# taz.de -- Ökonomie im deutsch-dänischen Grenzland: „Deutlicher Aufholbeda… | |
> Das Institut für Weltwirtschaft überlegt, warum der Norden | |
> Schleswig-Holsteins ökonomisch abgehängt ist und schlägt eine Kooperation | |
> mit Jütland vor. | |
Bild: Sollte mehr verbinden als trennen: Grenzübergang zu Dänemark | |
HAMBURG taz | Schleswig-Holstein ist abgehängt. Wie das [1][Kieler Institut | |
für Weltwirtschaft (IFW)] in einer am Dienstag veröffentlichten [2][Studie] | |
darstellt, hat das nördlichste Bundesland vom wirtschaftlichen Wachstum der | |
vergangenen 30 Jahre weniger profitiert als die übrigen Bundesländer im | |
Durchschnitt. Besonders stark ist der Effekt in der Grenzregion zu | |
Dänemark. Dabei dürfte die Grenze doch gar keine Rolle spielen – | |
schließlich liegt sie mitten in der EU. | |
„In den 1990er Jahren lag die Wirtschaftsleistung pro Kopf in den | |
Flächenländern Niedersachsen und Schleswig-Holstein noch nahe am | |
Bundesdurchschnitt, sie verloren jedoch seitdem sukzessive an Boden“, sagte | |
[3][IFW-Präsident Gabriel Felbermayr] bei der Vorstellung der Studie | |
„Industrielle Strukturen und Potentiale im Norden“. Insbesondere | |
Schleswig-Holstein habe mittlerweile einen deutlichen Aufholbedarf. | |
Wie die Kieler Forscher zeigen, war mit dem einheitlichen europäischen | |
Wirtschaftsraum die Hoffnung verbunden, dass die Grenzregionen | |
wirtschaftlich aufholen würden. Weil Grenzen Hindernisse für das | |
Wirtschaften darstellten, schrecken sie Unternehmer von einer Ansiedlung | |
ab. Durch deren Wegfall hätten die bisherigen Grenzregionen aufblühen | |
müssen. | |
„Seit drei Jahrzehnten, also seit der Geburt der Europäischen | |
Wirtschaftsgemeinschaft, warte ich auf eine Bestätigung der Theorie in der | |
regionalpolitischen Wirklichkeit“, schrieb Herbert Giersch schon 1988 in | |
einem Diskussionsbeitrag für das IFW. „Mit bloßem Auge jedenfalls ist | |
dieser Effekt kaum sichtbar“. | |
Auch die Vollendung des Europäischen Binnenmarkts scheint an dieser | |
„Grenzöde“ wenig geändert zu haben, zumindest auf der deutschen Seite der | |
[4][Grenze]. Denn Süddänemark scheint durchaus vom Binnenmarkt zu | |
profitieren. Die Forscher erklären sich das mit der Nähe zu den großen | |
Märkten südlich der deutschen Grenze.In Süddänemark liege der Anteil der | |
Industrie an der Bruttowertschöpfung mehr als vier Prozentpunkte höher als | |
in Schleswig-Holstein insgesamt. | |
„Der Kontrast könnte an der deutsch-dänischen Grenze auffälliger kaum | |
sein“, sagt Klaus Schrader, Autor der Studie. Dabei gibt es innerhalb | |
Schleswig-Holsteins ein weiteres Gefälle zwischen der Grenzregion und dem | |
Speckgürtel Hamburgs. | |
Mit der Geographie alleine wollen Schrader und sein Co- Autor | |
Claus-Friedrich Laaser die dänisch-schleswigischen Unterschiede aber nicht | |
erklären: Die Investitionsbedingungen seien in Dänemark besser als in | |
Deutschland. Einem [5][Index der Weltbank] zufolge reicht das von der | |
Unternehmensgründung über Baugenehmigungen, das Registrieren von Eigentum | |
und den Schutz von Minderheitsinvestoren bis hin zum Aufwand bei der | |
Steuererklärung und beim Außenhandel. | |
Schrader und Laaser schlagen eine Zusammenarbeit Schleswigs mit Süddänemark | |
vor. Auch Jütland müsse daran ein Interesse haben: „Letztendlich ist auch | |
das verarbeitende Gewerbe in Jütland von überschaubarer Größe und bewegt | |
sich eher in schleswig-holsteinischen Dimensionen“, schreiben die Autoren. | |
Zudem drohe Jütland unter der Anziehungskraft der Hauptstadt Kopenhagen zu | |
leiden. | |
Beide Seiten könnten gemeinsam „kritische Massen“ in bestimmten | |
Industriebereichen bilden. Eignen würden sich die Herstellung von Nahrungs- | |
und Futtermitteln, der Maschinenbau sowie die Herstellung von | |
Metallerzeugnissen. | |
Darüber hinaus regen Schrader und Laaser an, die vielen Hochschulen, | |
Fachhochschulen und Fachschulen an beiden Seiten der Grenze sollten stärker | |
zusammenarbeiten. Sowohl die Ausbildung als auch der Arbeitsmarkt sollten | |
grenzübergreifend organisiert werden, damit der Aufschwung nicht am | |
fehlenden Personal scheitert. | |
28 Oct 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Deutsche-Wirtschaft-bricht-ein/!5717642 | |
[2] https://www.ifw-kiel.de/de/publikationen/medieninformationen/2020/wirtschaf… | |
[3] /Corona-veraendert-die-Weltwirtschaft/!5681077 | |
[4] /Grenzlandbuerger-ueber-das-Ueberschreiten/!5712372 | |
[5] https://www.doingbusiness.org/en/rankings | |
## AUTOREN | |
Gernot Knödler | |
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