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# taz.de -- Streit um Social-Media-App Tiktok: Make the Internet American Again
> US-Präsident Trump hat der chinesischen App Tiktok den Kampf angesagt.
> Ihr US-Geschäft soll verkauft werden – oder sie wird gesperrt. Was ist da
> los?
Bild: Das ist Tiktok: Leute tanzen und filmen das
1. Worum geht es?
Seitdem US-Präsident Donald Trump zwei Apps aus China den Kampf angesagt
und sein Außenminister Mike Pompeo eine Initiative für ein „sauberes“
Internet in den USA angekündigt hat, diskutiert die Welt: Was heißt das für
das Internet? Wird es das Ende des Internets sein, so wie wir es kennen?
Und was passiert mit Tiktok nach einer Übernahme? Und falls Tiktok in den
USA gesperrt wird, wo werden dann die ganzen lustigen Fingerschnippvideos
hochgeladen?
2. Was ist passiert?
Donald Trump hat Anfang August [1][per Anordnung untersagt], Geschäfte mit
dem Unternehmen ByteDance, dem Eigentümer der Video-App Tiktok, und
Tencent, dem Eigentümer der Wechat-App, zu machen und eine Frist für die
Übernahme der US-Sparte gesetzt. Die Verbreitung von Apps aus China in den
USA bedrohe „die nationale Sicherheit, die Außenpolitik und die Wirtschaft
der Vereinigten Staaten“, heißt es in der Tiktok betreffenden Anordnung.
Nachdem sich zuletzt beim Pool der Kaufinteressenten etwas getan hat, wird
nun die heiße Phase der Verhandlungen erwartet.
3. Was genau ist Tiktok?
Auf den ersten Blick eine Videoplattform, auf der vor allem Menschen unter
30 Jahren 15-sekündige selbst gedrehte Videos teilen, in denen viel
getanzt und gesungen wird. Auf den zweiten Blick ist es ein Ort der
Vernetzung für ganz unterschiedliche gesellschaftliche Gruppen durch
verbindende Elemente – wie eine neue Tanzbewegung, ein Meme oder einen
alten, neu entdeckten Song. Und es ist ein Ort, in dem zur Überraschung
vieler auch politische Bewegung stattfindet, wie es beispielsweise die
Black-Lives-Matter-Bewegung zeigte.
4. Wer ist aktuell im Rennen um eine Übernahme?
Die US-Supermarktkette Walmart teilte Ende August mit, sie werde sich einem
Gebot von Microsoft anschließen. Außerdem ist der Softwarekonzern Oracle
unten den Interessenten, auch Twitter wurde schon als Kandidat gehandelt.
Als Indiz dafür, dass es zu einer Übernahme kommt, werten Beobachter den
Abgang von Tiktok-Chef Kevin Mayer. Der hatte nach nur drei Monaten im Job
hingeschmissen – mutmaßlich wäre bei einer Aufspaltung des Unternehmens für
seinen international ausgerichteten Posten kein Platz.
5. Was steckt hinter Trumps Anordnungen?
Das ist bei Trump wie immer schwer zu sagen. Es gibt mehrere plausible
Erklärungen: Da wäre zunächst der Handelsstreit mit China. Bereits im
vergangenen Jahr untersagte Trump es US-Unternehmen, mit dem chinesischen
Smartphonehersteller und Netzwerkausrüster Huawei zusammenzuarbeiten.
Sichtbarste Folge für Nutzer:innen war, dass Huawei Google-Dienste nicht
mehr auf neuen Telefonen anbieten konnte. Eine andere Ursache für Trumps
Groll gegen Tiktok könnte sein missglückter Wahlkampfauftritt in Tulsa
gewesen sein, bei dem die Ränge weitgehend leer blieben. Über Tiktok hatten
sich Nutzer:innen abgesprochen, Tickets zu reservieren, ohne den Auftritt
auch zu besuchen. Ob das allerdings tatsächlich maßgeblich zur Leere des
Saals beigetragen hat, ist nicht geklärt. Nach „Make America Great Again“
klingt Trumps aktuelles Vorhaben nach einem „Make the Internet American
Again“ – also danach, das Internet wieder US-amerikanisch machen zu wollen.
Nicht dass es das nicht ohnehin weitgehend wäre, die global
marktbeherrschenden IT-Unternehmen kommen schließlich überwiegend aus den
USA. Doch dann ist da China, in dem die großen US-Dienste infolge der
Abschottungspolitik praktisch keine Rolle spielen. Vielleicht geht es Trump
aber auch um etwas viel Simpleres: darum, von seinem hilflosen
Nichtmanagement in Sachen Pandemie abzulenken.
6. Wie reagiert Tiktok?
Tiktok und das Mutterunternehmen ByteDance haben Klage gegen Trumps
Anordnung eingereicht. [2][Laut einem Blogbeitrag von Tiktok] argumentieren
die Kläger unter anderem damit, dass ihre Maßnahmen zum Schutz der
persönlichen Daten von US-Bürger:innen ignoriert worden seien. Zudem habe
man Tiktok keine Gelegenheit zu rechtlichem Gehör gegeben. Das verstoße
gegen den 5. Verfassungsgrundsatz.
7. Wie reagiert die chinesische Regierung?
Die chinesische Regierung hat Ende August neue Exportbeschränkungen
erlassen und damit eine Übernahme deutlich erschwert. Künftig braucht es
die Erlaubnis der Regierung, wenn Technologien aus dem Bereich Datenanalyse
oder künstliche Intelligenz ins Ausland verkauft werden. Beides sind
Bereiche, die auf Tiktok zutreffen. Der Schachzug der chinesischen
Regierung ist auch deshalb brisant, weil potenzielle Käufer nun damit
rechnen müssen, es sich im Falle einer Übernahme mit der dortigen Regierung
zu verscherzen. Für Microsoft wäre das nicht ganz irrelevan: Das
Unternehmen ist seit 1992 in China aktiv, [3][es unterhält dort nach
eigenen Angaben unter anderem das größte Forschungs- und
Entwicklungszentrum außerhalb der USA.]
8. Ist Tiktok wirklich schlimmer als Facebook und Co?
Was den Datenschutz angeht, schenken sich die Großen alle nicht viel. Egal
ob Amazon, Facebook, Google oder Tiktok – was sie an Daten kriegen können,
nehmen sie. Und auch die US-Geheimdienste sind nicht zögerlich, wenn es
darum geht, sich Zugriff auf persönliche Daten von Nutzer:innen zu
verschaffen.
9. Was passiert, wenn eine Übernahme scheitert und Tiktok in den USA
gesperrt wird?
Berichten zufolge bereitet sich Tiktok mit Notfallplänen genau darauf vor –
was auch nicht besonders erstaunlich wäre. Für die Nutzer:innen wäre es,
je nachdem wie und auf welchem Weg genau gesperrt wird, einfacher oder
schwieriger den Dienst trotzdem zu nutzen. Eine sehr weitgehende
Möglichkeit der Sperrung wäre, mit Unterstützung von Google und Apple
bereits auf Telefonen installierte Apps zu deaktivieren. Bereits kurz nach
Trumps Anordnung kündigten einzelne Tiktoker:innen einen Wechsel auf andere
Plattformen an.
10. Wie lange würde eine Übernahme dauern?
Vermutlich mindestens ein Jahr. Allein die Daten von und über Nutzer:innen
aus den USA – und, was ebenfalls Gegenstand der Verhandlungen ist,
gegebenenfalls aus Australien, Neuseeland und Kanada –
auseinanderzufrickeln, dürfte nicht leicht werden. Dazu kommt: Übernimmt
ein Unternehmen wie Microsoft, das bislang keine großen Ressourcen im
Bereich Moderation und Filtern von Inhalten hat, die App, müssen solche
Ressourcen aufgebaut werden, um Hassbotschaften und andere unerwünschte
Inhalte zu entfernen.
11. Was passiert danach?
Wenn ein Konzern wie Microsoft das US-Geschäft von Tiktok übernimmt, steigt
die Marktkonzentration in den USA weiter. Ein konzentrierter Markt hat die
Tendenz, weniger innovationsfreudig zu sein – im Internetzeitalter ein
Nachteil. Andererseits haben Konzerne dieser Größenordnung das Kapital,
kleine, innovative Konkurrenten, die ihnen gefährlich werden könnten,
aufzukaufen oder den Dienst nachzubauen. So hatte beispielsweise Google
einst Youtube übernommen und Facebook Instagram und Whatsapp.
12. Was würde eine Übernahme für die Nutzer:innen in Europa bedeuten?
Wenn die europäische App in der Hand von ByteDance verbleiben würde, wären
die Nutzer:innen hierzulande von Plattform-Nutzer:innen aus den USA,
Australien, Neuseeland und Kanada getrennt. Um trotzdem mit ihnen über
Tiktok in Verbindung zu treten, müssten sie die US-App nutzen. An diesem
Beispiel zeigt sich, was eine zunehmende regionale Segmentierung des
Internets bedeuten würde. Theoretisch wäre es zwar möglich, die Apps so zu
gestalten, dass Nutzer:innen sich trotz unterschiedlicher Eigentümer über
sie vernetzen könnten. Doch über diese Interoperabilität müssten sich die
beteiligten Unternehmen einig werden – was angesichts der diplomatischen
Situation eher unwahrscheinlich erscheint.
13. Geht damit das Internet kaputt?
Viele meinen: ja. Wie etwa die Internet Society, eine NGO, deren Fokus auf
der Weiterentwicklung der Infrastruktur des Internets liegt. Sie warnte
nach Trumps Anordnungen vor einem „Splinternet“.
6 Sep 2020
## LINKS
[1] https://www.whitehouse.gov/presidential-actions/executive-order-addressing-…
[2] https://newsroom.tiktok.com/en-us/tiktok-files-lawsuit
[3] https://news.microsoft.com/about-microsofts-presence-in-china/
## AUTOREN
Svenja Bergt
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