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# taz.de -- Bernd Schlömer ist neuer Piraten-Vorsitzender: Der Pirat aus dem M…
> Der bisherige Vizevorsitzende Bernd Schlömer setzt sich beim
> Piratenparteitag in Neumünster gegen den Amtsinhaber durch. Der
> 41-Jährige ist Referent im Verteidigungsministerium.
Bild: Bernd Schlömer nach seinem Wahlsieg beim Parteitag in Neumünster
NEUMÜNSTER taz | Es dauerte nur zwei Sekunden – und Bernd Schlömer spürte,
welche Rolle ihm in den kommenden Monaten zugedacht ist: Die des
Umzingelten. Als der 41-Jährige mit 66,6 Prozent der Stimmen am Samstag in
Neumünster als neuer Bundesvorsitzender der Piratenpartei feststand und
demütig von der Bühne schritt, stürmten die Kameraleute gleich dutzendfach
auf ihn zu. Nur streng abgeschirmt und in Begleitung von Personenschutz
konnte Schlömer die Halle verlassen. Wenige Minuten später trat er wieder
vor die Presse: "Mir geht's gut. Ich bin glücklich", war sein erster Satz –
und dann sagte er die meisten Interviews für den Nachmittag ab.
Von insgesamt acht Kandidaten setzte sich damit Schlömer vor dem bisherigen
Bundesvorsitzenden Sebastian Nerz und [1][der Kandidatin Julia Schramm] in
der Konkurrenz um den Bundesvorsitz durch. Nerz galt einigen Piraten als zu
unbestimmt, Schramm dagegen als zu selbstbezogen – beide kandidierten
jedoch am Samstag auch für weitere Vorstandsämter. Die Ergebnisse standen
zu Redaktionsschluss noch nicht fest.
Schlömer war bislang als stellvertretender Vorsitzender und zuvor bereits
als Schatzmeister im Parteivorstand der Piraten tätig. Nun kommt einiges
auf ihn zu: Am 6. Mai stehen in Schleswig-Holstein, am 13. Mai in
Nordrhein-Westfalen Landtagswahlen an. Und obwohl seine Partei in den
letzten Wochen zwar einerseits weiter massiven Zulauf erhalten hat, wurden
auch die kritischen Stimmen inner- und außerhalb der Partei immer lauter.
Zuletzt hatten sich die Piraten zu ihrem Umgang mit rechten Tendenzen
innerhalb der Partei erklären müssen.
Was Bernd Schlömer nun erwartet, durfte er gleich in seiner ersten
Pressekonferenz spüren: Ob er die Piraten für koalitionsfähig halte, wie er
die Rechtsextremismusdebatte beenden wolle – und ob sein neuer
Vorstandsposten nicht in Konflikt mit seiner beruflichen Position stünde,
wollten die Journalisten von dem selbsternannten "Feierabendpolitiker"
wissen, der seine neue Aufgabe neben seiner hauptberuflichen Tätigkeit nun
ehrenamtlich wahrnehmen wird.
Seine berufliche Position hatte Schlömer auch bei seiner Kandidatur für den
Vorstandsposten kritische Fragen seitens der Basis beschert. Denn der
Beamte arbeitet als Regierungsdirektor im Bundesministerium der
Verteidigung und ist dort Referent für Haushalts-, Organisations- und
Verwaltungsangelegenheiten. Einige Piraten befürchteten offenbar, dass sein
Job im Verteidigungsministerium ihn allzu leicht in Konflikt mit seinem
neuen Status als Oberpirat bringen könnte.
Schlömer selbst beschwichtigte das: Natürlich würde er klar Position gegen
den Afghanistankrieg beziehen – falls die Partei diese Position formulieren
würde, versicherte er vor den Mitgliedern. Sein Arbeitgeber wollte am
Samstag ebenfalls kein Problem mit seiner neuen, öffentlichkeitswirksamen
Rolle sehen. Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums sagte der taz: "Es
steht jedem Beamten frei, sich parteipolitisch zu betätigen und auch Ämter
auszufüllen. Unabhängig davon gilt, dass Herr Schlömer sich natürlich an
seine dienstlichen Pflichten halten muss. Dabei sollte ihm stets bewusst
sein, in welcher Position er jeweils spricht."
Abgesehen von diesem Konflikt verbinden vor dem Hintergrund des massiven
Medieninteresses an der Piratenpartei viele Piraten große Hoffnung mit dem
nach außen eher schüchtern, aber eloquent auftretenden Mann, dessen
Charakteristika sein verschmitztes Lächeln und sein rötlicher Dreitagebart
sind.
Innerhalb der täglich wachsenden Partei, die derzeit laut Meinungsumfragen
auf Bundesebene eine Zustimmung von rund 10 Prozent der Wählerinnen und
Wähler erhält, will Schlömer nun "wieder stärker mit den Teilgliederungen
der Partei ins Gespräch kommen." An seinem Vorgänger Nerz hatten
verschiedene Parteigruppen kritisiert, er habe den Kontakt zur Basis zu
sehr schleifen lassen.
Wie der neue Mann der ersten Reihe all diesen Erwartungen nun gerecht
werden soll, das kann er sich nun - ohne Personenschutz – in der kommenden
Woche überlegen, in der er sich im Ministerium Urlaub genommen hat. Da will
der Berliner mit seinem Hund spazieren gehen, sagt er. Doch eines hat
Schlömer an diesem Samstag sicher schnell begriffen: Ganz so einsam, wie er
vielleicht dachte, wird er dabei sicher nicht sein.
28 Apr 2012
## LINKS
[1] /Piratin-Julia-Schramm/!92303/
## AUTOREN
Martin Kaul
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