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# taz.de -- Forscherin über Smart Cities: „Smart Cities verschärfen Klüfte…
> Digitalisierung steigere weder die Lebensqualität in Städten, noch sei
> sie ressourceneffizient, sagt die Grazer Wirtschaftsgeografin Anke
> Strüver.
Bild: Der in Erlangen geplante Siemens Campus
taz: Frau Strüver, ist es schon eine Smart City, wenn Google einen Campus
mit Büros und öffentlichem WLAN plant?
Anke Strüver: Was eine Smart City eigentlich genau ist, weiß niemand so
richtig – nicht einmal die großen Unternehmen, die diese anbieten. Da hat
jeder seine eigene Auslegung: Manchmal sind es bestimmte Infrastrukturen,
die digital gesteuert werden, Stichwort: Verkehrsfluss-Management. Es gibt
aber auch Neubauwohngebiete wie in Wien oder Graz, die zwar ein digitales
Ressourcen-Management haben, aber nicht mit großen Unternehmen kooperieren.
„Smart“ bezieht sich dann darauf, dass diese Orte neu und angesagt sind.
Wenn Google oder Amazon Gebäude in Städten beziehen, dann sehe ich da vor
allem die Niederlassung eines Technologie-Unternehmens. Der schicke Campus
oder die Büros sind dann bloß deshalb im urbanen Raum, weil das Leben dort
hip ist.
Welche Interpretation des Begriffs ist die geläufigste?
In meiner Wahrnehmung wird „smart“ vor allem mit einer digitalisierten
Infrastruktur gleichgesetzt – und zwar mit einer, die nicht in den Händen
der Stadt ist, sondern in den von Unternehmen. Ein häufiges Argument ist,
dass dadurch Ressourcen gespart werden können. Eine Smart City, die
tatsächlich Ressourcen spart, ist mir allerdings nicht bekannt. Allein die
Server, die die Daten verarbeiten, verbrauchen so viel Energie, dass von
Ressourcen-Effizienz und -Reduktion nicht gesprochen werden kann.
Gibt es so etwas wie eine Blaupause für Smart Cities?
Ein Vorbild ist das Modell, das IBM Anfang der 2000er Jahre vorgestellt
hat. Die haben auch den Begriff schützen lassen. Unabhängig davon, wie der
„Smart“-Begriff seitdem ausgelegt wird, muss man zwischen zwei Varianten
unterscheiden: Es gibt zum einen die sogenannten Bestandsstädte, die
bereits existieren und eine digitale Infrastruktur implementieren, zum
anderen solche, die als Smart City entworfen wurden, etwa Songdo in
Südkorea oder Masdar in den Vereinigten Arabischen Emiraten.
Wie lebt es sich in am Reißbrett geplanten Smart Cities?
Es gibt empirische Beobachtungen dazu, dass diese Städte nicht gut bewohnt
sind und die Lebensqualität erschreckend gering ist. In Masdar hat ein
Student von mir gearbeitet und erzählt, dass es die Hölle gewesen sei. In
jedem Gebäude ist alles digital gesteuert, man hat keinen Einfluss auf die
Raumtemperatur oder darauf, ob die Jalousie herunter- oder hochgeht. Für
viele Menschen ist das unattraktiv: Masdar ist nur zu einem Drittel
bewohnt.
Wer sind die Unternehmen hinter den Smart Cities?
Neben IBM ist Hitachi stark vertreten, vor allem in Südamerika. In Europa
und speziell in Deutschland ist Cisco ganz vorne, etwa in Hamburg. Das
Unternehmen will dort unter anderem durch angepasste Ampelschaltungen Staus
zuvorkommen. In Toronto hat der Google-Mutterkonzern Alphabet eine Digital
City geplant, die Pläne sind allerdings geplatzt. Meist handelt es sich
also um etablierte Unternehmen.
Wer sind weitere Akteur:innen beim Entstehen von Smart Cities?
Vor allem die Stadtregierungen, die häufig von den großen Unternehmen
angesprochen werden. Das Betreiben kostet die Stadt zwar Geld, dafür wird
ihr aber die Regelung bestimmter Infrastruktur-Einrichtungen abgenommen.
Das erscheint ihnen attraktiv: Zum einen werden sie einen Teil ihrer
Daseinsvorsorge-Aufgaben los, zum anderen können sie im internationalen
Wettbewerb gut abschneiden. Es gab in den letzten fünf Jahren eine große
Konkurrenz, wer die smarteste Stadt ist. Auch Forschungseinrichtungen sind
wichtige Akteure. Die meisten europäischen Einrichtungen sind von
EU-Geldern abhängig, die ausgeschriebenen Forschungsschwerpunkte „Digitale
Infrastruktur“ und „Digitale Städte“ seit fünf Jahren ein Dauerbrenner.
Wenn man eine EU-Förderung hat, ist das also keine unabhängige
Grundlagenforschung. Da werden automatisch die positiven Effekte
hervorgehoben.
Gibt es da eine besonders starke Verflechtung von Politik und Wirtschaft?
Sogenannte Public-Private-Partnerships gab es auch schon vor den Smart
Cities. Da ging es aber um ein bestimmtes Problem in einem Viertel oder um
Grünraumgestaltung. Die Bindung an eine Firma wie IBM oder Cisco ist ein
neueres Phänomen. Smart Cities spiegeln den Trend wider, dass öffentliche
Versorgung immer weniger von der Stadt gewährleistet werden kann und will.
Ihr Ansatz ist, „smart“ im Sinne der Bewohner*innen zu interpretieren.
„Smart“ heißt eigentlich schlau – eine Smart City ist also eine schlaue
Stadt, die gut funktioniert und Urbanität als zwischenmenschliche
Lebensqualität versteht – und nicht als etwas digital Gesteuertes.
Meint Ihr Konzept noch etwas anderes als das von vielen Initiativen
geforderte „Recht auf Stadt“?
So wie ich mir das vorstelle, ist „smart“ eng am Recht-auf-Stadt-Begriff:
ein Recht auf die Qualitäten des dichten Zusammenlebens im urbanen Raum,
der viele Möglichkeiten bietet. Da schwingt auch mit, dass alle das gleiche
Recht darauf haben, in bestimmten Stadtteilen zu leben. Das ist etwas, das
Smart Cities gar nicht mehr praktizieren. Sie verschärfen digitale Klüfte,
indem einige Stadtteile eine bessere Infrastruktur haben, sodass andere
Bewohner*innen abgehängt sind.
Treibt Corona die Digitalisierung und damit den Smart-City-Trend voran?
Die Pandemie hat die Digitalisierung auf jeden Fall selbstverständlicher
gemacht. Lieferdienste haben enorm an Bedeutung gewonnen. Wir alle haben
schon einmal eine Pizza digital bestellt. Das ist nicht so abstrakt wie
eine Verkehrssteuerung, die die Stadt an ein Unternehmen abgibt.
13 Sep 2020
## AUTOREN
Jannis Hartmann
## TAGS
Smart City
Digitalisierung
Siemens
Stadtplanung
Lieferdienste
Wlan
Amazon
Digitalisierung
Schwerpunkt Rot-Rot-Grün in Berlin
Digitalisierung
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