# taz.de -- Tarifverhandlung im öffentlichen Dienst: Mehr als bloßen Beifall | |
> Verdi und der Beamtenbund wollen 4,8 Prozent mehr Lohn und Gehalt für den | |
> öffentlichen Dienst. Doch die Kommunen winken wegen leerer Kassen ab. | |
Bild: Harte Arbeit im Krankenhaus: Nach dem Applaus wünscht sich Verdi auch et… | |
BERLIN taz | Mehr Geld für Krankenschwestern und Pfleger, Feuerwehrleute | |
und Müllabfuhr? Auf dem Höhepunkt der [1][Coronakrise] war das Verständnis | |
für die stillen Helden des Alltags groß und die Öffentlichkeit hielt eine | |
bessere Entlohnung ihrer Arbeit für richtig. Rund 2,3 Millionen | |
Beschäftigte zählt der öffentliche Dienst des Bundes und der Kommunen, die | |
für die meisten Bürgerdienste verantwortlich sind. | |
Nun geht es um harte Fakten. Die Tarifunion aus [2][Verdi] und dem | |
Deutschen Beamtenbund (dbb) haben am Dienstag ihre Forderungen auf den | |
Tisch gelegt. Sie verlangen 4,8 Prozent mehr Lohn und Gehalt bei einer | |
Laufzeit des Tarifvertrags von zwölf Monaten. „Die Beschäftigten haben mehr | |
verdient als warme Worte“, stellt dbb-Chef Ulrich Silberbach am Dienstag in | |
Berlin klar. Für Geringverdiener soll es einen Sockelbetrag von 150 Euro | |
geben. | |
Mehr Geld soll es auch für Auszubildende und Praktikanten geben, 100 Euro | |
verlangen die Gewerkschaften. Zudem fordern sie eine Angleichung der | |
Arbeitszeiten in Ost und West. In den ostdeutschen Bundesländern gilt noch | |
die 40-Stunden-Woche, in den alten Ländern wird eine Stunde weniger | |
gearbeitet. In gesonderten Gesprächen will Verdi-Chef Frank Werneke auch | |
bessere Konditionen für die Beschäftigten in der Pflege erreichen. „Applaus | |
alleine reicht nicht“, sagt Werneke mit Blick auf den Zuspruch für die | |
Bediensteten in den vergangenen Monaten. | |
Einfach wird diese Tarifrunde sicher nicht. Und ob aus dem Klatschen der | |
Bürger kräftiger Lohnaufschlag wird, ist zweifelhaft. Die Arbeitgeber | |
hatten bei Sondierungsgesprächen im Frühjahr lediglich einen | |
Inflationsausgleich in Aussicht gestellt. Der Präsident der Vereinigung der | |
kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA), Ulrich Mädge, verweist auf die | |
krisenbedingt leeren Kassen. | |
## Wer hat am Ende die besseren Karten? | |
Denn Städte und Gemeinden stehen vor einem Dilemma. Einerseits müssen sie | |
attraktiv für die Berufe im öffentlichen Dienst bleiben. Andererseits sind | |
Einnahmen stark geschrumpft. Die fehlenden Gewerbesteuereinnahmen gleicht | |
der Bund nur zu einem Teil aus. Einnahmen aus Museen oder anderen | |
kulturellen Einrichtungen sind weggebrochen. Ein Prozentpunkt mehr Lohn und | |
Gehalt kostet die Arbeitgeber in den Kommunen nach Gewerkschaftsangaben | |
rund eine Milliarde Euro. Der Bund müsste 270 Millionen Euro mehr | |
aufbringen. | |
Diese Tarifrunde ist in mehrerer Hinsicht außergewöhnlich. Verdi hätte sie | |
im Frühjahr gerne gleich ganz auf das kommende Jahr verschoben und sich bis | |
dahin mit einer Einmalzahlung begnügt. Das war mit den Arbeitgebern nicht | |
zu machen. Der VKA unterstellt Silberbach dabei das Kalkül, bei der damals | |
noch erwarteten schweren Wirtschaftskrise bessere Karten im | |
Verhandlungspoker zu haben. Das ist nicht im befürchteten Umfang | |
eingetreten. „Der Daumen zeigt nach oben“, erläutert Silberbach. | |
„Wir benötigen in dieser schwierigen Phase Planungs- und | |
Einkommenssicherheit“, betonte Mägde noch im Juni und verwies auf die | |
Arbeitsplatzsicherheit im öffentlichen Dienst. Welche Argumente am Ende | |
ziehen, wird sich an den drei vereinbarten Terminen zeigen. Am 1. September | |
geht es in Potsdam los. Die dritte Runde ist für Ende Oktober geplant. | |
Werneke hat schon im Vorfeld die Bereitschaft zu einem Arbeitskampf | |
durchblicken lassen. | |
Die Gegenseite hält Einschnitte beim öffentlichen Dienst wiederum für | |
angebracht. Die Verhandlungspositionen liegen also noch sehr weit | |
auseinander. Scheitern die Gespräche, sind Streiks, zum Beispiel in Kitas, | |
nichts ausgeschlossen. | |
25 Aug 2020 | |
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## AUTOREN | |
Wolfgang Mulke | |
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