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# taz.de -- Die AfD zerlegt sich: Streit statt Politik
> In vielen Bundesländern zerstreitet sich die AfD gerade. Es geht um die
> Richtung der Partei, aber auch um Machtfragen. Fünf Beispiele.
Bild: Die AfD ist dabei sich selbst zu zerlegen
Nicht nur auf Bundesebene ist die AfD tief zerstritten, auch in vielen
Bundesländern – insbesondere im Westen der Republik – sieht es nicht besser
aus. Am Freitag ist die [1][nächste Fraktion zerbrochen], diesmal im Kieler
Landtag. Anderswo werden Landesvorsitzende gestürzt, ehemalige
Spitzenkandidaten in die Wüste geschickt oder Klausurtagungen abgebrochen,
weil man es gemeinsam nicht aushält. Opposition im Landtag, wofür die
Partei immerhin gewählt wurde, wird zur Nebensache. Die AfD beschäftigt
sich vor allen Dingen mit sich selbst.
## Schleswig-Holstein: Fraktionsstatus verloren
Seit Monaten ist die AfD in Schleswig-Holstein tief zerstritten – bis in
die Landtagsfraktion hinein. Die Ankündigung des Abgeordneten Frank
Brodehl, die Fraktion zu verlassen, war dennoch eine Überraschung. Am
Freitag erklärte er während der Debatte über Ganztagsschulen im Kieler
Landtag, dass dies seine letzte Rede als Mitglied der AfD und ihrer
Fraktion sei. Damit verlieren die AfD-Abgeordneten um Jörg Nobis nun den
Fraktionsstatuts.
Als Grund führte Brodehl den Rechtsruck des Landesverbands an. „Die
völkisch-nationalistischen Kräfte haben eher noch zugenommen, während die
bürgerlich-wertkonservativen Mitglieder die Partei verlassen“, sagte er
[2][der Welt]. Der Richtungsstreit ist auch ein Grund dafür, warum der
Landesverband nach dem Rauswurf der ehemaligen Landeschefin [3][Doris von
Sayn-Wittgenstein] wegen rechtsextremer Kontakte bis hin ins
Holocaustleugner*innen-Milieu noch keinen neuen Landesvorsitzenden fand.
Andreas Speit
## Hessen: Der Spitzenkandidat soll gehen
Abwahlanträge, Parteiausschlussverfahren und gegenseitige Verunglimpfungen
gehören zum Alltag der AfD auch in Hessen. Doch die jüngsten Querelen in
der Wiesbadener Landtagsfraktion stellen einen neuen Höhepunkt dar. Am 20.
Oktober wollen die AfD-Landtagsabgeordneten nämlich über den Ausschluss von
zwei Kollegen abstimmen.
Die Mehrheit möchte zentrale Figuren des letzten für die Partei
erfolgreichen Landtagswahlkampfs aus der Fraktion ausschließen: den
promovierten Frankfurter Zahnarzt Rainer Rahn, der im Jahr 2018 [4][als
Spitzenkandidat die Landesliste anführte], und den pensionierten Studienrat
Rolf Kahnt, der als Alterspräsident nach der Wahl die Legislaturperiode
eröffnen durfte.
Es sind nicht etwa inhaltliche Gründe, die geltend gemacht werden. Immerhin
hatte Rainer Rahn im Februar nach den rassistisch motivierten Morden von
Hanau allgemeine Empörung ausgelöst, als er Shisha-Bars „störend“ genannt
hatte. Nicht solche Entgleisungen werden gegen ihn und seinen Kollegen ins
Feld geführt. In peinlich geführten Listen über „Fraktionsverfehlungen“
wird den beiden eher vorgehalten, Sitzungen verpasst, parlamentarische
Anfragen eigenmächtig eingereicht und sich bei Abstimmungen nicht an
Vorgaben gehalten zu haben. Notiert wurde offenbar auch, wenn Kollegen das
Gespräch mit der Konkurrenz gesucht hatten.
Mit den internen Vorwürfen konfrontiert, fühlte sich Rahn an Stasi-Methoden
erinnert. Der Ausschluss von zwei Abgeordneten kostet die Partei Geld und
Einfluss, doch die Mehrheit dafür gilt als sicher.
Christoph Schmidt-Lunau
## Niedersachsen: Die Fraktion zerfällt
Die Reaktionen auf den Rückzug ihrer Chefin aus der niedersächsischen
AfD-Fraktion kam schnell. Von der Bundes- bis zur neuen Landesspitze wird
Dana Guths Ausschluss aus der Partei gefordert. Denn dadurch, dass Guth mit
zwei Kollegen in der vergangenen Woche [5][die Landtagsfraktion verlassen
hat], hat die AfD ihren Fraktionsstatus verloren. Das bedeutet weniger
parlamentarische Rechte und weniger Geld – rund 100.000 Euro monatlich.
Alexander Gauland, Fraktionschef im Bundestag und Ehrenvorsitzender der
Partei, kritisierte, dass mit der „sinnlosen Sprengung der Fraktion“ die
AfD „in einem wichtigen Bundesland parlamentarisch [6][quasi
handlungsunfähig]“ geworden sei – auch er forderte Guths Ausschluss.
Ähnlich äußerte sich der neue Landesvorsitzende Jens Kestner über seine
Vorgängerin. In einer Kampfabstimmung hatte sich Kestner, der zum offiziell
aufgelösten „Flügel“ gehörte, vor zwei Wochen gegen Guth, eine
Unterstützerin von Parteichef Jörg Meuthen, durchgesetzt.
Über den Austritt der drei aus der Fraktion wurde schon auf dem Parteitag
spekuliert. Guth hatte allerdings zunächst erklärt, an der Fraktionsspitze
bleiben zu wollen. Doch auch in der Fraktion war sie umstritten, angeblich
hat sie zu wenig politisches Profil entwickelt.
Seit der Gründung der niedersächsischen AfD dominieren
Richtungsstreitigkeiten. Auch deshalb zog die Partei bei der Landtagswahl
2017 mit nur 6,2 Prozent der Stimmen und neun Abgeordneten in den Landtag
ein. Am Mittwoch will der AfD-Bundesvorstand über ein
Parteiordnungsverfahren beraten. Andreas Speit
## Bayern: Eine Fraktion blockiert sich selbst
Bisweilen mag es ja dem lieben Frieden dienlich sein, wenn sich
zerstrittene Kontrahenten gemeinsam in Klausur begeben, um sich in
Abgeschiedenheit so richtig auszusprechen. Nicht so vorvergangene Woche bei
der bayerischen AfD-Fraktion. Die Klausurtagung ließ den tiefen Graben, der
durch die Fraktion geht, einmal mehr vor den Augen der Öffentlichkeit
auseinanderklaffen. Statt ihre Zwistigkeiten beizulegen, gingen die
Abgeordneten vorzeitig auseinander – ein Eklat.
Hintergrund ist der nun schon [7][seit Monaten andauernde Streit] zwischen
dem Fraktionsvorstand um Katrin Ebner-Steiner und Ingo Hahn auf der einen
und der Fraktionsmehrheit auf der anderen Seite. Nachdem zwei Abgeordnete
die Fraktion schon in den ersten Monaten der Legislatur verlassen hatten,
besteht sie nur noch aus 20 Abgeordneten, von denen nur noch acht hinter
dem Vorstand stehen.
Die strammrechte Ebner-Steiner, die bis zu dessen offizieller Auflösung als
Anhängerin des „Flügels“ um den Thüringer Parteifreund Björn Höcke gal…
hatte noch im Mai mit ihrem Ko-Chef Hahn [8][ein Misstrauensvotum nur
deshalb überstanden], da es zur Abwahl des Vorstands einer
Zweidrittelmehrheit bedarf. Dazu fehlten ihren zwölf Gegnern jedoch zwei
Stimmen.
Dabei lässt sich nicht so leicht festmachen, was die beiden Gruppen
überhaupt entzweit. Sie nur in „Extreme“ und „Moderate“ einzuteilen, w…
zu einfach. Vielmehr dürften viele interne und persönliche Motive eine
Rolle spielen. So haben es etliche ihrer Gegner der Niederbayerin
Ebner-Steiner nicht verziehen, dass sie im vergangenen Jahr private E-Mails
der Kollegen veröffentlicht hatte. In Umfragen liegt der zerstrittene
Fraktionshaufen derzeit nur noch zwischen 6 und 7 Prozent. Bei der
bayerischen Landtagswahl hatte die AfD noch 10,2 Prozent der Stimmen
bekommen. Dominik Baur
## Baden-Württemberg: Machtkampf der Bundesspitze
Baden-Württemberg scheint das Schlachtfeld zu werden, auf dem der
Machtkampf zwischen dem Parteichef und der Bundestagsfraktionsvorsitzenden
ausgetragen wird. Schon seit Längerem rangeln Jörg Meuthen und Alice Weidel
um die Vormacht in der Bundespartei, im Landesverband geht es jetzt um
Listenplätze für die Bundestagswahl. Meuthen, ehemaliger Landes- und
Fraktionschef im Stuttgarter Landtag und derzeit Europa-Abgeordneter, hegt
offenbar Ambitionen auf Listenplatz 1. Den aber will auch Weidel.
Im Frühjahr war diese mit nur 54 Prozent der Stimmen zur neuen
Landesvorsitzenden gewählt worden. Sie hatte damit den
Bundestagsabgeordneten Dirk Spaniel, einen Unterstützer des rechtsextremen
„Flügels“, aus dem Feld geschlagen. Meuthen dagegen hat das Problem, dass
ihn der eigene Kreisverband nicht als Delegierten für den Bundesparteitag
aufstellen wollte.
Im Sommer eskalierte dann der Streit über ein Parteiausschlussverfahren
gegen [9][Dubravko Mandic], der Meuthen auf Facebook mit einer
Sargdarstellung verunglimpft und vielleicht auch bedroht hatte. Als Meuthen
sich beim Landesverband nach dem Stand des Verfahrens erkundigte, weigerte
sich dieser, ihm Auskunft zu geben. Meuthen warf dem Vorstand um Weidel
daraufhin vor, eine Entscheidung hinauszuzögern, bis die Landesliste
aufgestellt sei. Denn Weidel sei auf die Stimmen des „Flügels“ angewiesen.
Dessen Einfluss ist im Südwest-Landesverband eher gewachsen. Nach
Austritten gemäßigter Abgeordneter haben die Flügelleute auch in der
Landtagsfraktion das Sagen.
Die Liste von Mandics Entgleisungen würden in normalen Parteien für mehrere
Ausschlussverfahren genügen: Sie reicht von gerichtlich festgestellten
Tätlichkeiten über die Pflege von Naziliedgut bis hin zu rassistischen
Äußerungen gegen Barack Obama.
In einem Gutachten, von dem Meuthen glaubt, dass es Weidel zurückgehalten
habe, heißt es, Mandic sei eine Gefahr für die Partei. Inzwischen hat sich
der Landesverband auf einen lauwarmen Kompromiss verständigt: Der
Freiburger Stadtrat Mandic darf in der Partei bleiben, aber keine Ämter
ausüben. Benno Stieber
28 Sep 2020
## LINKS
[1] /AfD-in-Schleswig-Holstein/!5716664
[2] https://www.welt.de/regionales/hamburg/article216577044/Brodehl-verlaesst-A…
[3] /Sayn-Wittgensteins-AfD-Rausschmiss/!5619071
[4] /Die-AfD-nach-der-Hessen-Wahl/!5546233
[5] /AfD-Fraktion-in-Niedersachsen-zerbricht/!5715456
[6] /Archiv-Suche/!5711724&s=dana+guth&SuchRahmen=Print/
[7] /Streit-bei-der-AfD-in-Bayern/!5688718
[8] /Sturz-von-AfD-Fraktionschefin-gescheitert/!5688994
[9] /Kolumne-Dumme-weisse-Maenner/!5378895
## AUTOREN
Sabine am Orde
Benno Stieber
Andreas Speit
Christoph Schmidt-Lunau
Dominik Baur
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