# taz.de -- Schlichtungsbeginn im Baugewerbe: Tarifstreit in Coronazeiten | |
> Die Gewerkschaft IG Bau fordert 6,8 Prozent mehr Lohn und Ausgleiche für | |
> Wegezeiten. Die Arbeitgeberseite lehnt das ab, ohne Gegenangebote | |
> vorzulegen. | |
Bild: Protestaktion der IG BAU vor dem Berliner Tagungsort der Schlichtungsverh… | |
BERLIN taz | Begleitet von einer gewerkschaftlichen Protestaktion, haben am | |
Mittwoch die Schlichtungsgespräche für das Bauhauptgewerbe begonnen. Auf | |
einer kleinen improvisierten Kundgebung vor dem Tagungshotel in Berlin | |
forderte der Chef der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU), | |
Robert Feiger, die Arbeitgeberseite auf, ihre Blockadehaltung aufzugeben. | |
„Es ist höchste Zeit, dass endlich ein vernünftiges Angebot in dieser | |
Tarifrunde kommt“, sagte er. | |
Die Gewerkschaft fordert für die rund 850.000 Beschäftigten im Baugewerbe | |
eine Gehaltserhöhung von 6,8 Prozent, mindestens aber 230 Euro pro Monat. | |
Von einem solchen Festbetrag würden vor allem die unteren Lohngruppen | |
profitieren. Außerdem sollen Auszubildende 100 Euro mehr bekommen. „Der | |
Bauwirtschaft geht es wirtschaftlich ganz hervorragend“, begründete Feiger | |
die angestrebten Lohnsteigerungen. | |
[1][Anders als andere] sei die Baubranche von der Coronakrise kaum | |
betroffen. „Der Bau hat komplett durchgearbeitet, also da war nichts mit | |
Lockdown“, sagte Feiger. Und die Auftragsbücher seien trotz der Pandemie | |
weiterhin voll. Deswegen gebe es „auch überhaupt keine Veranlassung, dass | |
wir jetzt da die Forderungen reduzieren“. | |
Bislang ist die Gewerkschaft damit bei den Arbeitgebern auf Granit | |
gestoßen. Ohne ein eigenes Angebot vorzulegen, lehnte der Zentralverband | |
Deutsches Baugewerbe (ZDB) die Forderungen der IG BAU rundweg ab. Die | |
Arbeitgeber sehen die Bauwirtschaft sehr wohl von der Coronapandemie | |
betroffen. | |
## Gewerkschaft fordert Wegezeitentschädigung | |
Beispielsweise sei die Einhaltung der Abstands- und Hygieneregeln „mit | |
entsprechendem Aufwand verbunden“, argumentiert ZDB-Vizepräsident Uwe | |
Nostitz, Verhandlungsführer der Arbeitgeber. Zudem steige mittlerweile | |
„auch die Zahl der Infizierten in der Bevölkerung wieder deutlich an, was | |
die wirtschaftliche Lage insgesamt noch unsicherer macht“. | |
Nach fünf ergebnislosen Gesprächsrunden erklärte die IG Bau am vergangenen | |
Donnerstag das Scheitern der Verhandlungen und rief die Schlichtung an. Nun | |
soll der Präsident des Bundessozialgerichts, Rainer Schlegel, als | |
Schlichter einen Ausweg aus der verfahrenen Situation finden. Er und die | |
Tarifparteien haben jetzt maximal 14 Tage Zeit, zu einem Ergebnis zu | |
kommen. Danach endet die Friedenspflicht. | |
Ein großer Knackpunkt bei den jetzt begonnenen Schlichtungsverhandlungen | |
dürfte eine weitere Forderung der IG BAU sein: Sie will für die | |
Beschäftigten eine Wegezeitentschädigung durchsetzen, und zwar entweder in | |
Form eines Geld- oder eines Zeitausgleichs. Davon jedoch wollen die | |
Arbeitgeber überhaupt nichts wissen. | |
Ohne darauf Einfluss zu haben, hätten die Beschäftigten bisweilen enorme | |
Anreisewege zu ihren wechselnden Baustellen, argumentiert die Gewerkschaft. | |
Es sei nicht hinnehmbar, dass hier wertvolle Lebenszeit ohne Entschädigung | |
verloren gehe. Zur Illustrierung haben die gut zwei Dutzend | |
Demonstrant:innen am Mittwoch eine überdimensionierte Sanduhr mitgebracht. | |
Ob die Schlichtung gelingen wird, ist ungewiss. Für den Fall des Scheiterns | |
droht die Gewerkschaft mit Streikmaßnahmen. „Wir sind bereit, auch in den | |
Arbeitskampf zu ziehen“, sagte IG-BAU-Verhandlungsführer Carsten | |
Burckhardt. Doch noch hat er die Hoffnung auf eine Verständigung nicht | |
aufgegeben: „Der beste Arbeitskampf ist immer der, den wir nicht führen | |
müssen.“ | |
26 Aug 2020 | |
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## AUTOREN | |
Pascal Beucker | |
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