# taz.de -- Prozess gegen Ex-Audiboss Stadler: Audi-Chef im Gefängnis | |
> Ausgerechnet in der JVA Stadelheim wird der erste Strafprozess im | |
> Dieselskandal eröffnet – wegen Corona. Ex-Autoboss Stadler kommt nicht | |
> als Häftling. | |
Bild: Rupert Stadler bei der Hauptversammlung der Audi AG 2017 | |
München taz | Es beginnt schon gleich symbolisch: Rupert Stadler muss ins | |
Gefängnis. Das liegt allerdings nur daran, dass das Münchner Landgericht | |
das Verfahren gegen den früheren Audi-Chef in den neuen Sitzungssaal der | |
Haftanstalt Stadelheim verlegt hat. Er ist der größte – und reicht dennoch | |
nicht annähernd aus. 280 Journalisten haben sich für das Spektakel | |
akkreditiert, gerade mal 10 Plätze gibt es für sie wegen Corona im Saal. | |
An diesem Mittwoch wird Stadler wegen des vor fast genau fünf Jahren publik | |
gewordenen Dieselskandals der Prozess gemacht. Mit einem schnellen Urteil | |
ist – wie bei Wirtschaftsprozessen dieser Größenordnung üblich – freilich | |
nicht zu rechnen. Die Kammer hat 176 Sitzungstermine anberaumt, der letzte | |
davon ist der 20. Dezember 2022. | |
Mit angeklagt im ersten deutschen Strafprozess in der Diesel-Causa sind der | |
frühere Porsche-Vorstand Wolfgang Hatz und zwei Ingenieure. Die Vorwürfe | |
haben es in sich: Die Anklageschrift umfasst 92 Seiten, am ersten | |
Verfahrenstag wird sie verlesen, 5 bis 6 Stunden lang. | |
Der 57-jährige Stadler, der Audi fast zwölf Jahre lang leitete, ist zwar | |
der prominenteste der Angeklagten, aber die Vorwürfe gegen ihn wirken im | |
Vergleich nahezu harmlos. So soll er für einen Schaden von gerade mal 27,5 | |
Millionen Euro verantwortlich sein, weil er zwar von der Abgas-Manipulation | |
erfahren, den Verkauf der Diesel aber nicht sofort gestoppt habe. 120.398 | |
Autos hätten so noch einen Käufer gefunden. | |
## Keimzelle von Dieselgate | |
Die Geschichte des Betrugs geht weit zurück, Audi war wohl die Keimzelle | |
von Dieselgate. Schon vor zwanzig Jahren stellten Audi-Ingenieure | |
Überlegungen an, wie bei Abgastests bessere Ergebnisse erreicht werden | |
könnten, ohne dass die Abgase tatsächlich schadstoffärmer sind. | |
Der Trick: eine Software, die erkennt, wenn das Lenkrad – wie auf dem | |
Prüfstand – nicht bewegt wird, und nur dann den Stickoxid-Ausstoß drosselt. | |
Auf der Straße kamen die Abgase weitgehend ungefiltert in die Luft. Für das | |
„Abgasreinigungsmittel“ namens AdBlue reichte nun ein kleinerer Tank, der | |
bei Wartungsterminen nachgefüllt werden konnte. | |
Stadler soll spätestens Ende September 2015 von den folgenreichen | |
Tricksereien erfahren haben, aber nicht eingeschritten sein, sondern den | |
Verkauf der Fahrzeuge weiterbetrieben haben. Für die Anklage ein schwerer | |
gewerbsmäßiger Betrug. Bei einer Verurteilung reicht das Strafmaß bis zu | |
einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren. | |
Stadler bestreitet die Vorwürfe, wie auch Ex-Porsche-Vorstand Hatz. Er soll | |
einst als Chef der Motorenentwicklung bei Audi große 3-Liter-Motoren mit | |
der illegalen Abschaltfunktion entwickelt haben, die dann in 434.000 Audis, | |
Porsches und VWs eingebaut wurden. Die angeklagten Ingenieure sind | |
weitgehend beziehungsweise voll geständig – und belasten ihre damaligen | |
Chefs. | |
## Giovanno P. will „umfassend aussagen“ | |
Walter Lechner, der den Motorenentwickler Giovanni P. verteidigt, kündigte | |
bereits an, „umfassend auszusagen“. Lechner sieht ihn als Erfolgsgehilfen | |
der Audi-Granden: „P. hat getan, was von oben abgesegnet und angewiesen | |
wurde.“ | |
Das Münchner Verfahren ist eines von vielen, das den Dieselskandal | |
juristisch aufarbeitet. In den USA wurden bereits zwei VW-Mitarbeiter zu | |
mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. In Braunschweig hat das Landgericht | |
jetzt die Anklage gegen Martin Winterkorn zugelassen. | |
Winterkorn war Stadlers Vorgänger bei Audi, dann viele Jahre Chef beim | |
Mutterkonzern VW. In München wurden zuletzt auch noch vier weitere | |
Audi-Manager angeklagt. | |
Das Leben hinter Gittern ist Rupert Stadler nicht mehr ganz fremd. Den | |
Sommer 2018 verbrachte der Manager bereits in Untersuchungshaft – damals | |
noch als amtierender Vorstandschef. In einem abgehörten Telefonat soll er | |
damals die Ermittlungen zu beeinflussen versucht haben. Insgesamt vier | |
Monate dauerte die Haft. Sein Posten wurde Stadler in dieser Zeit ebenfalls | |
los. | |
30 Sep 2020 | |
## AUTOREN | |
Dominik Baur | |
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