# taz.de -- Unterdrückung von Journalisten in China: Der Streit eskaliert | |
> Wegen Repressionen sind zwei australische Journalisten fluchtartig aus | |
> China abgereist. Ein Symptom für den Konflikt zwischen Peking und | |
> Canberra. | |
Bild: Bekam in Peking unerwarteten Polizeibesuch: der Journalist Bill Birtles b… | |
Die beiden Journalisten Bill Birtles vom öffentlich-rechtlichen | |
australischen Sender ABC und Michael Smith von der Wirtschaftszeitung | |
Australian Financial Revue landeten am Dienstagmorgen in Sydney. Die | |
Korrespondenten waren bereits Anfang September [1][vom australischen | |
Außenministerium] angehalten worden, das Land zu verlassen. | |
Birtles hatte bereits am vergangenen Donnerstag abreisen wollen. Als er am | |
Vorabend in seiner Wohnung in Peking eine Abschiedsparty veranstaltete, | |
wurde er von sieben Polizisten aufgesucht, die ihm mitteilten, er dürfe | |
nicht ausreisen. Der Besuch sei klar als Drohung gemeint gewesen, so ABC in | |
Sydney am Dienstag. | |
Die Offiziellen hätten in Aussicht gestellt, Birtles werde am kommenden | |
Morgen über einen „nationalen Sicherheitsfall“ befragt. Offenbar wurde ihm | |
gesagt, er selbst sei kein Beschuldigter, sondern solle als Zeuge im Fall | |
Cheng Lei aussagen. | |
Ein paar Wochen zuvor war die beim englischsprachigen chinesischen | |
Staatssender CGTN beschäftige australische-chinesische Journalistin Cheng | |
Lei in Verwahrung genommen worden. Wie AFP am Dienstagmittag meldete, sei | |
die Fernsehmoderatorin laut Zhao Lijian, Sprecherin [2][des | |
Außenministeriums in Peking], wegen „krimineller Aktivitäten, die die | |
nationale Sicherheit Chinas gefährden“, festgenommen worden. | |
## Diplomatische Reaktion | |
Nach dem Besuch der Polizisten habe Birtles in der australischen Botschaft | |
Schutz gesucht. Sein Kollege Michael Smith hatte sich unter ähnlichen | |
Umständen im australischen Konsulat in Schanghai in Sicherheit gebracht. | |
Nur unter dem Schutz des australischen Botschafters konnten sie ausreisen. | |
Die australische Außenministerin Marise Payne reagierte am Dienstag | |
diplomatisch auf die Situation. Sie wies auf die anhaltend wichtige | |
Beziehung zum führenden Handelspartner China hin. Sie bestätigte jedoch die | |
seit längerem geltende offizielle Warnung vor dem Risiko willkürlicher | |
Festnahmen australischer Staatsbürger in China. | |
Die Arbeitgeber der beiden Journalisten gaben ihrer Bestürzung darüber | |
Ausdruck, dass die beiden Reporter von China ins Visier genommen wurden, | |
nur weil sie ihren „journalistischen Pflichten“ nachgekommen seien. | |
Mit der Entscheidung, Bertels von seinem Posten abzuziehen, hat der | |
australische Sender ABC zum ersten Mal in 40 Jahren keinen Korrespondenten | |
mehr in Peking. Berichten zufolge sollen noch mindestens zwei weitere | |
australische Staatsbürger bei chinesischen Medien als Journalisten | |
beschäftigt sein. | |
Kommentatoren werteten die Entwicklung als weitere Eskalation in einem lang | |
anhaltenden Konflikt zwischen Peking und Canberra. China ist der wichtigste | |
Abnehmer australischer Exporte. | |
Die Beziehungen hatten sich 2018 verschlechtert, nachdem Canberra dem | |
chinesischen Kommunikationsgiganten Huawei verboten hatte, sich am Aufbau | |
des 5G-Mobilfunknetzes zu beteiligen. Schließlich forderte die australische | |
Regierung unter Premierminister Scott Morrison vor ein paar Wochen, die | |
Welt müsse den Ursprung des Coronavirus klären. | |
## Chinesische Minister nehmen Anrufe nicht entgegen | |
Peking interpretierte dies als Anklage Chinas und begann [3][den Handel] | |
mit verschiedenen australischen Produkten zu erschweren – vor allem mit | |
Getreide, Fleisch und Wein. | |
Dass China im Streit mit Australien auf chinesische Staatsbürger abzielt, | |
ist nicht neu. Schon seit Monaten sitzt Yang Hengjun in Haft, ein | |
australischer Autor chinesischer Herkunft, der sich für demokratische | |
Reformen in seinem Geburtsland einsetzt. | |
Auch die Festnahme der Journalistin Cheng Lei wurde von Kommentatoren in | |
Australien als eine Form von „Geiseldiplomatie“ kritisiert. Die Fernsehfrau | |
gilt als keineswegs als chinakritisch und sei offensichtlich einzig wegen | |
ihres australischen Hintergrunds festgenommen worden. | |
Die Situation ist inzwischen derart schwierig, dass chinesische Minister | |
die Anrufe ihrer australischen Amtskollegen nicht mehr entgegennehmen. | |
8 Sep 2020 | |
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## AUTOREN | |
Urs Wälterlin | |
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