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# taz.de -- Studie über Talkshow-Gäste: Immer dieselben
> In Talkshows sitzen zu viele Menschen aus der Politik und zu wenig aus
> der Zivilgesellschaft. So funktionieren keine konstruktiven Debatten.
Bild: Von den Fehlern der anderen gelernt: Jo Schück und Salwa Houmsi mit dem …
Sie sind die „Big 4“ der deutschen Talkshow-Landschaft: Anne Will, „Hart
aber fair“, Maischberger und Maybrit Illner. 1,2 bis 3,3 Millionen
Zuschauer*innen erreichten sie 2019 jeweils im Schnitt. Lässt man den
Anstieg der Konsument*innen in der Coronapandemie außer Acht, sinkt die
Nachfrage jedoch seit Jahren.
Ihren Namen verdanken die Big 4 Paulina Fröhlich und Johannes Hillje, den
Autor*innen der [1][Studie „Die Talkshow-Gesellschaft“] vom Berliner
Thinktank „Das progressive Zentrum“. Drei Jahre lang untersuchten sie 1.208
Sendungen. Das Ergebnis: Talkshows repräsentieren unsere Gesellschaft nicht
realitätsgetreu. In Bezug auf Geschlecht und Herkunft ohnehin nicht, wie
man dank anderer Studien längst weiß. Aber auch in Bezug auf die
verschiedenen gesellschaftlichen Kräfte und politischen Ebenen nicht.
Nach dem Brand in Moria [2][diskutierten bei Anne Will] zwar neben je zwei
Politiker*innen und Journalist*innen auch Marie von Manteuffel von Ärzte
ohne Grenzen und Forscher Gerald Knaus über Europas gescheiterte
Migrationspolitik. Die Kritik, die Hillje sonst an den Mainstreamformaten
übt, treffe hier ein Stück weit nicht zu, sagt der Politik- und
Kommunikationsberater. „Mit Ärzte ohne Grenzen ist in dieser Einzelsendung
die organisierte Zivilgesellschaft vertreten.“
Eine Seltenheit. Denn zwei Drittel aller Gäste kommen aus Politik und
Medien. Und gut zwei Drittel dieser Politiker*innen agieren auf
Bundesebene – Kommunal- und Europapolitik sind damit deutlich
unterrepräsentiert. „Das wird nicht der politischen Realität gerecht, wenn
man bedenkt, dass über die Hälfte der Gesetzesinitiativen aus Brüssel
kommen“, sagt Hillje.
## Gäste aus Wirtschaft sprechen für Unternehmen
Wenn Gäste aus der Wirtschaft kommen, sprechen acht von zehn von ihnen für
die Unternehmensseite; die Positionen von Verbraucherschutz und
Gewerkschaften sind selten vertreten. Dabei vertraut die Gesellschaft
gerade ihnen, so Hillje. Genau wie NGOs. Doch wenn die organisierte
Zivilgesellschaft mal eingeladen ist – sie stellen nur knapp 3 Prozent –,
reden überwiegend Aktivist*innen.
Anne Wills Sprecherin weist darauf hin, dass die untersuchten Formate
inhaltlich verschieden ausgerichtet sind. „Wir möchten explizit politische
Entscheiderinnen und Entscheider miteinander in ein öffentliches Gespräch
bringen.“
„Wir glauben, dass an der Lösung der diskutierten Probleme nicht nur
Politiker arbeiten“, sagt dagegen Autor Hillje. Außerdem seien die
vertretenen Akteure nicht vorrangig lösungsorientiert: „Politiker sind da,
um ihre Botschaften zu setzen, und Journalisten beobachten.“ Jene, die
fachlich an Lösungen arbeiten – Gewerkschaften, Wissenschaft, NGOs –,
könnten eine konstruktivere Perspektive mitbringen. Aktuell, so glaubt
Hillje, wirke am Ende einer Sendung die Lage für viele eher aussichtslos
als hoffnungsvoll.
Auf die von Frank Plasberg moderierte Sendung „Hart aber fair“ treffen die
Zahlen nicht ganz zu: Politik und Journalismus stellen hier gut die Hälfte
der Gäste, betont man auf Nachfrage. „Wir bilden ein sehr breites
gesellschaftliches Spektrum ab.“ Eine Herausforderung sehen die
Redaktionen von „Hart aber fair“ und auch Maischberger aber: „In vielen
Bereichen sind bestimmte Positionen selbst nicht so divers besetzt, wie es
wünschenswert wäre.“ Und das könnten Polit-Talks nicht alleine lösen.
Hier geht es eher um Diversität in Bezug auf persönliche Merkmale – nicht
Kern der Studie, aber ebenso problematisch. Um den Mainstream in beiderlei
Hinsicht zu durchbrechen, braucht es daher auch auf anderen
gesellschaftlichen Ebenen einen Wandel. Und neue Talkformate.
Wie den [3][„Karakaya Talk“ von Funk], der im Herbst 2019 – kurz nachdem
die Big 4 den [4][Negativpreis „Goldene Kartoffel“] abgestaubt hatten –
gestartet war und nach einer Staffel wieder abgesetzt wurde. Oder wie
[5][„13 Fragen“] von ZDF-Kultur, das letzten Dienstag anlief. „Politiker
wird man bei uns weniger sehen“, heißt es aus der Redaktion; „Frauen und
People of Color aber möglichst oft.“ Neue Folgen gibt es wöchentlich bei
Youtube, wie auch schon den Karakaya Talk. Hillje bedauert die
Fernseh-Monokultur: „Es braucht nicht nur Gäste-, sondern auch
Formatvielfalt.“ Das Konzept von 13 Fragen scheine aber aus den Mängeln der
etablierten Shows gelernt zu haben.
22 Sep 2020
## LINKS
[1] https://www.progressives-zentrum.org/wp-content/uploads/2020/09/Studie_Die-…
[2] https://daserste.ndr.de/annewill/Europas-gescheiterte-Migrationspolitik-wel…
[3] /Neues-Talkshowformat-bei-funk/!5643445
[4] /Preis-fuer-diskriminierenden-Journalismus/!5637204
[5] https://www.zdf.de/kultur/13-fragen
## AUTOREN
Alina Götz
## TAGS
ZDF
ARD
Migration
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Identitätspolitik
Feminismus
WDR
Lesestück Recherche und Reportage
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