Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Piraten-Parteitag in Neumünster: Pragmatisch, offen und profession…
> Deutlich gegen rechts außen, ansonsten ruhig und sachlich. Auf ihrem
> Bundesparteitag haben die Piraten gezeigt, dass sie sich
> professionalisieren.
Bild: Lebendes Logo: Piraten auf ihrem Parteitag in Neumünster.
NEUMÜNSTER taz | Ein kleiner Mann, 40 Jahre alt, Nadelstreifenanzug,
zurückgegeltes Haar, sitzt still und einsam in der großen Versammlungshalle
unter den vielen Piraten in Neumünster. Es ist Rick Falkvinge, der in
Schweden die erste Piratenpartei überhaupt gegründet hatte. Das war 2006.
Doch hier in Schleswig-Holstein erkennt ihn schon kaum noch jemand.
Rückwärtsgewandte Heldenverehrung ist bei den Piraten kein Thema.
Im Gegenteil, die neue Partei ist auf dem besten Wege, sich zu
professionalisieren. Obwohl 1.500 Mitglieder zum Bundesparteitag kamen,
blieb das Leitmotiv des Wochenendes: Diplomatie statt Parole. Ohne
ausufernde Debatten, stattdessen mit pragmatischen Entscheidungsfindungen
wurde die neue Führung gewählt und das Programm modifiziert.
Bernd Schlömer wurde mit 66,6 Prozent der Stimmen zum neuen Vorsitzenden
gewählt. Er löste Sebastian Nerz ab. An diesem hatten viele Mitglieder der
basisdemokratischen Partei kritisiert, er habe sich zu stark von der Basis
entfernt. Gemeinsam mit dem Münsteraner Markus Barenhoff wurde Nerz später
jedoch zum neuen Vizevorsitzenden der Partei gewählt.
Neuer politischer Geschäftsführer ist der 35-jährige Johannes Ponader, der
im vergangenen Jahr einer der maßgeblichen Protagonisten der Berliner
Occupy-Bewegung war. Er folgt auf die prominente Piraten-Vertreterin Marina
Weisband, die nicht mehr kandidierte. Die einzigen zwei Frauen im
Parteivorstand sind die neue Schatzmeisterin Swanhild Goetze sowie Julia
Schramm, die zwar für den Vorsitz angetreten war, aber nur einen
Beisitzerposten erhielt.
## Streitthema Holocaust
Inhaltlich stand die Abgrenzung von rechts außen im Mittelpunkt. „Der
Holocaust ist unbestreitbarer Teil der Geschichte. Ihn unter dem Deckmantel
der Meinungsfreiheit zu leugnen oder zu relativieren, widerspricht den
Grundsätzen der Partei“, hieß es in einem einstimmig gefassten Beschluss.
In den vergangenen Wochen waren die Piraten wiederholt wegen Äußerungen
einzelner Mitglieder in die Kritik geraten.
Die Antwort darauf war deutlich: Nachdem der Hannoveraner Pirat Carsten
Schulz vor Journalisten erneut forderte, das Leugnen des Holocaust nicht
weiter unter Strafe zu stellen, wurde der Parteitag zeitweise unterbrochen.
Bei einer Rede des umstrittenen Dietmar Moews, der in einem YouTube-Video
vom „Weltjudentum“ gesprochen hatte, wandten ihm die Zuhörer demonstrativ
den Rücken zu und hielten ihre roten Abstimmungskarten in die Höhe, die für
„Nein“ stehen. Gut die Hälfte der Anwesenden verließ während seiner Rede
den Saal.
Auch der neue Vorsitzende Schlömer erklärte nach seiner Wahl, eines seiner
Kernanliegen sei der „entschiedene Kampf gegen Rassismus, Rechtsextremismus
und Menschenfeindlichkeit in jedweder Form.“ Er habe es satt, dass die
Partei in eine rechte Ecke gedrängt werden solle.
In der Partei will Schlömer nun für eine Annäherung zwischen Vorstand und
der rasant wachsenden Parteibasis sorgen, dabei nach außen hin aber auch
deutlich Stellung beziehen. „Ich glaube, dass Meinungslosigkeit in
Deutschland auch zu Politikverdrossenheit geführt hat“, sagte Schlömer.
„Wir als Piraten haben die Selbstverpflichtung, politische Prozesse
deutlich zu beschreiben.“
Ob die Partei dazu allerdings auch ein Vollprogramm brauche, ließ Schlömer
offen. Etwas anderes machte er hingegen deutlich: Wer nach den kommenden
Wahlen die Partei zu Koalitionsgesprächen auffordere, der dürfe, so
Schlömer, mit gesprächsbereiten Piraten rechnen.
29 Apr 2012
## AUTOREN
Martin Kaul
Martin Kaul
## TAGS
Bedingungsloses Grundeinkommen
Piratenpartei
## ARTIKEL ZUM THEMA
Initiative möchte Volksbegehren: Geld für alle für nix
Eine Initiative will eine Grundeinkommens-Studie in Bremen mit 700
Teilnehmenden durchsetzen. Momentan sammelt sie Unterschriften.
Kommentar Piraten: Piraten, entscheidet Euch!
Schramms Rückzug könnte bei den Piraten zur Einsicht führen, dass sie sich
ändern müssen. Möglicherweise bedeutet er deshalb eine Chance.
Julia Schramm entdeckt Urheberrecht: Piratin gegen piratische Prinzipien
Das Buch der Piratin Julia Schramm wurde illegal online gestellt. Schnell
hat ihr Verlag die kostenlosen Dateien löschen lassen.
Piraten-Geschäftsführer Ponader: „Ich habe genug“
Johannes Ponader ist Geschäftsführer der Piratenpartei. Als Reaktion auf
das Politikum seines Hartz-IV-Bezugs inszeniert er den „Rücktritt vom Amt“.
Piraten und die Presse: Die Freiheit der Rechten
Auf dem Parteitag der Piraten wird ein Journalist der rechten Zeitung
„Junge Freiheit“ geschnitten. Weil sich die Sprecherin bei ihm dafür
entschuldigt, kriegt sie nun Ärger.
Porträt des neuen Piraten-Geschäftsführers: Der Weiterflüsterer
Johannes Ponader, der neue politische Geschäftsführer der Piraten, ist so
authentisch, dass es manchmal anstrengend werden kann. Sein Mantra ist das
Bekenntnis zur Basis.
Kommentar Piratenparteitag: Zeit für ein Klischee 2.0
Auf dem Bundesparteitag ließen die Piraten nicht viel von den Vorurteilen
übrig, die man gegen sie haben kann. Im Gegenteil: Sie zeigen sich
professionell und pragmatisch.
Lobbyisten auf dem Piratenparteitag: Die Wirtschaft braucht Piraten
Ob Bauern oder Krankenversicherer: Lobbyisten und Verbandsvertreter
entdecken die Piraten. Nicht nur auf deren Parteitag.
Schwedischer Pirat Rick Falkvinge: „Der eigene Erfolg kann auch Gift sein“
Der Begründer der Piratenbewegung, Rick Falkvinge, über die Macht deutscher
Piraten, Koalitionen als Spieltheorie und was die Piraten noch lernen
müssen.
Bernd Schlömer ist neuer Piraten-Vorsitzender: Der Pirat aus dem Ministerium
Der bisherige Vizevorsitzende Bernd Schlömer setzt sich beim
Piratenparteitag in Neumünster gegen den Amtsinhaber durch. Der 41-Jährige
ist Referent im Verteidigungsministerium.
Bundesparteitag der Piraten: „Saalflucht“ gegen rechts
Auf dem Parteitag in Neumünster tragen die Piraten einen Richtungsstreit
aus. Der linksliberale Berliner Verband fordert den Bundesvorstand heraus.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.