| # taz.de -- Tod einer Erntehelferin in Mamming: Lückenhafte Ermittlungen | |
| > 2018 starb in Bayern eine Erntehelferin. Wurde ihr zu spät geholfen? Die | |
| > Staatsanwaltschaft ermittelte kaum und lässt zentrale Fragen | |
| > unbeantwortet. | |
| Bild: Unterkünfte für Erntehelfer:innen im bayerischen Mamming | |
| Berlin taz | Die Zweifel an den Ermittlungen der Behörden zum Tod einer | |
| Erntehelferin 2018 auf einem bayerischen Gemüsehof nehmen zu. Die | |
| Staatsanwaltschaft Landshut teilte der taz mit, dass sie nicht wisse, wann | |
| ein Vorarbeiter die Osteuropäerin ins Krankenhaus gefahren habe, nachdem | |
| sie über gesundheitliche Probleme geklagt hatte. Im Krankenhaus wurde | |
| schließlich ihr Tod festgestellt. [1][Dennoch schließt die Behörde aus, | |
| dass der Frau zu spät geholfen wurde] – und leitete deshalb damals keine | |
| Ermittlungen etwa wegen unterlassener Hilfeleistung ein. Auch die Frage, | |
| warum der Hof in Mamming ihrer Einschätzung nach nicht einen Krankenwagen | |
| hätte rufen müssen, ließ die Staatsanwaltschaft unbeantwortet. | |
| Es sei offensichtlich, dass die Behörden den Ablauf der Ereignisse vor der | |
| Ankunft im Krankenhaus nicht kennen, kritisiert der bayerische | |
| SPD-Landtagsabgeordnete Florian von Brunn. „Aber es spielt bei akuten | |
| Herzproblemen wichtige Rolle, dass sofort geholfen + Notarzt verständigt | |
| wird! Warum wird nicht ermittelt?“, fragt von Brunn auf Twitter. | |
| [2][Zwei Insider des Hofs in Niederbayern hatten dem Landwirt in der taz | |
| vom 25. August vorgeworfen,] der ukrainisch-ungarischen Frau zu spät | |
| geholfen zu haben. Sie habe mehrmals gemeldet, dass sie Schmerzen in der | |
| Brust habe. | |
| Die Staatsanwaltschaft erklärte dennoch, es hätten sich bei einer | |
| Überprüfung des Todesfalls 2018 keine Anhaltspunkte für Fremdverschulden, | |
| insbesondere eine verspätete ärztliche Behandlung, ergeben. Die Informanten | |
| der taz halten jedoch auch nach der Mitteilung der Staatsanwaltschaft an | |
| ihren Vorwürfen fest. Sie sind der Redaktion namentlich bekannt, wollen | |
| aber aus Angst vor Repressalien nicht genannt werden. | |
| Laut Staatsanwaltschaft klagte die Erntehelferin an ihrem Todestag um 7.15 | |
| Uhr über gesundheitliche Probleme. Sie sei dann von einem Vorarbeiter ins | |
| Krankenhaus gefahren worden und dort um 8.30 Uhr verstorben, teilte die | |
| Behörde am 26. August mit. Doch auch das weiß die Staatsanwaltschaft in | |
| Wirklichkeit nicht so genau. Den Informanten der taz zufolge starb die Frau | |
| schon auf der Fahrt. | |
| ## Staatsanwaltschaft ändert ihre Version | |
| Darauf angesprochen, änderte die Staatsanwaltschaft ihre Version, | |
| Pressesprecher Sebastian Stitzinger schrieb der taz über den Tod der | |
| Erntehelferin: „In engem zeitlichem Zusammenhang mit dem Eintreffen auf dem | |
| Parkplatz des Krankenhauses kollabierte sie. Nach intensiven ärztlichen | |
| Reanimationsmaßnahmen wurde von dem vor Ort tätigen ärztlichen Personal als | |
| Todeszeitpunkt 8.30 Uhr festgestellt.“ Vor allem räumt die Behörde nun ein: | |
| „Der genaue Zeitpunkt des Fahrtbeginns und die exakte Fahrtdauer sind nicht | |
| bekannt, ebenso wenig der konkrete Zeitpunkt der Ankunft in der Klinik.“ | |
| Sprecher Stitzinger vermutete lediglich, dass sie „wohl kurz nach 08:00 | |
| Uhr“ dort ankamen. | |
| Nach den Auskünften der Staatsanwaltschaft wäre es also möglich, dass der | |
| Vorarbeiter die Frau erst ins Krankenhaus gefahren hat, als sie schon eine | |
| Stunde lang über Schmerzen geklagt hatte. Bei akuten Herzproblemen wäre das | |
| eindeutig zu spät und damit möglicherweise strafrechtlich relevant. | |
| Zu fragen ist auch, warum der Hof nicht gleich einen Krankenwagen mit | |
| Notarzt rief, statt sie erst mit einem normalen Auto ins Krankenhaus | |
| bringen zu lassen. [3][Die Informanten der taz berichten, die Ernthelfer | |
| hätten Angst gehabt, einen Krankenwagen zu rufen, weil der Landwirt immer | |
| damit gedroht habe, dass sie die 1.500 Euro für so einen Einsatz selbst | |
| bezahlen müssten.] | |
| ## Betrieb verursacht großen Corona-Ausbruch | |
| Zudem weigert sich die Staatsanwaltschaft mitzuteilen, ob die Ermittler | |
| neben dem Vorarbeiter und der Landwirtsfamilie – also potenziell | |
| Mitverantwortliche an dem Tod der Frau – auch einfache Erntehelfer | |
| vernommen habe. Die Behörde begründete ihre Weigerung damit, dass „die | |
| Grundsätze des Datenschutzes und der Schutz des allgemeinen | |
| Persönlichkeitsrechts“ zu beachten seien. | |
| Auf die Lücken im bisher bekannten Zeitablauf des Falls angesprochen, meint | |
| Sprecher Stitzinger, „dass aus Sicht der Staatsanwaltschaft Landshut die | |
| Ermittlungen sachgerecht und umfassend geführt wurden“. Trotz der | |
| Nachfragen der taz sehe er keine neuen Ermittlungsansätze. Der Landwirt war | |
| für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. | |
| Dass der Großbetrieb, der vor allem Gurken produziert, mitunter fahrlässig | |
| mit der Gesundheit umgeht, zeigte sich vor allem Ende Juli dieses Jahres. | |
| Damals infizierten sich 250 Erntehelfer mit dem Coronavirus. Es ist bislang | |
| einer der größten Corona-Ausbrüche in Deutschland. Das Landratsamt | |
| Dingolfing-Landau geht davon aus, dass der Betrieb gegen das Hygienekonzept | |
| verstoßen hat. | |
| [4][„Faire Mobilität“, die Beratungsstelle des Deutschen Gewerkschaftsbunds | |
| für osteuropäische Arbeitnehmer], hat dem Betrieb „Ausbeutung“ vorgeworfe… | |
| weil weniger als der gesetzliche Mindestlohn gezahlt und Arbeitern ihre | |
| Personalausweise vorenthalten worden seien. Diese Kritik wies der Landwirt | |
| zurück. | |
| 2 Sep 2020 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Tod-einer-Erntehelferin-in-Bayern/!5704430&s=erntehelfer/ | |
| [2] /Tod-einer-Erntehelferin-in-Bayern/!5704430&s=erntehelfer/ | |
| [3] /Arbeitsbedingungen-fuer-Erntehelfer/!5704243&s=erntehelfer/ | |
| [4] https://www.faire-mobilitaet.de/ | |
| ## AUTOREN | |
| Jost Maurin | |
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