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# taz.de -- WDR-Talkshow „Die Letzte Instanz“: Das war kein Unfall
> Nach einer misslungenen Talkrunde über Rassismus versprechen alle
> Beteiligten Besserung. Aber bei den Öffentlich-Rechtlichen besteht wenig
> Hoffnung.
Bild: Der Talk „Die Letzte Instanz“ am Freitag im WDR mit Steffen Hallaschk…
Es lohnt sich, die Fernsehshow, über die am Wochenende so viel geschimpft
und getwittert wurde, komplett anzusehen. „Die letzte Instanz“ steht in der
[1][WDR]-Mediathek unter „Unterhaltung“ und zeigt, [2][was sich der Sender
im Jahr 2021 unter einer Debatte vorstellt]: eine Talkshow mit vier Gästen,
in der „kontroverse Themen unterhaltsam diskutiert werden“. Das
„kontroverse“ Thema, das am Freitag diskutiert wurde, war Rassismus. Die
Sendung lief bereits Ende November und wurde jetzt wiederholt. Es ging
unter anderem darum, ob es nicht übertrieben sei, die Tomatensauce, die
früher „Z*-Sauce“ hieß, heute anders zu nennen, weil das Wort Z*
diffamierend ist.
Es diskutierten Thomas Gottschalk, der Moderator Micky Beisenherz, die
Moderatorin Janine Kunze und der Ex-Big Brother-Proll Jürgen Milski. Vier
weiße Menschen also, deren Erfahrung mit Rassismus darin besteht, dass sie
„Leute kennen“, die nicht weiß sind. Oder darin, dass sie sich, wie Thomas
Gottschalk, für eine Party einmal als Jimi Hendrix verkleidet haben und
dann der einzige schwarz Angemalte unter Weißen waren.
In munterer Einstimmigkeit schaukelten sich die vier Gäste hoch: Der
[3][Zentralrat der Sinti und Roma]? „Haha“, „jaja“. Leute, die sich um …
sensiblere Sprache bemühen? „Verlogene Trottel“. Der Tenor: Macht euch mal
locker, Leute. Nervt uns nicht mit eurer Sprachverhunzung.
So ging das eine Viertelstunde lang. Am Ende waren sie sich einig: Z*Sauce
wird man ja wohl noch sagen dürfen. 84 Prozent der Zuschauer:innen
votierten ebenfalls dafür.
## Angst zu überfordern
Es folgt die große Aufregung im Internet und als dritter Akt – wir kennen
ihn bereits aus diesen Debatten – die Entschuldigung der Beteiligten.
Großes Bedauern beim WDR, bei Micky Beisenherz und Janine Kunze. Man habe
gelernt und werde es künftig besser machen.
Das Problem ist nur: Die Sendung war kein Unfall. Sie hat einmal wieder
gezeigt, wie sich mit billigen Klischees und dümmlichen Witzen Quote machen
lässt. Aber ist es Aufgabe der Öffentlich-Rechtlichen, das abzubilden?
Der WDR, das ist der Sender bei dem sie gerade dabei sind, die tägliche
Literaturkritik im Radio so umzubauen, dass [4][die Mitarbeiter:innen
es als eine Abschaffung wahrnehmen]. Der Programmchef von WDR 3 nennt es
eine „[5][Öffnung von Literatur für verschiedene Formen der Darstellung]“.
So ähnlich argumentierten auch der Hessische und der [6][Norddeutsche
Rundfunk] zuletzt, als sie an ihrer Kultur- und Literaturberichterstattung
geschraubt haben.
Was in diesen als „Modernisierung“ gekennzeichneten Umbauten oft
mitschwingt, ist die Angst der Sender, ihr Publikum zu überfordern. Zu
langweilen mit zu viel Anspruch und abzuschrecken mit einer
Berichterstattung aus dem vermeintlichen Elfenbeinturm.
## Man kann mehr verlangen
Vielleicht rührt diese Angst daher, dass selbst hohe Politiker [7][das
Zerrbild der abgehobenen, dauer-gendernden Öffentlich-Rechtlichen] vor sich
hertragen. Aus dieser Angst heraus versuchen Redaktionen krampfhaft, sich
an jenes Milieu anzubiedern, was sie am meisten infrage stellt. Lieber von
Twitter gehasst als von den Stammtischen verschmäht. Das zeigt sich im
Fernsehen noch stärker als im Radio. Was dabei herauskommt, ist ein
klebriger Unterhaltungsbrei aus Dauerspielshows, seichten
Freitagabend-Komödien und Talkshows wie „Die letzte Instanz“. Oder eben die
nächste, in der Rassismus einfach mal, ups, wieder durchgerutscht ist.
Mehr [8][Diversität] könnte den Sendern helfen, sagen jetzt einige. Und es
stimmt ja: Schaut man sich die Gremien an, die für das Programm des WDR
(und vieler anderer Sender) verantwortlich sind, sieht man da sehr viele
sehr weiße Gesichter. Aber diversere Redaktionen allein werden nicht
helfen. Es ist ziemlich viel verlangt von der einen Kollegin mit
Migrationsgeschichte, die Rassismus-Warnampel für die gesamte Redaktion zu
sein.
Und es ist ziemlich wenig verlangt von all den anderen Kolleg:innen ohne
Migrationserfahrung, gar keine Rassismus-Warnampel in sich zu tragen. Kein
Gespür also dafür zu haben, wen man einlädt, um über Rassismus und Sprache
zu diskutieren. Denn natürlich kann und soll der Öffentlich-Rechtliche
darüber sprechen – aber dann doch bitte so, dass es dem Heute gerecht wird
und den vielen eloquenten Sichtweisen auf das Thema.
Der WDR hatte übrigens mal eine Sendung, in der klug und witzig über
Identität, Rassismus und Sprache gesprochen wurde. Sie hieß „[9][Karakaya
Talk]“ und lief im Internet. Bis sie nach der ersten Staffel abgesetzt
wurde.
1 Feb 2021
## LINKS
[1] /WDR/!t5007695
[2] https://www1.wdr.de/unterhaltung/show-und-talk/die-letzte-instanz-mit-steff…
[3] /Aktivist-ueber-deutschen-Antiziganismus/!5713894
[4] https://www.sueddeutsche.de/kultur/wdr-streichungen-kulturauftrag-literatur…
[5] https://www1.wdr.de/unternehmen/der-wdr/unternehmen/wdrdrei-interview-kremi…
[6] /!5685757/
[7] /Regierungskrise-in-Sachsen-Anhalt/!5736690
[8] /Kommentar-Diversity-in-den-Medien/!5583844
[9] /Neues-Talkshowformat-bei-funk/!5643445
## AUTOREN
Anne Fromm
## TAGS
WDR
Schwerpunkt Rassismus
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