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# taz.de -- Debatte um Literaturkritik im Radio: Kampf um Literaturkritik am Mo…
> Über die Streichung von Literaturformaten im Radio wurde im Literaturhaus
> Köln gestritten. Dabei nervte die Arroganz, das Publikum zu
> unterschätzen.
Bild: Buchrezensionen für die Ohren: Immer mehr Literaturformate werden im Run…
Bubble, Content, Learning: Obwohl es in der [1][Debatte um die Streichung
von Literaturkritik im WDR] angeblich nicht ums Sparen geht, ist der
Marketing-Sprech dominant. Gegen den Wegfall der täglichen Literaturkritik
im WDR-Magazin „Mosaik“ hatten etliche Kulturleute in einem offenen Brief
an den Sender protestiert. Laut Petitionsinitiatorin Insa Wilke ist bei
vielen der Punkt erreicht, wo man sage, „das reicht jetzt“, so die
Literaturkritikerin bei einer Diskussion im Literaturhaus Köln. „Die Räume
werden enger, in denen man über Literatur ernsthaft sprechen kann.“
Es gebe einen regelrechten Trend, dass Literaturformate im Rundfunk
gestrichen werden, bestätigt Kiepenheuer-&-Witsch-Verlegerin Kerstin Gleba.
Dabei bräuchten Bücher eine Öffentlichkeit, in der sie wirken können.
Volker Schaeffer, [2][Leiter der aktuellen Kultur beim WDR], fühlt sich
missverstanden. Es gehe nicht um Kürzung, sondern Veränderung. „Wir müssen
digitaler werden“, so sein Credo. Was gegen das Hochladen von
Radiobeiträgen nach der Ausstrahlung in eine gut sortierte Mediathek nach
DLF-Vorbild spricht, sagt er nicht. Aber: Was online funktioniere, könne ja
ins lineare Radioprogramm rückgeführt werden.
## Das Begleitmedium
Der Hessische Runkfunk (hr) soll hier als Beispiel für die Umstrukturierung
eines öffentlich-rechtlichen Senders fungieren. Alf Mentzer, der die Kultur
beim hr verantwortet, spricht sich für Massenwirkung aus: Der Auftrag der
Öffentlich-Rechtlichen sei es, den größtmöglichen Teil der Bevölkerung zu
erreichen. Und Radio sei heute eben ein Begleitmedium, dem niemand mehr „in
Pfötchenstellung“ zuhöre, sagt Schaeffer. Die Zuschauer:innen im Chat
sind unterdessen erbost. Diese Arroganz, das Publikum ständig zu
unterschätzen, nerve.
Das Morgenmagazin „Mosaik“ bei WDR 3 zielt mit etwa 15.000
Zuhörer:innen auf eine in der Tat geringe Hörerschaft. Doch wie weit
müssen sich die Öffentlich-Rechtlichen den Interessen des Marktes
unterwerfen? Wilke hat bereits in ihrem Essay in der Zeit für die Beachtung
von intellektuellen Minderheiten plädiert. Es gehe bei Literaturkritiken
nicht nur um die verhandelten Gegenstände, sondern auch darum, wie
literarische Sprache funktioniert.
Aufgabe einer Kultursendung sei es, Denkanstöße zu geben und nicht nur
abzubilden, was Hörer:innen angeblich hören wollen. Sie kritisiert auch
die vage Sprache der Reform und will genau wissen: „Wie ist der Plan?“
## Maximal unkonkret
Dieser Plan werde gemeinsam entwickelt, verspricht Schaeffer, und auch
Mentzer weiß maximal unkonkret: Der Plan sei ein Prozess. Inhalte scheinen
in diesem Prozess erst mal zweitrangig zu sein, der Fokus liegt auf der
Digitalisierung. Studierende besäßen heute kein Radio- oder Fernsehgerät
mehr. Man müsse schauen, wie man jüngere Gruppen erreiche, sagt Mentzer.
„Es hilft nichts, wenn ein Literaturwissenschaftler den Hip-Hop mit
Heidegger erklärt.“
Was stattdessen helfen würde, ist allerdings auch nicht klar, denn die
jüngere Hörerschaft, die man ansprechen will, ist auf dem Podium, wie zu
erwarten, nicht vertreten. Wie so oft wird die Verjüngung von medialen
Formaten vorgebracht von jenen, die ihre Medienkompetenz überhaupt erst
durch jüngere Kolleg:innen erlernten.
Die Öffentlich-Rechtlichen müssen digitaler und, ja, auch jünger, werden,
das wird niemand ernstlich bestreiten. Das Durchschnittsalter der
Hörer:innen von WDR 3 liegt bei 58 Jahren. Dass man Jüngere mit der
Literaturkritik im „Mosaik“-Magazin nicht erreicht, könnte aber ganz
praktische Gründe haben: Um 6.45 Uhr sind diese Studierenden ohne
Radiogerät ohnehin eher selten wach.
25 Feb 2021
## LINKS
[1] /Renaissance-der-Rezension/!5747665
[2] /Musik-und-Literatur-im-Radio/!5745254
## AUTOREN
Julia Hubernagel
## TAGS
Literatur
Literaturkritik
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