# taz.de -- Spielfilm „Von Liebe und Krieg“: Komplexe Nachbarschaft | |
> Der Spielfilm „Von Liebe und Krieg“ erzählt über eine berührende Roman… | |
> vom Verhältnis von Dänen und Deutschen während des Ersten Weltkriegs. | |
Bild: Wie „Casablanca“ erzählt auch „Von Liebe und Krieg“ von der Lieb… | |
Ein Flughafen in der Nacht, eine Flucht in letzter Minute. Die | |
uniformierten Deutschen nähern sich schon im Auto. Eine Frau zwischen zwei | |
Männern. Mit welchem von ihnen wird sie in die Freiheit fliegen? Mit ihrer | |
großen Liebe oder seinem noblen Nebenbuhler? Ja, das ist die Schlussszene | |
von „Casablanca“ – das schönste Melodram der Filmgeschichte. Aber genauso | |
endet auch der dänische Film „Von Liebe und Krieg“. | |
Der erzählt zwar von Dänen und Deutschen in Zeiten des Ersten Weltkriegs. | |
Aber wie der deutsche Verleihtitel schon deutlich macht, ist auch dies eine | |
Liebesgeschichte. Regisseur und Drehbuchautor Kasper Torsting konnte nicht | |
widerstehen, und hat sich – wohlmeinend ausgedrückt – von der | |
Abschiedsszene zwischen Humphrey Bogart und Ingrid Bergman inspirieren | |
lassen. So kann auch sein Protagonist noch einen herzzerreißenden Monolog | |
halten, in dem er seiner Geliebten erklärt, warum er sich und ihre Liebe | |
opfern muss. Nur den „Beginn einer wunderbaren Freundschaft“ konnte | |
Torsting nicht unterbringen. | |
Und wie bei „Casablanca“ ist auch hier die Romanze deshalb so berührend, | |
weil sie solide in einen politischen Konflikt eingebettet ist, der das | |
Schicksal vieler Menschen bestimmte. Dort war es – übrigens 1942 nicht | |
historisch, sondern fast tagesaktuell erzählt – die Situation von | |
politischen Flüchtlingen vor dem Hitlerregime. Hier ist es der Widerspruch, | |
dass im Ersten Weltkrieg Dänen, die im preußischen Herrschaftsgebiet | |
lebten, auf der Seite der Deutschen kämpfen mussten. | |
Der Film beginnt an der Westfront in Frankreich, wo der Däne Esben hinter | |
die feindlichen Linien gerät und traumatische Erfahrungen macht, die ihn so | |
verändern werden, dass seine Frau Kirstine und sein kleiner Sohn Karl ihn | |
bei seiner Rückkehr kaum wiedererkennen. Mit den blutigen und aufwendig | |
inszenierten Anfangsszenen im Stil von „Im Westen nicht Neues“ ist der | |
titelgebende „Krieg“ dann auch im Grunde abgehandelt. Der Rest des Films | |
spielt in Esbens Heimatdorf an der deutsch-dänischen Grenze. Doch davon, | |
dass auch die Zivilbevölkerung in den Kriegsjahren 1917 und 1918 unter | |
extremem Mangel leiden musste, ist hier nichts zu spüren. | |
## Posttraumatische Gemütsveränderung | |
Esben wird zwar kurz als Kriegsheld gefeiert, aber seine posttraumatische | |
Gemütsveränderung macht es schwer für ihn, sich wieder an das alltägliche | |
Leben zu gewöhnen. Und ihn plagt die Eifersucht, denn während seiner | |
Abwesenheit war der deutsche Offizier Gerhard so oft bei seiner Frau | |
Kirstine zu Besuch, dass sein Sohn in diesem inzwischen seinen neuen Vater | |
sieht. Der Deutsche hat im Dorf das Sagen und verfügt, dass Esben wieder | |
zurück an die Kriegsfront geschickt werden soll. Der aber desertiert und | |
seine Frau versteckt ihn auf dem Dachboden. | |
Dass er dort mit Straßenschuhen auf dem dünnen Holzboden direkt über den | |
Köpfen der nach ihm Suchenden herumspaziert, ist eine der | |
Ungeschicklichkeiten der Regie, die die Plausibilität der Geschichte | |
empfindlich untergraben. Dennoch folgt man der Geschichte der beiden | |
Liebenden gern, die von Sebastian Jessen und Rosalinde Mynster als ein | |
schönes Paar gespielt werden, bei dem man gerne mitleidet. | |
Tom Wlaschiha hat es da in der Rolle des deutschen Offiziers und | |
Machtmenschen schwieriger, denn er ist eben nicht nur der Böse, der Esben | |
aus dem Weg räumen will. Auch er liebt Kirstine und ihren Sohn so | |
aufrichtig, dass er schließlich alles für sie opfert. | |
Der sadistische Schurke des Films ist dagegen der Unteroffizier Hansen | |
(Thure Lindhard), ein deutschfreundlicher Däne, der sich preußischer gibt | |
als die Deutschen selbst und der Esben mit einem verbissenen Eifer zur | |
Strecke bringen will. An der Figur dieses Kollaborateurs wird am besten | |
deutlich, wovon Kasper Thorsting eigentlich erzählen will. | |
In Nordschleswig lebten zur Zeit des Ersten Weltkriegs mehr Dänen als | |
Deutsche, doch weil die Region zu Preußen gehörte, wurden mehr als 30.000 | |
von ihnen an die Front geschickt. 6.000 starben, mehrere Tausend | |
desertierten. In diesem Sinne basiert der Film, auch wenn diese | |
Formulierung in Spielfilmen spätestens seit „Fargo“ hoch verdächtig ist, | |
auf einer „wahren Begebenheit“. | |
Das darin eingezogene Melodram mag ein wenig konstruiert wirken, doch der | |
Film wird immer dann lebendig, wenn er von dem hochkomplizierten Verhältnis | |
zwischen Dänen und Deutschen erzählt. Die sind Nachbarn, Freunde oder | |
Verwandte und die Fronten lassen sich nicht klar zwischen den beiden | |
Nationalitäten ziehen. | |
Diese komplexen und oft widersprüchlichen Verhältnisse versucht Torsting | |
auszuloten, ein Mittel dafür ist die Sprache. Wann und wie da deutsch oder | |
dänisch gesprochen wird, ist ein entscheidender Hinweis auf die | |
Machtverhältnisse zwischen den Protagonist*innen – in der zweisprachigen | |
Originalfassung spielen nicht umsonst Dänen Dänen und Deutsche Deutsche. | |
Doch in der deutschen Fassung, die jetzt in die Kinos kommt, sprechen alle | |
Deutsch. So wird eine wichtige Ebene des Films wegsynchronisiert. Während | |
etwa in der Originalfassung vom ersten gesprochenen Wort an die Zuordnung | |
klar ist, bleibt in dieser Fassung oft lange unklar, ob eine Filmfigur nun | |
dänisch oder deutsch ist. Absurd wird es spätestens dann, wenn ein | |
dänischer Beamter deutsch mit einem dänischen Akzent spricht oder wenn ein | |
Volkslied dann doch im Originalton auf dänisch gesungen wird. | |
„I krig og kærlighed“ (so der Originaltitel) ist eine dänisch-deutsche | |
Koproduktion, die sowohl von der Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein | |
als auch von der Nordmedia Film- und der Mediengesellschaft Niedersachsen/ | |
Bremen gefördert wurde. Im Jahr 2018 feierte der Film seine Weltpremiere | |
auf dem Filmfest Hamburg, seitdem lag er bei der Hamburger Produktions- und | |
Verleihfirma Tamtam Film auf Halde. | |
Ein passender Anlass, ihn doch noch in die deutschen Kinos zu bringen, sind | |
nun die diesjährigen Feierlichkeiten zur friedlichen und demokratischen | |
Abstimmung im Jahr 1920, bei der sich die Mehrheit der Bevölkerung von | |
Nordschleswig dafür entschied, lieber in Dänemark als im Deutschen Reich | |
leben zu wollen. Von heute an wird der Film denn auch dort gezeigt, wo das | |
Interesse besonders groß sein dürfte: in Kinos in Flensburg, Heide, Amrum, | |
Büsum, Husum und Sylt – leider nicht im Doppelprogramm mit „Casablanca“. | |
15 Oct 2020 | |
## AUTOREN | |
Wilfried Hippen | |
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