| # taz.de -- Initiative möchte Volksbegehren: Geld für alle für nix | |
| > Eine Initiative will eine Grundeinkommens-Studie in Bremen mit 700 | |
| > Teilnehmenden durchsetzen. Momentan sammelt sie Unterschriften. | |
| Bild: Früher hieß Grundeinkommen Sterntaler und war ein Märchen | |
| BREMEN taz | Geld vom Staat, einfach dafür, dass man existiert – „Es ist | |
| die Bedingungslosigkeit, die mich am Grundeinkommen reizt“, sagt Ursula | |
| Heiligenberg. Seit gut drei Wochen engagiert sich Heiligenberg dafür, dass | |
| das Grundeinkommen in Bremen getestet wird, drei Jahre lang, | |
| wissenschaftlich begleitet und vom Land finanziert. | |
| Immer wieder laufen sie und ihre Mitstreiter*innen derzeit mit Listen durch | |
| Bremen, sie sammeln Unterschriften vor Einkaufszentren und auf | |
| Wochenmärkten, an Bahnhaltestellen und beim Warten vor der Fähre. Damit ein | |
| Volksbegehren zugelassen wird, brauchen sie in einem ersten Schritt 5.000 | |
| Unterschriften. | |
| Die Hitze Anfang August und der Regen danach, nicht zuletzt auch | |
| Hygienevorschriften und mangelnde Menschenmassen aufgrund von Corona haben | |
| ihnen das Leben schwer gemacht. Dennoch: Die ersten 1.500 Unterschriften | |
| sind seit vergangener Woche beisammen. | |
| ## Bisher eher zweifelhafte Empirie | |
| Getestet wurden Grundeinkommen schon einige Male. [1][Bekannt geworden ist | |
| eine Studie aus Finnland], doch die hatte methodische Mängel: Teilnehmende | |
| waren ausschließlich Langzeitarbeitslose, viele von ihnen waren zusätzlich | |
| weiterhin auf Sozialhilfe und die dazugehörige Bürokratie angewiesen, und | |
| dann wurde das Experiment auch noch vorzeitig von der Regierung beendet. | |
| Einschränkungen, die in der geplanten Studie nicht wiederholt werden | |
| sollen. Die Teilnehmenden sollen die Gesamtheit der Bevölkerung spiegeln. | |
| Untersucht werden soll, so heißt es im Gesetzesentwurf zum Volksbegehren, | |
| wie und ob sich das Verhalten ändert, ob sich das Grundeinkommen auf | |
| Gesundheit und Lebenszufriedenheit auswirkt, wie sich die wirtschaftliche | |
| Lage und nicht zuletzt auch das bürgerschaftliche Engagement entwickelt. | |
| Verwandt, aber nicht zu verwechseln, ist die [2][„Expedition | |
| Grundeinkommen]“ mit dem [3][„Pilotprojekt Grundeinkommen]“. Letzteres | |
| hatte Mitte August für Schlagzeilen gesorgt, als sich binnen drei Tagen | |
| mehr als eine Million Menschen auf die [4][Grundeinkommensplätze in einer | |
| Pilotstudie] beworben hatten. Im „Pilotprojekt“ geht es allerdings nur um | |
| 120 Grundeinkommensplätze bundesweit, bezahlt durch Spenden. In Bremen | |
| allein sollen dagegen 700 Plätze vergeben werden – steuerfinanziert. | |
| Das „Pilotprojekt“ wurde von dem Verein „Mein Grundeinkommen“ gemeinsam… | |
| dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung gestartet. Die „Expedition | |
| Grundeinkommen“ hat ihre Wurzeln mittelbar ebenfalls bei „Mein | |
| Grundeinkommen“: Die Initiator*in des Volksbegehrens, Joy Ponader, gehörte | |
| früher zu den Gründer*innen von „Mein Grundeinkommen“. | |
| Dass gerade beide Forschungsvorhaben zeitgleich durch die Medien gehen, | |
| führe manchmal zu Verwirrung, so Heiligenberg. „Aber insgesamt ist es ein | |
| Vorteil, weil das Thema überhaupt diskutiert wird.“ Sie selbst sammelt oft | |
| im Viertel – die Menschen dort wüssten meist, worum es beim Grundeinkommen | |
| gehe. | |
| Das ist nicht überall so. „In Walle waren die Reaktionen komplett anders“, | |
| erzählt Heiligenberg. Zwar habe sie weniger Zustimmung bekommen, „aber die | |
| Gespräche waren sehr gut, es wurde viel mehr geredet, viel mehr gefragt.“ | |
| Gerade viele ältere Frauen hätten unterschrieben – sie selbst, so der | |
| Tenor, hätten es ja noch gut mit ihrer Rente, für jüngere Menschen aber | |
| werde es schwerer. | |
| ## Global gedacht – lokal gemacht | |
| Die Unterschriftensammlungen für Volksbegehren wurden aus Berlin heraus in | |
| mehreren Bundesländern gestartet. Die „Expedition Grundeinkommen“ ist gut | |
| organisiert, zentrale Anlaufstelle ist die [5][professionell gestaltete | |
| Webseite]. Im Gegenzug fehlt ihr der Graswurzelcharakter klassischer | |
| Initiativen: Teilweise wissen die Bremer Sammler*innen nicht im Detail, wie | |
| einzelne Punkte im Gesetz gemeint sind. „Das, was für alle Länder gleich | |
| ist, legen wir fest“, so Gründer*in Joy Ponader dazu. „Die ganze Kampagne | |
| wird aber getragen von Menschen vor Ort.“ | |
| Berlin, Hamburg, Schleswig-Holstein und Brandenburg sind schon länger | |
| dabei, Hamburg hat im März sogar [6][schon die erste Sammelstufe mit 12.000 | |
| Unterschriften erreicht.] Bremen ist erst Anfang August hinzugekommen. Die | |
| benötigte Zahl von Unterschriften ist hier zwar nicht so hoch, | |
| komplizierter ist aber, dass haushaltswirksame Volksbegehren laut Gesetz | |
| auch einen Finanzierungsvorschlag unterbreiten müssen. | |
| Dafür war die Unterstützung der Mutterorganisation aus Berlin hilfreich: | |
| „Ein Kostendeckungsvorschlag ist für manche andere Volksbegehren eine echte | |
| Hürde“, sagt Dirk Schumacher vom Verein „Mehr Demokratie“. | |
| ## Die Grunderwerbssteuer soll's finanzieren | |
| Der Plan sieht nun vor, dass das Experiment nicht mehr als 14 Millionen | |
| Euro kosten darf. Die Summe verteilt sich auf acht Haushaltsjahre. Bezahlt | |
| werden sollen davon die Konzeption, die Zahlungen an die | |
| Grundeinkommensempfänger in der dreijährigen Studienphase und | |
| gegebenenfalls die wissenschaftliche Begleitung. | |
| 420.000 Euro, so der Plan, spart Bremen ein, weil für einige | |
| Teilnehmer*innen Sozialleistungen wegfallen oder verringert werden. Der | |
| Großteil des Geldes soll aber über eine Erhöhung der Grunderwerbssteuer | |
| von 5 auf 5,1 Prozent beschafft werden. | |
| Damit zur Bundestagswahl 2021 in Bremen über das Volksbegehren abgestimmt | |
| werden kann, müssen insgesamt 25.000 Unterschriften zusammenkommen; die | |
| ersten 5.000 hätten die Aktivist*innen gern bis Ende September beisammen | |
| gehabt. „Ein bisschen länger werden wir wohl brauchen“, glaubt Heiligenberg | |
| mittlerweile. „Aber ich bin zuversichtlich, dass es am Ende klappt.“ | |
| 2 Sep 2020 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Grundeinkommen-Test-in-Finnland/!5571734 | |
| [2] https://expedition-grundeinkommen.de/ | |
| [3] https://www.pilotprojekt-grundeinkommen.de/ | |
| [4] /Neuer-Grundeinkommensversuch-startet/!5702755 | |
| [5] https://expedition-grundeinkommen.de/bremen/ | |
| [6] /Volksinitiative-fuer-Grundeinkommen/!5675284 | |
| ## AUTOREN | |
| Lotta Drügemöller | |
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