# taz.de -- Konzern droht mit Aus in der EU: „Facebook blufft“ | |
> Facebook droht, seine Dienste in der EU zu schließen, falls es nicht | |
> länger Nutzer-Daten ungehindert in die USA senden kann. Doch es gäbe | |
> Alternativen. | |
Bild: Ein Bluffer? Facebook-Chef Mark Zuckerberg im April 2019 in Dublin | |
Die Drohung kommt auf Seite 21. Auf den vorherigen Seiten hat sich Yvonne | |
Cunnane, Juristin bei Facebook, [1][in ihrem Schreiben an die irische | |
Datenschutzaufsichtsbehörde] vor allem beklagt. Darüber, dass die Behörde | |
Facebook mangelnde Fairness vorwirft, und über den Verlauf des von dem | |
österreichischen [2][Datenschutzaktivisten Max Schrems] angestoßenen | |
Verfahrens. | |
Das hatte dazu geführt, dass der Europäische Gerichtshof (EuGH) im Juli | |
2020 die Übermittlung persönlicher Daten von EU-Nutzer:innen in die USA für | |
unzulässig erklärte. | |
Nun gibt es keine Rechtsgrundlage mehr, auf der ein in den USA | |
angesiedeltes Unternehmen wie Facebook weiterhin Daten von europäischen | |
Nutzer:innen in die USA transferieren kann. Daher die Drohung auf Seite | |
21: Es „ist für den Antragsteller (Facebook; d. Red.) angesichts dieser | |
Umstände nicht klar, wie er seine Dienste, unter anderem Facebook und | |
Instagram, weiter in der EU betreiben soll.“ | |
Sollte die Behörde ihre Anordnung, den Datentransfer zu stoppen, nicht | |
zurücknehmen, [3][droht Facebook] der irischen Datenschutzaufsichtsbehörde, | |
seine Dienste in der EU einzustellen. | |
Die Reaktion des Unternehmens ist der letzte Eskalationsschritt eines seit | |
Jahren andauernden Verfahrens, in dem es immer enger wird für den Konzern. | |
Seinen Ursprung nahm es einst mit einem Auskunftsersuchen des | |
Datenschutzaktivisten Max Schrems. Er, damals noch Student, wollte wissen, | |
was Facebook eigentlich so über ihn speichert. | |
Kurze Zeit später [4][enthüllt der Whistleblower] Edward Snowden das | |
geheimdienstliche Überwachungssystem der USA – und es wird klar: Was | |
Facebook weiß, wissen potenziell auch die US-Geheimdienste. | |
## Alternative Möglichkeiten | |
Mehrere Jahre und zwei gekippte transatlantische Vereinbarungen später ist | |
der aktuelle Stand: Unternehmen, egal ob aus der EU, den USA oder dem Rest | |
der Welt, dürfen persönliche Daten von europäischen Nutzer:innen nur in | |
Ausnahmesituationen in die USA exportieren. | |
Das ist das Ergebnis des jüngsten EuGH-Urteils. Die irische | |
Datenschutzaufsichtsbehörde, die sich sonst eher sehr rücksichtsvoll | |
gegenüber den dort ansässigen Niederlassungen von US-Unternehmen verhält, | |
hat nun tatsächlich eine klare Ansage gemacht. | |
Doch genau betrachtet ist die Reaktion weniger eine Drohung als eine | |
Kapitulationserklärung. Denn es gibt sehr wohl einige Möglichkeiten, wie | |
das Unternehmen seine Online-Netzwerke weiterbetreiben und sich dennoch an | |
die in der EU geltenden Datenschutzregeln halten könnte. | |
Eine davon wäre der Aufbau eigener Serverstandorte innerhalb der EU. Im | |
nächsten Schritt würde es etwas frickelig, denn dann müsste Facebook Daten | |
von hiesigen Nutzer:innen aussortieren und von den US-Servern auf die in | |
der EU schieben. Das würde zwar noch nicht verhindern, dass das | |
[5][Fisa-Gericht] – das für die elektronischen Überwachungsaktionen der USA | |
zuständig ist – in Einzelfällen die Herausgabe persönlicher Daten verlangt. | |
Aber zumindest fielen Daten europäischer Nutzer:innen dann nicht mehr so | |
einfach unter US-Überwachung. | |
## Nur ein Bluff? | |
Noch ausgeklügelter wäre ein Treuhandmodell: Dabei würde ein anderes, in | |
der EU ansässiges Unternehmen die Daten der EU-Nutzer:innen für Facebook | |
verwalten. Für Letzteres wäre das denkbar unattraktiv, weil es so keinen | |
Zugriff mehr hätte und sogar dem EU-Partner Zugriff auf [6][die eigenen | |
Algorithmen] gewähren müsste, damit das Netzwerk wie gewohnt funktioniert. | |
Doch es wäre maximal gesetzeskonform. Schließlich könnte der EU-Partner | |
selbst einem eifrigen Fisa-Gericht entspannt den Mittelfinger hinhalten. | |
Man kann davon ausgehen, dass Facebook beide Wege selbstverständlich kennt, | |
aber nicht gehen will. „Facebook blufft“, sagt auch Alan Dahi von der | |
österreichischen Datenschutzorganisation Noyb. Der europäische Markt sei zu | |
wichtig, um ihn aufzugeben. | |
Wahrscheinlicher ist: Facebook spekuliert darauf, die irische | |
Datenschutzaufsicht mit der Drohung daran zu erinnern, dass sie bitte | |
wieder mehr an Wirtschaftsförderung als an Datenschutz denken möge. | |
Das hatte sich in der Vergangenheit bewährt – zumindest für die | |
Unternehmen. Die Behörde selbst hat sich bis Redaktionsschluss noch nicht | |
zu der Drohung geäußert. | |
23 Sep 2020 | |
## LINKS | |
[1] https://www.dropbox.com/s/yngcdv99irbm5sr/Facebook%20DPC%20filing%20Sept%20… | |
[2] /Datenschutzabkommen-zwischen-EU-und-USA/!5695158 | |
[3] /Australien-gegen-Google-und-Facebook/!5708117 | |
[4] /Appell-von-Rechten-und-Konservativen/!5711446 | |
[5] /Ueberwachungsreform-in-den-USA/!5008013 | |
[6] /Dekolonialisierung-von-Algorithmen/!5706540 | |
## AUTOREN | |
Svenja Bergt | |
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