# taz.de -- Partei der dänischen und friesischen Minderheit: SSW will nach Ber… | |
> Ein Parteitag hat am Wochenende grünes Licht gegeben: Erstmals seit sechs | |
> Jahrzehnten wird der Südschleswigsche Wählerverband an einer | |
> Bundestagswahl teilnehmen. | |
Bild: Auf Helgoland ist der SSW schon stärkste politische Kraft | |
FLENSBURG dpa | Am Samstag hat ein Parteitag des SSW den Weg frei gemacht | |
für eine Teilnahme an der Bundestagswahl 2021. Für die Partei der dänischen | |
und friesischen Minderheit ein historisches Ereignis: Zum ersten Mal seit | |
sechs Jahrzehnten wagt der SSW diesen Schritt. 66 von 111 Delegierten | |
stimmten für eine Teilnahme an der Bundestagswahl, 41 votierten mit Nein | |
und vier enthielten sich der Stimme. Als das Abstimmungsergebnis bekannt | |
gegeben wird, wird auf einer großen Leinwand ein Wikingerboot eingeblendet, | |
auf dessen Segel die Losung „Moin Berlin.“ zu sehen ist. | |
Der SSW will mit einer Landesliste und eigenen Kandidatinnen und Kandidaten | |
bei der Bundestagswahl antreten. Direktkandidaten sollen im Wahlkreis | |
Flensburg-Schleswig, Nordfriesland-Dithmarschen Nord, | |
Rendsburg-Eckernförde, Kiel sowie Pinneberg – wegen Helgoland – aufgestellt | |
werden. Spitzenkandidatur und Landesliste sollen auf einem | |
außerordentlichen Parteitag im Januar 2021 beschlossen werden. Eine | |
Arbeitsgruppe soll zudem einen Entwurf für das Bundestagswahlporogramm | |
erarbeiten, der von Februar bis April 2021 parteiintern diskutiert werden | |
soll. Auf einem außerordentlichen Landesparteitag im Mai kommenden Jahres | |
soll das Bundestagswahlprogramm dann beschlossen werden. | |
Der SSW-Vorsitzende Flemming Meyer hatte eindringlich für eine Teilnahme an | |
der Bundestagswahl geworben. „Wir können heute Geschichte schreiben. Denn | |
wir wollen den Minderheiten und der Region eine Stimme in Berlin geben.“ | |
Die Rahmenbedingungen der Minderheitenpolitik hätten sich in den | |
vergangenen Jahren einschneidend verändert. Es gebe kaum Fortschritte bei | |
der Minderheitenpolitik auf europäischer und Bundesebene, sagte Meyer. | |
Die Erosion der Parteienlandschaft mache minderheitenpolitische | |
Verhandlungen auf Bundesebene immer schwerer. „Nur noch wenige | |
Bundestagsabgeordnete wissen heute noch, warum es nationale Minderheiten in | |
Deutschland gibt oder warum ihnen ein Recht auf Schutz und Förderung | |
zustehen sollte.“ Er sei der Meinung, dass mit einem SSW-Mandat „der | |
zunehmenden minderheitenpolitischen Geschichtsvergessenheit im Bundestag“ | |
entgegen gewirkt werden könne, sagte Meyer. „Wir könnten als Sprachrohr der | |
nationalen Minderheiten im Bundestag agieren.“ Ein weiterer Pluspunkt sei, | |
dass man sich ohne Wenn und Aber für die Region einsetzen könne – ohne sich | |
zwischen Fraktionszwängen und parteiinternen Interessen anderer | |
Bundesländer zerreiben zu lassen. | |
## Ein Comeback wurde stets mehrheitlich abgelehnt | |
Bisher war der Südschleswigsche Wählerverband erst einmal im Bundestag | |
vertreten. Und zwar in der ersten Legislaturperiode von 1949 bis 1953 mit | |
dem Abgeordneten Herman Asmuss Clausen. Ein Wiedereinzug gelang nicht. Seit | |
1961 hat der SSW nicht mehr an Bundestagswahlen teilgenommen. Seitdem wurde | |
ein Comeback regelmäßig diskutiert, jedoch stets mehrheitlich abgelehnt. | |
Vor gut zehn Jahren erklärte ein Landesparteitag die Debatte für beendet. | |
Im vergangenen Jahr dann holte der Landesvorstand das Thema zurück auf die | |
Tagesordnung. | |
Das Für und Wider wurde auf Regionalkonferenzen beraten. Bei | |
Probeabstimmungen dort sprachen sich mehr als 70 Prozent für eine Teilnahme | |
des SSW an der Bundestagswahl aus. Auch auf dem Landesparteitag in der | |
Idraetshalle in Flensburg überwogen die zustimmenden Wortmeldungen. Auch | |
wenn viele Redner die Herausforderung und das Wagnis ansprachen, zeigten | |
sie sich überzeugt davon, diese bestehen zu können. „Wir können Berlin“, | |
sagte ein Redner. | |
Der Landtagsabgeordnete Christian Dirschauer betonte, „wer nicht handelt, | |
werde gehandelt. Wir wollen aber handeln.“ Andere verwiesen darauf, dass | |
man bei Bundestagswahlen bisher „nur die zweitbeste Wahl“ auf dem | |
Stimmzettel ankreuzen könne, dies müsste sich ändern, auch um die eigenen | |
Themen verstärkt auf die bundespolitische Agenda setzen zu können. „Wir | |
vertreten uns nur selber“, sagte [1][Landtagsfraktionschef, Lars Harms]. | |
Auch im Bundestag müsse es eine eigene Stimme für die Themen des SSW geben. | |
Es glaube doch niemand im Ernst, „dass die Habecks und Kubickis uns | |
vertreten“. | |
Ein Abgeordneter könne zwar nicht alles erreichen, aber mehr als kein | |
Abgeordneter, sagte Severin Staack von der Jugendorganisation SSWUngdom. Er | |
sei es leid, immer zu bitten und betteln zu müssen und maximal bis Kiel | |
denken zu dürfen. | |
Kritiker mahnten hingegen, man solle sich auf Südschleswig und | |
Schleswig-Holstein konzentrieren. Sie befürchteten unter anderem, nicht | |
genügend Ressourcen für einen Bundestagswahlkampf zu haben und negative | |
Folgen für die kommenden Landtags- und Kommunalwahlen. | |
Ein Vorteil für den SSW ist, dass Parteien nationaler Minderheiten nach dem | |
Bundeswahlgesetz von der [2][Fünf-Prozent-Hürde befreit] sind. Der SSW | |
müsste jedoch – [3][wie bei Landtagswahlen in Schleswig-Holstein] – so | |
viele Stimmen gewinnen, dass ihm nach dem Berechnungsverfahren ein Sitz | |
zusteht. Nach Parteiangaben wären rund 45.000 bis 50.000 Wählerstimmen für | |
ein SSW-Mandat im Bundestag erforderlich. Zum Vergleich: Bei der | |
Landtagswahl 2017 erhielt der SSW knapp 49.000 Stimmen. | |
19 Sep 2020 | |
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