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# taz.de -- Deutsche Wirtschaft bricht ein: Trübe Aussichten
> Die deutsche Wirtschaft bricht stärker ein als angenommen. Kritik üben
> Ökonomen vor allem an der Mehrwertsteuersenkung.
Bild: Da half auch keine Mehrwertsteuersenkung: geschlossene Karstadt-Filiale i…
Berlin taz | In den Sommermonaten konnte sich die deutsche Wirtschaft zwar
aufrappeln – doch bis die Konjunktur wieder rund läuft, wird es noch bis
Mitte 2021 dauern. Das erwarten [1][die fünf führenden deutschen
Wirtschaftsinstitute in ihrem Herbstgutachten]. „Nach dem Zwischenspurt
dürfte sich die Erholung nun wieder deutlich verlangsamen“, befürchtet
Stefan Kooths vom Institut für Weltwirtschaft in Kiel stellvertretend für
die anderen Ökonomen. Die Forscher erwarten einen schweren Winter. Auch das
gesamte kommende Jahr über wird die Wirtschaftsleistung unter
Vorkrisenniveau bleiben, lautet ihre Prognose.
Viel hängt nun davon ab, wie sich die weiteren Regeln zur Seuchenbekämpfung
entwickeln. „Die Weltwirtschaft ist im Sommer vor allem deshalb
angesprungen, weil viele Formen des Konsums, die mit sozialen Kontakten zu
tun hatten, wieder möglich waren“, sagt Kooths. Im Vergleich zum
Frühjahrsgutachten schrauben die Ökonomen ihre Vorhersage für die
Schrumpfung der Wirtschaft noch weiter herunter. In diesem Jahr soll das
Bruttoinlandprodukt demnach um 5,4 Prozent sinken, Zuvor hatten die
Forscher noch einen Rückgang von 4,2 Prozent angenommen.
Am meisten leiden die Gaststätten und Hotels, Event-Dienstleister und der
Luftverkehr. „Dieser Teil der Wirtschaft wird erst dann am Erholungsprozess
teilhaben, wenn Maßnahmen zum Infektionsschutz entfallen“, so Kooths. Damit
rechnet er frühestens Mitte 2021.
Die Ökonomen äußerten Kritik an der Mehrwertsteuersenkung, die die
Institute mehrheitlich für überflüssig halten. „Sie kommt auch denen
zugute, die überhaupt nicht betroffen sind“, sagt Kooths. Die 18 Milliarden
Euro wären da besser aufgehoben, wo sie konkret den hart getroffenen
Branchen helfen. So befeuern sie beispielsweise auch die Teile des Handels,
die ohnehin boomen.
## Aussetzung der Schuldenbremse sinnvoll
Die Wirtschaftswissenschaftler sehen kein Problem bei der Finanzierung der
Coronamaßnahmen und halten [2][die Aussetzung der Schuldenbremse für
sinnvoll]. „Alle Maßnahmen, die dem Infektionsschutz helfen, kann der
deutsche Staat finanzieren“, sagt Oliver Holtemöller vom Leibniz-Institut
für Wirtschaftsforschung in Halle.
Tatsächlich wird ein guter Teil der Corona-Hilfen erst in den kommenden
Jahren wirksam werden. Von den 160 Milliarden Euro können nur 60 Milliarden
noch in diesem Jahr ausgegeben werden. „Der Rest wird in den kommenden vier
bis fünf Jahren fließen“, sagt Torsten Schmidt vom RWI in Essen. Das Geld
werde die Nachfrage und die Investitionen stärken und so dazu beitragen,
dass das Wachstum nach der Krise wieder anzieht.
## Handelskonflikte bereiten Sorge
Die Ökonomen der Forschungsinstitute stimmen Wirtschaftsminister Peter
Altmaier darin zu, dass die Corona-Hilfen in der nächsten Runde auch denen
mehr helfen sollen, die bisher leer ausgehen. Wichtig sei hier vor allem
Förderung für Gründerinnen und Gründer, sagt Claus Michelsen vom Deutschen
Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin. „Die heute nicht gegründeten
Unternehmen fehlen uns morgen.“ Auch bei den Hilfen für Kleinunternehmen
und Solo-Selbständige sieht er großen Bedarf, nachzusteuern.
Neben der Coronakrise bereiten die fortgesetzten Handelskonflikte den
Ökonomen die größte Sorge. Es droht weiterhin ein unkontrollierter Austritt
Großbritanniens aus den Handelsstrukturen der EU, was ausgerechnet jetzt
besonders schädlich wäre.
Auch aus den USA ist nicht mit Entwarnung zu rechnen – auch wenn
Herausforderer Joe Biden von den Demokraten derzeit in den Umfragen vorne
liegt. „Bei der US-Wahl treten zwei Protektionisten an“, sagt Kooths. „Wir
können allenfalls erwarten, dass Form und Herangehensweise der
Handelskonflikte sich ändern.“ Denn Biden will ebenso wie Amtsinhaber
Donald Trump in erster Linie die inländische Beschäftigung stärken. Auch er
verspricht dafür einen selbstbewussten Kurs gegenüber China und der EU.
„Doch die Wirtschaftsentwicklung wird nicht durch Handelsfragen dominiert,
sondern durch den Pandemieverlauf“, sagt Kooths.
14 Oct 2020
## LINKS
[1] http://gemeinschaftsdiagnose.de
[2] /Corona-und-die-Wirtschaftsfolgen/!5677030/
## AUTOREN
Finn Mayer-Kuckuk
## TAGS
Schwerpunkt Coronavirus
Wirtschaft
Handel
Konjunktur
Wirtschaft
China
Wirtschaftsweisen
Insolvenz
Steuerschätzung
EZB
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