# taz.de -- Firma Zhenhua wertet Social Media aus: China is watching you | |
> Die Firma Zhenhua Data erstellt heimlich Profile wichtiger ausländischer | |
> Persönlichkeiten. In Indien und Australien wird das zum Politikum. | |
Bild: China spaziert durch die Daten: Besucher auf der Weltinternet-Konferenz i… | |
MUMBAI/BERLIN taz | Die chinesische Firma Zhenhua Data aus Shenzhen sammelt | |
Profile einflussreicher Personen aus ihren jeweiligen Ländern. Das | |
enthüllten unter anderem die Zeitung [1][Indian Express] und Australiens | |
öffentlich-rechtlicher Sender ABC. Nun haben die Berichte erste politische | |
Folgen. So bestellte Indiens Regierung [2][Chinas Botschafter] ein und | |
beauftragte Experten mit einer Untersuchung. Schon vor Wochen hatte Delhi | |
aus „Sorge um Datensicherheit“ 118 chinesische Apps gesperrt. Die | |
Anwendungen hatten Millionen Nutzer in Indien. | |
Auch in Australien fordert die Labor-Opposition eine Untersuchung. Minister | |
spielten die Enthüllung aber herunter, nannten sie jedoch beunruhigend, | |
wenn sie zutreffen sollte. Sie sei ein Fall für den Geheimdienst. | |
Der Enthüllung zufolge soll die Privatfirma Zhenhua Data in der „Overseas | |
Key Information Database“ Informationen über mehr als 2,4 Millionen | |
einflussreiche Personen aus den USA, Indien, Kanada, Australien, | |
Neuseeland, den Arabischen Emiraten und einigen europäischen Staaten, | |
darunter auch Deutschland, gespeichert haben. Die entschiedensten | |
Reaktionen kamen aus in Indien und Australien, deren Beziehungen zu Peking | |
gerade besonders angespannt sind. | |
So gibt es an der indisch-chinesischen Grenze seit Monaten [3][militärische | |
Spannungen]. Wegen Canberras Fragen zur anfänglichen chinesischen | |
Vertuschung der Coronapandemie boykottiert Peking australische | |
Exportprodukte. Kürzlich flohen die letzten beiden [4][australischen | |
Korrespondenten aus China.] | |
## Instrument „hybride Kriegsführung“? | |
In Indien wird die Datenbank mit Profilen von 10.000 Indern als | |
potenzielles Instrument „hybrider Kriegsführung“ gesehen. Diese nutzt | |
Desinformation und Cyberangriffe und zielt darauf, wirtschaftliche und | |
politische Aktivitäten zu stören und die Glaubwürdigkeit von Institutionen | |
und der Regierung untergraben. | |
Indische Medien sehen diese Gefahr, weil Zhenhua sich auf seiner inzwischen | |
deaktivierten Webseite der Fähigkeit zur Manipulation sozialer Medien | |
rühmt. Das könne militärische und wirtschaftliche Kräfte eines Landes | |
schwächen und „zu internen Konflikten, sozialer Polarisierung und | |
Radikalisierung“ führen. | |
In Stellenanzeigen brüste sich Zhenhua zur „großen Verjüngung des | |
chinesischen Volkes“ beizutragen und wirbt gezielt um Ex-Militärs. | |
[5][Australiens Financial Review] spricht von einer „Datenbank zur | |
Kriegsführung in sozialen Medien“. | |
Dem US-Wirtschaftsdozenten [6][Christpher Balding], der in Shenzhen lehrte, | |
war nach eigenen Angaben Material über die Datenbank von einem lokalen | |
Whistleblower zugespielt worden. Balding, der China inzwischen verlassen | |
hat, bat die australische Datensicherheitsfirma Internet 2.0 in Canberra um | |
Hilfe, die für die dortige Regierung wie für die der USA arbeitet. | |
250.000 Datensätze konnten bisher entschlüsselt werden. Dabei handele es | |
sich um Informationen über Politiker, Diplomaten, hohe Beamte, Polizisten, | |
Militärs, Akademiker, Tech-Unternehmer, Künstler und NGO-Mitarbeiter. Die | |
Aufnahme auch von deren Familienangehörigen wie von Kriminellen stärkt | |
Baldings Verdacht, dass diese Informationen zur Schädigung genutzt werden | |
könnten. | |
Die gespeicherten Daten sind größtenteils öffentlich zugänglich gewesen und | |
stammen außer von der Dow Jones Datenbank Factiva von Social Media-Diensten | |
wie Facebook, Twitter, Instagram und LinkedIn sowie von Webseiten der | |
jeweiligen Institutionen. Eine Zhenhua-Sprecherin räumte gegenüber dem | |
[7][Guardian] die Existenz der Datenbank ein, doch seien darin nur | |
öffentlich zugängliche Daten legal „integriert“ worden. Sie verneint eine | |
Zusammenarbeit mit Chinas Geheimdienst und Militär, beantwortet die Frage | |
nach den Kunden mit Verweis auf das Geschäftsgeheimnis aber nicht. | |
Facebook reagierte empört. Nutzer erlauben Facebook die Speicherung ihrer | |
Daten, aber Facebook gestattete Zhenhua deren Verknüpfung und Nutzung | |
nicht. „Selbst öffentlich zugängliche Daten sollten nicht gesammelt | |
werden,“ sagte ein Facebook-Sprecher dem [8][Indian Express]. Facebook | |
verbot Zhenhua jetzt explizit den Zugang zu seiner Plattform. | |
Laut Balding seien auch Profile von Deutschen gespeichert. Die seien aber | |
noch nicht ausgewertet, so dass auch deren Anzahl unklar sei. Er sagte der | |
taz, bei der Datenerhebung war das Wichtigste die dahinterstehende Absicht, | |
also weniger die Datensammelei selbst als deren Verwendung. | |
China versuche zunehmend, Akademiker, Thinktanks und Ex-Politiker im | |
Ausland zu beeinflussen. Bekanntlich überwacht Chinas Regierung ihre | |
Bevölkerung mithilfe von künstlicher Intelligenz und Big Data. Mit Zhenhuas | |
Datenbank könnte Peking auch international versuchen, Einfluss und | |
Manipulationsmöglichkeiten zu gewinnen. | |
## „Cambridge Analytica auf Steroiden“ | |
Daten werden in vielen Ländern gesammelt, verknüpft und kommerziell | |
verwertet. Auch kooperieren Datenfirmen oft mit Politik und Geheimdiensten. | |
So halfen Analysen der britischen Firma Cambridge Analytica beim | |
US-Wahlkampf 2016 Donald Trump wie auch beim britischen Brexit-Referendum. | |
„Cambridge Analytica auf Steroiden“ nannte ein australischer Experte | |
Zhenhua Data gegenüber [9][ABC]. | |
Chinas Botschaft in Delhi erklärte, Zhenhua sei eine Privatfirma, mit der | |
die Regierung nichts zu tun habe. So argumentiert Peking auch im Fall des | |
umstrittenen chinesischen 5G-Netzwerkausrüsters Huawei wie bei der | |
Videoplattform [10][Tiktok], gegen die die Trump-Regierung starke | |
Sicherheitsbedenken hat. Auch diese sind Privatfirmen. Doch gibt es wie bei | |
Zhenhua auch dort den bisher unbewiesenen Verdacht, dass Chinas | |
Geheimdienst über sie Zugang zu sensiblen Nutzerdaten bekommt. | |
„Jedes Land macht so etwas auf die ein oder andere Art“, sagt Robert Potter | |
von der in der Enthüllung involvierten Firma Internet 2.0. „Das ist | |
schließlich der Job von Geheimdiensten. Aber bei der Nutzung von Big Data | |
und entsprechender Technologien hat Peking jetzt ein höheres Niveau | |
erreicht.“ | |
20 Sep 2020 | |
## LINKS | |
[1] https://indianexpress.com/article/express-exclusive/china-watching-big-data… | |
[2] https://www.indiatoday.in/india/story/mea-raises-zhenhua-data-leak-issue-wi… | |
[3] /Grenze-zwischen-Indien-und-China/!5696129 | |
[4] /Unterdrueckung-von-Journalisten-in-China/!5712770 | |
[5] https://www.afr.com/policy/foreign-affairs/if-you-re-not-on-the-zhenhua-dat… | |
[6] https://www.baldingsworld.com/2020/09/14/personal-statement-on-shenzhen-zhe… | |
[7] https://www.theguardian.com/world/2020/sep/14/zhenhua-data-full-list-leak-d… | |
[8] https://indianexpress.com/article/express-exclusive/express-investigation-p… | |
[9] https://www.abc.net.au/news/2020-09-14/chinese-data-leak-linked-to-military… | |
[10] http://Trump%20attackiert%20Tiktok | |
## AUTOREN | |
Natalie Mayroth | |
Sven Hansen | |
## TAGS | |
China | |
Indien | |
Australien | |
Datenbank | |
Cyberspionage | |
Schwerpunkt Überwachung | |
China | |
Schwerpunkt Überwachung | |
Huawei | |
China | |
China | |
Handelskrieg | |
TikTok | |
TikTok | |
TikTok | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Spannungen zwischen Supermächten: China empört über US-Hackerangriff | |
Die USA sollen versucht haben, eine Forschungseinrichtung anzugreifen, die | |
dem chinesischen Militär nahesteht. Es gibt Millionen empörter Kommentare. | |
Big Data und Überwachung in China: In der Höhle der Daten | |
Mit Big Data möchte Chinas Regierung den Alltag der Bevölkerung verbessern | |
– und sie zugleich überwachen. Die Provinz Guizhou geht schon mal voran. | |
Großbritannien bestraft Nutzer: Mehr Druck auf Huawei | |
Nach dem Ausschluss des chinesischen Anbieters beim 5G-Ausbau will | |
Großbritannien Verstöße gegen das Verbot nun auch mit Geldstrafe ahnden. | |
Bei Anhörung im Europaparlament: Wenn China das Internet abdreht | |
Als der aus Shanghai zugeschaltete Chef der europäischen Handelskammer über | |
Menschenrechte in China sprechen will, bricht die Internetverbindung ab. | |
Meinungsfreiheit in China: Der Widersacher | |
Er galt als einer der schärfsten und letzten Regierungskritiker Chinas. Nun | |
muss der Milliardär Ren Ziqiang für seine Kritik büßen. | |
Deal mit Oracle und Walmart: Tiktoks zweite Chance | |
Oracle und Walmart werden wohl die Geschäfte von TikTok in den USA leiten. | |
Aus chinesischer Sicht ist es eine Kompromisslösung. | |
Streit um Social-Media-App Tiktok: Make the Internet American Again | |
US-Präsident Trump hat der chinesischen App Tiktok den Kampf angesagt. Ihr | |
US-Geschäft soll verkauft werden – oder sie wird gesperrt. Was ist da los? | |
TikTok und Datensicherheit: Das nette chinesische Unternehmen | |
Der US-Präsident führt einen Privatkrieg gegen das soziale Netzwerk TikTok | |
wegen angeblicher Spionage. Wofür es die Nutzerdaten verwendet, ist unklar. | |
Polit-Aktivismus auf App Tiktok: Lieblingsziel Trump | |
Hunderte Millionen Menschen nutzen die App Tiktok. Einige tragen mit ihren | |
Videos zur politischen Bildung der Fans bei – zugespitzt und humorvoll. |