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# taz.de -- Vergabe der Nobelpreise: Ein Preis für manche
> Immer noch bekommen vor allem alte weiße Männer Nobelpreise. Die Gründe,
> warum wenig Frauen und auch BPoC ausgezeichnet werden, sind fragwürdig.
Bild: Große Freude: Die Journalistin Maria Ressa ist dieses Jahr die einzige w…
Selten bekommt die Wissenschaft so viel Aufmerksamkeit wie zur Zeit der
Bekanntgabe der Nobelpreisträger:innen. Dieses Jahr haben drei linke
Ökonomen den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften bekommen. Dabei ist
David Card, der ausrechnete, dass der Anstieg des Mindestlohns nicht dazu
führen wird, dass Menschen ihre Jobs verlieren. Das ist gut, vor allem für
strukturell Benachteiligte: Also vor allem für FLINTA und BPoC, die
besonders oft in prekären Beschäftigungen leben und vom Mindestlohn
profitieren können. Bekannt ist Card auch mit einer Studie geworden, die an
empirischen Daten belegt, dass Migration das Lohnlevel nicht spürbar
verändert.
Die Bedeutung, die diese Studien haben, wurde zu Recht gewürdigt, weil sie
diejenigen bestärken, die viel zu oft in gesellschaftlichen Debatten
herabgewürdigt werden. Dennoch ist mit deren Bekanntgabe klar: Dieses Jahr
gingen die Nobelpreise mal wieder vor allem an alte weiße Männer. Anders
gesagt: Diejenigen, die sowieso schon das meiste Geld und die meiste Macht
haben (weiße Männer), bekommen einfach stetig noch mehr Geld und
Anerkennung. Eine einzige Frau ist dieses Jahr dabei: Maria Ressa, die für
ihre journalistische Arbeit auf den Philippinen für ihren Beitrag zu
Meinungsfreiheit und Demokratie gewürdigt wird.
Dass so wenige Frauen Nobelpreise bekommen, mache Göran K. Hansson traurig.
Das sagte der Generalsekretär der Königlich Schwedischen Akademie der
Wissenschaften in einem Statement für die Nachrichtenagentur AFP am Montag.
Die Vergabe spiegle wider, wie ungerecht die Bedingungen in der
Gesellschaft sind – dagegen gebe es noch viel zu tun. „Bei den Nobelpreisen
soll es allerdings um die wichtigsten Entdeckungen gehen und nicht um
Gender oder Ethnicity.“
Was ist denn die wichtigste wissenschaftliche Erkenntnis? Nicht jede:r
darf Nopelpreisträger:innen nominieren. Das dürfen frühere
Preisträger:innen (vor allem weiße Männer), Mitglieder nationaler
Parlamente (vor allem weiße Männer) und je nach Preis bestimmte
Wissenschaftler:innen und Mitglieder bestimmter Komitees.
## Nur 58 Frauen ausgezeichnet
Auch deshalb fordert Susan Perkin, Professorin für physikalische Chemie an
der Universität Oxford in der New York Times: „Ich würde sagen, dass die
viel wichtigere Frage, die wir uns wirklich anschauen sollten, darin
besteht, wer im Raum diese Entscheidungen trifft und wie das
Nominierungskomitee zusammengesetzt ist.“
Die Kritik ist nicht neu, aber eingegangen wird darauf auch nicht so recht,
wenn man bedenkt, dass die Preise bislang an 866 Männer gingen und 58
Frauen. Die Auswahl der Preisträger:innen verläuft geheim: Mehr
Transparenz würde auf jeden Fall dafür sorgen, dass die Auswahl besser
nachvollzogen werden kann.
Hansson begründet seine Haltung mit der Formulierung von Alfred Nobels
Testament. Darin steht: „Es ist mein ausdrücklicher Wille, dass bei der
Preisverteilung keinerlei Rücksicht auf die Nationalität genommen werden
darf, so dass nur der Würdigste den Preis erhält, ob er nun Skandinavier
ist oder nicht …“ Besonders oft kritisiert wurde in der Vergangenheit
jedoch, dass die Preise häufig an US-Amerikaner:innen verliehen werden. Die
Nationalität scheint also doch eine Rolle zu spielen. Gefährlich ist das
Argument auch, weil es Nationalität und Ethnicity vermischt.
Ein weiteres Problem, das schon oft diskutiert wurde, ist die Frage nach
der Anzahl der Preisträger:innen. Es können nur drei Menschen den
Nobelpreis bekommen, doch oft steckt hinter einem wissenschaftlichen
Projekt ein Team, das aus mehr als drei Leuten besteht.
## Anerkennung sieht anders aus
Das bekannteste Beispiel dafür ist vielleicht der Nobelpreis für Medizin
von 1962: An der Entschlüsselung der DNA-Struktur waren vier Menschen
beteiligt, drei Männer bekamen den Preis, die Frau – Rosalind Franklin –
ging leer aus. Zwar starb Franklin vier Jahre zuvor, doch zwei Männer, die
später mit dem Preis geehrt wurden, bedienten sich an Franklins
Forschungsergebnissen ohne deren Zustimmung. Anerkennung sieht anders aus.
Ein weiterer Vorschlag, der schon an Hansson herangetragen wurde, ist, ein
Jahr lang nur Preise an Frauen zu verleihen. Das lehnt er ab, weil er
befürchtet, dass dann die Annahme herrsche, sie würden die Preise nur
bekommen, weil sie Frauen seien und nicht die besten Wissenschaftler:innen.
Das unterschlägt, dass dieses Argument sowieso gemacht wird, wenn
Nobelpreise an strukturell benachteiligte Personen verliehen werden.
Gesehen hat man das am Nobelpreis für Literatur, der 2019 an Peter Handke
verliehen wurde, trotz großer Kritik an seiner politischen Ausrichtung.
Argumentiert wurde, es ginge um die Poesie seiner Literatur. Dieses Jahr
ging der Preis an Abdulrazak Gurnah, und beispielsweise die [1][Süddeutsche
schreibt, es sei eine politische Entscheidung]. Offensichtlicher könnte der
Doppelstandard kaum sein.
Denn es gibt sie zuhauf, die BPoC und [2][FLINTA] in Literatur, Physik und
den Wirtschaftswissenschaften. Sandy Robert, Geschäftsführerin der
Association for Women in Science, betonte in einer Pressemitteilung: „Wir
ermutigen die Preisausschüsse, sich stärker zu bemühen, unterrepräsentierte
Wissenschaftler:innen zu identifizieren und mehr über ihre Arbeit zu
erfahren.“
13 Oct 2021
## LINKS
[1] https://www.sueddeutsche.de/kultur/literatur-nobelpreis-abdulrazak-gurnah-1…
[2] https://frauenseiten.bremen.de/blog/was-ist-eigentlich-flinta/
## AUTOREN
Nicole Opitz
## TAGS
Feminismus
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Friedensnobelpreis
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