| # taz.de -- USA gegen chinesische App Tiktok: „Nicht der letzte Schlag“ | |
| > Die USA haben nicht nur die Apps im Visier, sondern eine | |
| > „Clean-Network“-Initiative angekündigt. Datenökonomin Aline Blankertz | |
| > erklärt, was das heißt. | |
| Bild: Tiktok ist der erste globale App-Erfolg, der nicht aus den USA stammt | |
| taz: Frau Blankertz, die [1][USA wollen ausländische Internetdienste | |
| möglichst aussperren]. Was heißt das für das Internet? | |
| Aline Blankertz: Damit wird eine Entwicklung deutlich beschleunigt, die | |
| sich schon seit einer Weile abzeichnet. China hat das mit der Abschottung | |
| ja schon ziemlich perfektioniert und mit seiner Great Firewall westliche | |
| Anbieter von seinem Markt abgehalten. Andere Länder wie Iran oder | |
| Weißrussland agieren ähnlich. Die USA dagegen standen lange – bei aller | |
| Kommerzialisierung – für ein freiheitliches, offenes Internet. Und jetzt | |
| machen sie das Internet zum geopolitischen Spielball und sagen: Wenn ihr | |
| uns nicht reinlasst, lassen wir euch auch nicht rein. | |
| Geht damit das Internet kaputt, wie einige befürchten? | |
| Ich glaube, wir müssen uns daran gewöhnen, dass es mehr als ein Internet | |
| gibt. Gerade deshalb ist es wichtig, sich dafür einzusetzen, dass das | |
| Internet, das wir in Europa nutzen, auch unseren Werten und Regeln | |
| entspricht. Und es hier nicht eben einfach mal abgeschaltet werden kann, | |
| [2][wie gerade bei den Wahlen in] Belarus. Oder die Regierung starke | |
| Verschlüsselung verbietet, die eine sichere und geschützte Kommunikation | |
| ermöglicht. | |
| Warum hängt Trump sich gerade an Tiktok auf? | |
| Die App ist der erste große Exportschlager aus China. Genau genommen der | |
| erste große Exportschlager von außerhalb der USA. Es ist ein Dienst, der | |
| viele Millionen US-Bürger:innen begeistert – und mit dem sie viel Zeit am | |
| Smartphone verbringen. Es geht also um Zeit, die sie nicht mit US-Diensten | |
| verbringen. Wenn man das Internet als ein Spiel um Vorherrschaft sieht, was | |
| Trump vermutlich tut, dann ist das natürlich ein Angriff auf die USA. Daher | |
| wird Trumps Schlag gegen Tiktok nicht der letzte bleiben. | |
| Überwacht China denn mehr als die USA? | |
| Die Geheimdienste in den USA haben auch sehr weitreichende Zugriffsrechte. | |
| Daher ist es scheinheilig, dass Trump jetzt auf die chinesischen | |
| Geheimdienste zeigt. Aber man kann zumindest sagen, dass in China | |
| Wirtschaft und Politik deutlich stärker verwoben sind als in den USA. Die | |
| US-amerikanische Wirtschaft, und damit auch die IT-Konzerne, dürfen sich | |
| weitgehend frei von Parteieingriffen entwickeln. [3][Das ist in China ganz | |
| anders]. | |
| Würde Trump genauso agieren, käme die App aus Europa? | |
| Natürlich wäre ein europäisches Tiktok auch eine Bedrohung für Trump | |
| gewesen. Aber der geopolitische Konflikt mit Europa ist momentan nicht so | |
| zugespitzt, dass er dafür den nötigen politischen Rückhalt gehabt hätte. | |
| Was passiert, wenn Microsoft, Twitter oder ein anderes Unternehmen die | |
| US-Sparte von Tiktok übernehmen? | |
| Nach der Einigung müsste der Käufer erst mal die ganze technische | |
| Infrastruktur und dann die ganzen Daten übernehmen. Also die persönlichen | |
| Daten von und über die Nutzer:innen aus den USA, Kanada, Australien und | |
| Neuseeland, das sind ja die Länder, um die es derzeit offiziell geht. Das | |
| ist nichts, was von heute auf morgen passiert, sondern würde wohl | |
| mindestens ein Jahr dauern. | |
| Was heißt das für die Nutzer:innen? | |
| Für europäische Nutzer:innen wird maßgeblich sein, ob der neue Eigentümer | |
| gleich auch die europäische Sparte mitübernehmen würde. Was eigentlich | |
| plausibel wäre, denn Europa ist näher an den USA dran als an China. Da | |
| müssen wir einfach das Ergebnis der Verhandlungen abwarten. Wie auch immer | |
| es ausgeht: Nutzer:innen in Europa könnten über die App nicht mehr mit | |
| denen verbunden sein, die sich in der anderen App befinden. | |
| Es sei denn, beide Seiten einigen sich darauf, dass das möglich sein soll. | |
| Ja, technisch könnte man so eine Interoperabilität hinkriegen. Aber in | |
| Anbetracht der derzeitigen diplomatischen Lage halte ich das für | |
| unwahrscheinlich. Ganz grundsätzlich gilt jedenfalls: Dass Tiktok es auf | |
| den Markt geschafft hat, und zwar weltweit, ist erst mal eine gute | |
| Nachricht. Denn es zeigt, dass es auch auf diesen stark konzentrierten | |
| digitalen Märkten noch möglich ist, eine Innovation zu etablieren. Jetzt | |
| ist allerdings Microsoft ein Unternehmen, das ja schon seit einigen Jahren | |
| nicht mehr sehr innovativ im Social-Media- und Unterhaltungssegment | |
| unterwegs ist. Ein Tiktok in der Hand von Microsoft wird also vermutlich | |
| dort stehenbleiben, wo es gerade schon ist. Und sich nicht mehr mit der | |
| Geschwindigkeit weiterentwickeln, mit der Tiktok es bisher getan hat. | |
| Was wiederum eine Chance für eine andere, neue Innovation sein könnte? | |
| Theoretisch ja. Aber je mehr Länder die Zugangshürden für ausländische | |
| Dienste erschweren, desto unwahrscheinlicher wird ein globaler Erfolg. | |
| Wie würde denn ein nach Weltregionen segmentiertes Netz aussehen? | |
| Wenn das Internet zunehmen regional aufgebaut ist, erschwert das dreierlei: | |
| erstens die Vernetzung von Menschen aus unterschiedlichen Regionen, was ja | |
| auch einer der Grundwerte des Internets ist. Zweitens und mit der | |
| Vernetzung verbunden: die Kommunikation. Wenn es in jedem Land einen | |
| anderen dominanten Messenger-Dienst gibt, bekommt grenzüberschreitende | |
| Kommunikation höhere Hürden. Und drittens die Information. Wer etwa | |
| Nachrichten aus einem anderen Land sucht, muss dann wissen, welche | |
| Suchmaschine oder welches Nachrichtenportal es dort gibt. | |
| Seit den [4][Snowden-Enthüllungen] gibt es immer mal Rufe aus Europa, dass | |
| auch mal ein großer Dienst von hier kommen müsste. Ist die US-amerikanische | |
| Abschottung dahingehend eine Chance? | |
| Das glaube ich nicht. | |
| Warum nicht? | |
| Für Start-ups aus Europa gibt es deutlich mehr Herausforderungen als für | |
| welche aus den USA. Wenn wir mal von politischen und finanziellen | |
| Rahmenbedingungen absehen, die sich ja ändern lassen: Europa ist aus vielen | |
| sprachlichen Kulturräumen zusammengewürfelt. Ein neuer Dienst hat es somit | |
| sehr schwer, auf die Masse von Nutzer:innen zu kommen, die nötig ist, um | |
| wiederum vom Netzwerkeffekt zu profitieren. | |
| Das klingt, als hätten europäische Dienste per se keine Chance? | |
| Ganz so schlimm ist es nicht. Ein Punkt, an dem sich einiges verändern | |
| ließe: Der Staat müsste ein viel stärkerer Nachfrager werden. Das sehen wir | |
| gerade in der durch die Pandemie verstärkten Debatte darum, wer | |
| Schul-Clouds entwickelt. | |
| Also die Programme und Infrastruktur, über die Schüler:innen und | |
| Lehrer:innen Unterricht digital gestalten oder ergänzen können. | |
| Genau. Hier sind viele Einrichtungen ganz schnell wieder bei US-Diensten. | |
| Dabei könnte man hier politisch sagen: Wir wollen offene Dienste, wir | |
| wollen sichere Dienste, wir wollen werbefreie Dienste, und wir entwickeln | |
| die hier, weil die US-amerikanischen Dienste uns das nicht liefern. | |
| Ähnliches gilt für andere Bereiche der Daseinsvorsorge, das | |
| Gesundheitswesen etwa. Das sind Bereiche, in denen es gut ist, digitale | |
| Souveränität zu haben. | |
| Wo verläuft denn die Grenze zwischen digitaler Souveränität und | |
| Abschottung? | |
| Ich glaube, das muss ständig neu definiert werden, genau wie im nicht | |
| digitalen Raum. Man kann sich da durchaus an der staatlichen | |
| Daseinsvorsorge orientieren, die wir jetzt schon haben: Bildung, | |
| Gesundheitswesen, Verwaltung, Verkehrsinfrastruktur zum Beispiel. Und im | |
| besten Fall entwickelt man dann dabei neue Geschäftsmodelle, die ganz | |
| automatisch auch von anderen Bereichen aufgenommen werden. | |
| Zum Beispiel? | |
| Wenn wir zum Beispiel eine gute und geschützte Open-Source-Anwendung für | |
| Videosprechstunden haben. Dann stellen vielleicht auch Rechtsanwält:innen | |
| fest, dass sie die nutzen wollen. Oder andere Unternehmen. Und damit würde | |
| sich schon etwas bewegen. | |
| 17 Aug 2020 | |
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| ## AUTOREN | |
| Svenja Bergt | |
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