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# taz.de -- Bayerns Kultusminister über Schulstart: „Das Masketragen ist ein…
> Michael Piazolo sieht positive Entwicklungen im Umgang von Schulen mit
> Corona. Er spricht über Lüften im Winter und Alleingänge seines
> Ministerpräsidenten.
Bild: Der Kultusminister als Schülerlotse: Michael Piazolo (Mitte) am ersten S…
taz: Herr Piazolo, macht Ihnen Ihr Job eigentlich noch Spaß?
Michael Piazolo: Ja, auf jeden Fall. Und auch wenn ich es mir natürlich
anders gewünscht hätte: Momentan ist es eine sehr spannende Zeit.
Man heizt Ihnen aber ganz schön ein. Sie kriegen den ganzen Frust und die
ganze [1][Kritik von Schülern, Lehrern und Eltern] ab.
Aber das gehört zur Jobbeschreibung. Und es äußern sich ja vor allem immer
die Unzufriedenen. Das sind auf der einen Seite diejenigen, die nicht
einsehen, dass man überhaupt vorsorgt und dass man damals die Schulen
geschlossen hat. Und auf der anderen Seite die, denen wir zu forsch sind.
Die dazwischen hört man nicht.
Können Sie es Eltern und Schülern übelnehmen, wenn sie das, was sie in der
zweiten Hälfte des vergangenen Schuljahrs erlebt haben, als komplettes
Chaos bezeichnen?
Da würde ich aber schon mal bitten, sich an die Situation zu Beginn der
Krise zu erinnern. Damals ging es darum, ob wir [2][genug Intensivbetten]
haben, wir haben uns vor Szenarien wie in Italien gefürchtet. Dass diese
bei uns eingetreten sind, haben wir verhindert. Auch jetzt, wenn wir uns
anschauen, was in Österreich, Tschechien, Frankreich oder Spanien los ist,
müssten wir doch froh darüber sein, über welche Probleme wir uns hier
unterhalten. Natürlich hatten [3][wir kein normales Schuljahr], aber es hat
auch einiges funktioniert.
Zum Beispiel?
Zum Beispiel das Runter- und wieder [4][Rauffahren des Schulbetriebs] oder
auch ein Abitur ohne Niveau-Abstriche. Natürlich gab es auch Probleme, vor
allem beim Lernen zu Hause. Ich will da nichts schönreden. Aber man muss
auch bedenken: Digitalisierung bedeutete bislang immer Digitalisierung an
den Schulen, nicht außerhalb. Aber wir sind ein lernendes System. Und
natürlich sind wir heute weiter, als wir es im März waren.
Welche Lehren haben Sie aus den Erfahrungen seither gezogen?
Das sind ganz verschiedene. Nur ein Beispiel: Beim Wiedereröffnen der
Schulen hatten wir den Ansatz, mit den größeren Schülern anzufangen, weil
die sich besser an Maskenpflicht und Hygieneregeln halten könnten.
Inzwischen haben wir gelernt, dass auch Grundschüler die Masken sehr gut
annehmen und dass es bei ihnen psychologisch ganz wichtig ist, sie
schnellstmöglich wieder zurück in die Schulen zu holen.
Vor einer Woche hat auch in Bayern die Schule wieder begonnen. Die Schüler
ab der fünften Klasse müssen nun auch [5][im Unterricht Maske tragen]. Wie
kommt das an?
Niemand trägt gern Maske. Aber die Entscheidung wurde beim Schulgipfel von
einer breiten Mehrheit getragen, auch die Schülerinnen und Schüler haben
gesagt: Wir sind dazu bereit. Wir haben die Maskenpflicht ja auch nur vor
dem Hintergrund der Reiserückkehrer eingeführt und deshalb auf neun
Schultage befristet. Außerdem ist das Masketragen inzwischen ja eingeübt,
auch wenn es im Unterricht selbst neu ist.
In Bayern gibt es jetzt einen Dreistufenplan. Je nach Infektionsgeschehen
in einem Landkreis werden die Maßnahmen gelockert oder angezogen – bis hin
zur Rückkehr zum sogenannten [6][Homeschooling]. Können wir fest davon
ausgehen, dass es das nur noch lokal und für kurze Zeit geben wird?
Es gibt in der Pandemie keine Gewissheiten. Angesichts der momentanen
Infektionszahlen hoffe ich das natürlich, aber ich kann nicht ausschließen,
dass eine Schule auch mal länger als zwei Wochen geschlossen bleiben muss,
wenn die Zahlen über einen längeren Zeitraum sehr hoch sein sollten. Zum
Glück deutet bis jetzt nichts darauf hin. Wichtig ist auch, dass die Zahlen
keinen Automatismus auslösen, sondern Richtwerte sind. Die Entscheidung
liegt dann beim jeweiligen Gesundheitsamt und wird unter Berücksichtigung
der speziellen Lage vor Ort getroffen.
Kommen wir mit diesem Plan auch durch eine [7][zweite Welle]?
So ist er zumindest konzipiert.
Zu den allgemeinen Empfehlungen gehört auch, das Klassenzimmer alle 20
Minuten für fünf Minuten zu lüften. Ist das realistisch – gerade wenn jetzt
Herbst und Winter kommen?
Lüften ist einfach ein sehr probates Mittel, das sagen alle Experten. Und
auch da gibt es natürlich einen Spielraum. Lüftet man beispielsweise oft,
aber nur kurz, oder etwas seltener, aber dafür länger? Die Entscheidung
trifft der Lehrer angesichts der Situation im Klassenzimmer. Und ich denke,
das geht auch im Winter. Es ist ja jetzt nicht so, dass wir ständig minus
20 Grad hätten. Da muss dann man halt vielleicht die Jacken wieder anziehen
oder eine kurze Pause machen und das Klassenzimmer verlassen.
Es sind jetzt auch offenbar sehr [8][effektive Lüftungsanlagen im
Gespräch]. Werden die in Bayern zum Einsatz kommen?
Nach einer ersten Einschätzung des Gesundheitsministeriums sind diese
Raumlüfter nicht erforderlich. Aber da warten wir noch auf weitere
Rückmeldungen.
Was wissen Sie denn inzwischen über die Rolle der Schüler als potenzielle
Super-Spreader?
Seit einer Weile weisen die Studien stark darauf hin, dass die
Ansteckungsgefahr bei den ganz Kleinen recht gering ist und mit zunehmendem
Alter der Schüler steigt. Aber da lernen auch die Virologen täglich dazu.
Anfang des Jahres fürchteten Sie noch eine Bedarfslücke von bis zu 1.400
Lehrerstellen zum neuen Schuljahr. Diese haben Sie mit zum Teil unpopulären
Maßnahmen wie der Streichung des Sabbatjahrs schließen können, und jetzt
fehlen Ihnen trotzdem Lehrer – nämlich die, die wegen Corona zu Hause
bleiben.
Ja, leider. Aber natürlich geht die Gesundheit vor. Deshalb haben wir
Angehörige von Risikogruppen und Schwangere vom Präsenzunterricht befreit.
Die sind aber trotzdem im Dienst. Einen Teil der Arbeit können wir deshalb
einfach anders verteilen. Wer nicht in die Schule kommt, kann
beispielsweise mehr Korrekturarbeiten übernehmen oder Videoplattformen
betreuen, sodass die Kollegen in der Schule etwas entlastet werden und
vielleicht die eine oder andere Stunde mehr übernehmen können.
Das reicht aber nicht, deshalb wollen Sie jetzt sogenannte Team-Lehrkräfte
rekrutieren. Wie läuft das an?
Wir haben insgesamt 800 solche Stellen geschaffen. Man muss dafür kein
ausgebildeter Lehrer sein und arbeitet immer im Team mit einer Lehrkraft,
die zu Hause bleiben muss. Wir haben bereits mehrere tausend Bewerbungen
bekommen. Jetzt kommt die schwierige Phase, in der wir für die tatsächlich
benötigten Fächer in den jeweiligen Regionen geeignete Leute finden müssen.
Aber die ersten haben die Arbeit schon aufgenommen, und ich bin
zuversichtlich, dass wir recht zügig alle 800 Stellen besetzt haben.
Im Lockdown hätte man eine [9][digitale Infrastruktur] gut brauchen können.
Jetzt soll alles besser werden. Von einem Digital-Turbo spricht Ihr
Ministerpräsident. Ist das mehr als ein Schlagwort?
Ja, natürlich. Wir haben in Bayern ja ohnehin schon mehr gemacht als andere
Bundesländer. Da gab es zunächst im Rahmen des Digitalpakts die Leihgeräte
für Schüler, jetzt kommen Lehrergeräte dazu, auch bei WLAN soll etwas
passieren. Und jetzt kommen durch den bayerischen Turbo eben noch mal knapp
500 Millionen Euro dazu. Damit können wir künftig vor allem auch eine
bessere Wartung und Pflege gewährleisten, was bisher ein Schwachpunkt war.
Mitten im Krisenmodus denkt man ungern auch noch an die Langzeitfolgen:
Aber welche bleibenden Schäden wird die Krise bei den Schülern
hinterlassen?
Da ist zum einen das Lerndefizit. Kein Schüler soll wegen Corona abgehängt
werden. Natürlich gibt es da Unterschiede: Schüler, die jetzt in die
Abschlussklasse kommen, sind vielleicht in größerer Sorge als Schüler, die
noch eine längere Schullaufbahn vor sich haben. Aber im Großen und Ganzen
bin ich zuversichtlich, dass wir es schaffen werden, durch Corona
entstandene Lücken zu schließen. Das andere ist die Frage, was diese Zeit
psychisch und emotional mit den Schülern macht. Das lässt sich sehr schwer
fassen, aber wir sollten das nicht unterschätzen. Das fängt schon bei
vermeintlichen Kleinigkeiten wie Einschulungsfeiern oder Abifahrten und
Abifesten an, die jetzt alle ausgefallen sind.
Um wen machen Sie sich die meisten Sorgen?
Das ist schwer zu sagen. Vielleicht um die Kleinsten. Für einen
Erstklässler, der gerade erst die Schule kennengelernt hat, sind ja ein,
zwei Monate noch viel länger als für uns. Das ist das halbe Schulleben. Wir
wissen noch überhaupt nicht, was das mit den Kindern macht.
Wie viel Handlungsspielraum hat man eigentlich als Minister neben dem
[10][omnipräsenten Ministerpräsidenten Söder]?
Natürlich tritt Markus Söder auch bei Schulthemen sehr stark in
Erscheinung. Doch das zeigt ja, dass der Ministerpräsident sich für die
Themen interessiert und sich mit ihnen beschäftigt. Und es ist jetzt auch
nicht so, dass ich mich in letzter Zeit über einen Mangel an Medienpräsenz
beklagen könnte. Das Gute ist: Es gibt die Möglichkeit zu viel inhaltlichem
Austausch. Man ist zwar nie davor gefeit, dass er auch einmal eine eigene
Idee voranbringt und damit an die Öffentlichkeit geht, ohne sich vorher
abzustimmen. Aber in der Regel sprechen wir uns sehr gut miteinander ab.
16 Sep 2020
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## AUTOREN
Dominik Baur
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