Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Atteste zur Maskenpflicht-Befreiung: Maskenfrei und Stress dabei
> Ärztekammern warnen vor falschen Attesten zur Befreiung von der
> Maskenpflicht. Wer wirklich keine Maske tragen kann, dem droht ein
> Spießrutenlauf.
Bild: Mit Masken haben es die Corona-Skeptiker*innen nicht so – wie hier in H…
Hamburg taz | Die Ärztekammern in Hamburg und Schleswig-Holstein wollen
gegen falsche und leichtfertig erteilte Atteste zur Befreiung von der
[1][coronabedingten Maskenpflicht] vorgehen. Mediziner*innen, die solche
Bescheinigungen ausstellten, ohne die Patient*innen überhaupt untersucht zu
haben, drohten sie berufsrechtliche Konsequenzen an. Die Art der Sanktion
hänge vom Einzelfall ab. Ärzt*innen, die falsche Atteste ausstellen, können
wegen des [2][„Ausstellens unrichtiger Gesundheitszeugnisse]“ mit Geld-
oder Haftstrafen bis zu zwei Jahren belangt werden.
Die Rechtslage ist klar: Von der Maskenpflicht befreit werden kann – nach
eingehender ärztlicher Untersuchung – wem die Mund-Nasen-Bedeckung aus
gesundheitlichen oder psychischen Gründen nicht zuzumuten ist. Häufigster
Befreiungsgrund sind Atemwegs-, Lungen- und Herzerkrankungen. Doch im Kreis
der Coronaleugner*innen ist es längst zum Volkssport geworden, sich auch
ohne gesundheitliche Einschränkungen und Arzt-Visite ein Befreiungs-Attest
zu besorgen.
Und es gibt genügend Mediziner*innen, die aus ideologischen oder
finanziellen Gründen, etwa im Internet, Blanko-Befreiungen für kleines Geld
anbieten. Listen solcher Ärzt*innen kursieren in den einschlägigen Foren
der Coronaverharmloser*innen und Verschwörungstheoretiker*innen. Die so
zustande gekommenen Bescheinigungen zeichnen sich oft durch stereotype
Befreiungs-Begründungen aus. „Uns ist eine Reihe von Attesten zugegangen,
bei denen der Verdacht nahe liegt, dass keine Untersuchungen stattgefunden
haben“, klagt der Präsident der [3][Hamburger Ärztekammer], Pedram Emani.
Zur Zeit ermittelt die Hamburger Ärztekammer gegen fünf Mediziner*innen.
Der Schwindel mit den fahrlässigen Mund-Nasenschutz-Befreiungen hatte am
vergangenen Wochenende für Schlagzeilen gesorgt. Um die Maskenpflicht zu
umschiffen, hatten etwa 70 Teilnehmer*innen der „Anti-Coronamaßnahmen“ –
Demo in Hannover der kontrollierenden Polizei Befreiungs-Atteste unter die
maskierte Nase gehalten. Die meisten davon waren offenbar gefälscht. Die
Polizei leitete Ermittlungen ein.
## Im Netz werden Blanko-Atteste angeboten
„Immer mehr Personen bestehen darauf, ohne Maske einzukaufen“, sagt der
Chef der norddeutschen Biomarktkette Aleco, Georg Appel. Bei etwa 90
Prozent dieser Kund*innen habe er den sicheren Eindruck, „dass ideologische
und nicht medizinische Gründe“ den Ausschlag für die Ablehnung der
Mund-Nasen-Bedeckung geben. „An falsche Atteste ist leicht ranzukommen und
wir können unseren anderen Kund*innen nicht zumuten, dass immer mehr
Personen ohne Maske durch die Läden marschieren.“
Deshalb gebe es in den Aleco-Filialen ab sofort nur noch in „sehr
begrenzten Einzelfällen Ausnahmen von der Maskenpflicht“, hat Appel
entschieden. Er räumt aber auch ein: „Wer aus medizinischen Gründen keine
Maske tragen kann, ist da gekniffen. Aber wir haben kaum eine andere Wahl.“
Eine, die den Missbrauch mit der Maske ausbaden muss, ist die Hamburger
Rechtsanwältin Diana L., die wegen einer Atemwegserkrankung von der
Maskenpflicht befreit ist. Jeder Einkauf ist ein Spießrutenlauf“, berichtet
die 49-Jährige. Bei dem Lebensmittelhändler ihres Vertrauens musste sie das
Attest und eine Kopie ihres Personalausweises zu den Akten geben, um das
Geschäft weiterhin maskenfrei betreten zu können. Doch nicht alle
Angestellten wüssten davon, sodass sie permanent „sehr unfreundlich
angesprochen“ werde.
Eine Kundin habe sie wegen der fehlenden Maske mal „so zur Sau gemacht“,
dass sie das Geschäft unter Tränen verlassen habe. „Meine
Einkaufsmöglichkeiten haben sich sehr eingeschränkt“, berichtet die
Juristin. Ikea etwa sei für sie nun tabu. „Dort hat mir die Security
unmissverständlich klar gemacht, dass man alle Produkte im Internet
bestellen könne und meine Einkauf überdies ja nicht lebensnotwendig sei.“
Die Türen des skandinavischen Möbelriesen bleiben für Diana L. seitdem
verschlossen.
Berichte wie der von Diana L. mehren sich dieser Tage. Auch der in
Mecklenburg ansässige Verein „Stark machen“, der Opfer sexualisierter
Gewalt betreut, berichtet, dass Klient*innen, die aus gesundheitlichen
Gründen keine Maske tragen, in den vergangenen Monaten viel Intoleranz und
Aggressivität in der Öffentlichkeit erfahren hätten – sei es beim Einkaufen
oder in öffentlichen Verkehrsmitteln. Immer mehr Menschen, die aus
gesundheitlichen Gründen keinen Mund-Nasenschutz tragen könnten, würden so
von der gesellschaftlichen Teilhabe ausgeschlossen und in die Isolation
getrieben – für Opfer häuslicher Gewalt eine Katastrophe. Es müsse darum
gehen, die Ausnahmeregelungen zur Maskenpflicht öffentlich besser zu
kommunizieren. Denn große Teile der Bevölkerung würden zwar die
Maskenpflicht kennen, nicht aber wissen, dass diese nicht für alle gelte.
Beim Bremer Landesbehindertenbeauftragten, Arne Frankenstein, gehen derzeit
wöchentlich zehn bis zwölf Anfragen von Bürger*innen ein, die Probleme
bekommen haben, weil sie ohne Maske unterwegs waren. Selbst wenn sie ein
Attest vorlegen konnten, und obwohl in der aktuellen Coronaverordnung keine
Nachweispflicht vorgeschrieben sei. „Wenn Ladenbesitzer sich auf ihr
Hausrecht berufen und das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung zur Bedingung
machen, ohne Ausnahmen für Menschen, die eine Maske nicht tragen können,
verstoßen sie gegen das allgemeine Gleichbehandlungsgesetz“, sagt
Frankenstein.
Doch genau auf dieses Gesetz berufen sich auch die Coronaleugner*innen mit
ihren Fake-Attesten.
17 Sep 2020
## LINKS
[1] https://www.ndr.de/nachrichten/info/Was-Sie-zur-Maskenpflicht-wissen-muesse…
[2] https://dejure.org/gesetze/StGB/278.html
[3] https://www.aerztekammer-hamburg.org/home.html
## AUTOREN
Marco Carini
## TAGS
Maskenpflicht
Coronaleugner
Verschwörungsmythen und Corona
Verschwörungsmythen und Corona
Ärztekammer
Hamburg
Schleswig-Holstein
Schwerpunkt Coronavirus
Schwerpunkt Coronavirus
"Querdenken"-Bewegung
taz.gazete
Schwerpunkt Coronavirus
Schule
Schwerpunkt Coronavirus
Andreas Geisel
## ARTIKEL ZUM THEMA
Ärztin vor Gericht: Falsche Atteste für Maskenbefreiung?
Die Göttinger Staatsanwaltschaft klagt eine Ärztin aus der
Coronaleugner-Szene an. Sie soll Maskenbefreiungen bescheinigt haben.
Razzia bei Ärztin der Leugner-Szene: Spontandemo mit Wutrede
Die Polizei hat die Praxis der Impfgegnerin Carola Javid-Kistel in
Duderstadt durchsucht. Sie soll falsche Atteste ausgestellt haben.
„Querdenken“-Demonstrationen: Keine Maske, dafür Hitlergruß
Mehrere Tausend Menschen demonstrierten am Samstag in Dresden gegen die
Coronamaßnahmen. Größere Proteste gab es auch in Karlsruhe und
Braunschweig.
Von einem, der keine Maske trug: Böse Blicke
Ein Mann steht im Bus und trägt keine Maske. Sofort wird er zum
Außenseiter. Das macht mich traurig.
Maskenpflicht in Bussen und Bahnen: Bußgeld bleibt Staatssache
Verkehrsunternehmen führen keine Strafzahlungen für Maskenverweigernde ein.
Die Gewerkschaften sehen die Bußgelder als eine staatliche Aufgabe an.
Bayerns Kultusminister über Schulstart: „Das Masketragen ist eingeübt“
Michael Piazolo sieht positive Entwicklungen im Umgang von Schulen mit
Corona. Er spricht über Lüften im Winter und Alleingänge seines
Ministerpräsidenten.
Corona-Maßnahmen in Hamburg: Maskenlose büßen selbst
In Hamburg muss bei einem Verstoß gegen die Maskenpflicht im Laden das
Bußgeld nun der Kunde zahlen. Früher drohte das Bußgeld den Händlern.
Maskenpflicht auf Demos: Geisels „ja, aber“
Der Senat schreibt für größere Demonstrationen künftig Masken vor. Bleibt
abzuwarten, wie das durchgesetzt werden wird.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.