden Dienstag mit einer weiteren neuen
Fassung von [1][„Kuhle Wampe“, Slatan Dudows Klassiker] des proletarischen
Films der Weimarer Republik. Dudows Film liegt nun mit einer barrierefreien
Fassung vor, die den Film durch Audiodeskription beziehungsweise Untertitel
auch für Menschen mit Seh- oder Hörbehinderung zugänglich machen.
## Die Tyrannei der Macht
Die interessantere Wiederentdeckung ist eine Verfilmung von Miguel de
Cervantes „Don Quichotte“, die der deutsche Regisseur Georg Wilhelm Pabst
im Herbst 1932 realisierte, kurz vor der Machtübertragung an die
Nationalsozialisten in Deutschland. Pabsts Don Quichotte wird „nicht von
Windmühlen, sondern von der Tyrannei der Macht niedergestreckt“
(Programmtext).
Eine weitere Entdeckung ist Rolands Kalniņš’ sowjetisch-lettischer Film
„Akmens un šķembas“. Der Film blickt zurück auf lettische Soldaten, di…
den deutschen gegen die sowjetische Armee kämpften. Der Film wurde nur in
einer stark zensierten Fassung gezeigt. Die Restaurierung hat nun sowohl
diese Zensurfassung als auch die ursprüngliche Fassung gesichert.
Wie in den Vorjahren ist das Festival eine Mischung aus Konferenz und
Filmprogramm. Der Konferenzteil wird am Mittwoch passenderweise mit durch
zwei Vorträge, die sich der Arbeit des internationalen Verbands der
Filmarchive, der FIAF, widmen. Die Vorträge von Camille Blot-Wellens und
Christophe Dupin stellen zwei Beispiele vor, bei denen die FIAF beigetragen
hat, das Wissen der [2][Filmarchive] in aller Welt zu bündeln. Die Vorträge
stehen überdies auf der [3][Website des Festivals] bereit.
## Auf herausgeputzer Leinwand
Ein Fensterputzer steht am Beginn von Tatjana Ivančićs Kurzfilm „Grad u
izlogu“ (Stadt im Schaufenster) von 1969, als müsste die Leinwand für das
Stadtleben erst gereinigt werden. Ivančićs Film ist ein Spiel mit dem
Großstadttreiben, das sich in den Schaufensterscheiben der Geschäfte
spiegelt. Manchmal überlagern sich gleich mehrere Reflexionen zu einem
Bild. Unterlegt mit Rockmusik sind die Bilder des Films eine kurze Ode an
die Urbanität. „Grad u izlogu“ ist Teil eines Kurzfilmprogramms mit elf
Filmen von Ivančić, die das Österreichische Filmmuseum restauriert hat.
Die Arbeiten des Filmmuseums gehen zurück auf eine Bitte des Kinoklub
Zagreb, sich der Filme der 1986 verstorbenen Ivančić anzunehmen. Das
Kurzfilmprogramm ist eine Erinnerung daran, dass die oft besonders
aufwändige Restaurierung von Experimentalfilmen ein unverzichtbarer Teil
der Pflege der Filmgeschichte ist.
In ihrem Zusammenspiel verweisen die Filme auf die verschiedenen Funktionen
von Restaurierungen bei der Pflege des Materials der Filmgeschichte: Filme
werden wie bei den Filmen Ivančićs oder George Pearsons „Love, Life and
Laughter“ wieder sichtbar, frühere Fassungen werden wie bei Kalniņš’
„Akmens un šķembas“ wiederhergestellt. Die barrierefreie Fassung von Sl…
Dudows „Kuhle Wampe“ wiederum zeigt, dass die Pflege von Filmgeschichte
nicht nur der Vergangenheit verpflichtet ist, sondern auch der Gegenwart
und historische Filme immer wieder aufs Neue für breiteres ein Publikum
zugänglich macht. Dazu passt, dass einige der Filme ab dem 27. Oktober
unter [4][www.film-restored.de] verfügbar sein werden.
27 Oct 2020
## LINKS
[1] /Der-Mann-vom-Filmverleih-mit-Stern/!5567104
[2] /Filmstreaming-von-Archiven-und-Museen/!5681199
[3] https://www.deutsche-kinemathek.de/de/besuch/festivals-symposien.de
[4] http://www.film-restored.de
## AUTOREN
Fabian Tietke
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