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# taz.de -- Volks-Ini Deutsche Wohnen enteignen: Demokratie in der Warteschleife
> Das Volksbegehren „Deutsche Wohnen enteignen“ steckt fest. Die rechtliche
> Zulässigkeit ist noch nicht festgestellt, die Ini befürchtet
> Verschleppung.
Bild: Auch Graffiti-Maler wissen, was gut ist
Berlin taz | 434 Tage läuft die rechtliche Prüfung des Volksbegehrens
[1][„Deutsche Wohnen & Co. enteignen“] bereits, Stand Donnerstag. Und
langsam wird die Zeit bis zur nächsten Bundestagswahl knapp. Da würde die
Initiative gerne zur Abstimmung stellen, ob das Land Berlin alle privaten
Immobilienfirmen mit mehr als 3.000 Wohnungen per Gesetz vergesellschaften
solle. Damit die davor notwendigen direktdemokratischen Schritte gegangen
werden können, müsste der rot-rot-grüne Senat sich aber beeilen mit der
rechtlichen Prüfung und einer Stellungnahme zum Volksbegehren.
Denn obwohl mehrere Verhandlungsrunden und Treffen mit der Initiative
eigentlich alle rechtlichen Zweifel ausgeräumt haben sollten und ein
vereinbarter [2][Beschlusstext seit dem 21. Juli steht], hat die
Senatsverwaltung für Inneres von Andreas Geisel (SPD) noch immer nicht
offiziell die rechtliche Zulässigkeit des Volksbegehrens festgestellt. Das
bestätigte die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung von Senator Sebastian
Scheel (Linke) der taz. Während Geisels Behörde für die rechtliche Prüfung
zuständig ist, ist Scheels Haus für Wohnraum zuständig und damit auch für
die Erarbeitung einer gemeinsamen Stellungnahme des Senats zum
Volksbegehren.
Erst wenn Geisel formal die juristische Zulässigkeit erklärt und an Scheel
übergibt, kommt wieder Schwung ins Volksbegehren. Dann hat der Senat laut
Abstimmungsgesetz nur 15 Tage Zeit für eine Stellungnahme, anschließend
muss sich das Abgeordnetenhaus innerhalb von vier Monaten mit der
Enteignungsfrage befassen. Die Initiative hofft, ab dem Frühling die
erforderlichen 170.000 Stimmen für ein Volksbegehren sammeln zu können,
damit ein Volksentscheid zur nächsten Wahl möglich ist.
Doch Rot-Rot-Grün kommt nicht in die Gänge: Aus Koalitionskreisen heißt es,
Geisels Verwaltung hätte die Zulässigkeitsprüfung bereits bis 31. August
übermitteln sollen. Allerdings hat wohl auch der Rücktritt Katrin
Lompschers (Linke) als Senatorin für Stadtentwicklung den Prozess nicht
gerade beschleunigt.
## Rot-Rot-Grün gründet Arbeitsgruppe
Hinzu kommt, dass die Koalitionspartner:innen um die obligatorische
politische Stellungnahme zum Volksbegehren feilschen. Nach Differenzen zum
Text dieses Beschlusses tagt nun erst einmal eine weitere Arbeitsgruppe, in
der die Koalition um deren Inhalte streitet. Immerhin: ein erstes Treffen
soll laut Stadtentwicklungsverwaltung am Donnerstagmorgen stattgefunden
haben. Ursprünglich sollte eine Stellungnahme des Senats bis 15. September
vorliegen – also nächsten Dienstag. Woraus wohl nichts werden wird.
Das Stimmungsbild in der Koalition indes ist klar: Die SPD ist gegen
Enteignungen, die Grünen sympathisieren und die Linke ist dafür. Nicht
zuletzt wegen dieser Differenzen warf nicht nur die Volks-Ini der SPD
Verzögerungstaktik vor. Die Innenverwaltung verweist hingegen auf die
koalitionsinternen Differenzen zur Stellungnahme, wenn es auf taz-Anfrage
ebenso kurz wie ernüchternd heißt: „Wir befinden uns noch in der
notwendigen senatsinternen Abstimmung dazu.“ Eine Verzögerung ihrerseits
weist die Behörde zurück.
Wohl um die Verhandlungen nicht weiter zu gefährden, gibt es bei den
Koalitionspartner:innen eher dezente Kritik: Anne Helm,
Fraktionsvorsitzende der Linken, sagt: „Dass die Innenverwaltung für die
rechtliche Zulässigkeitsprüfung über ein Jahr gebraucht hat, hat den
Eindruck entstehen lassen, dass das Verfahren absichtlich verzögert wird.“
Der Senat sollte diesem Eindruck entgegentreten, indem er sich zügig über
seinen formellen Standpunkt zum Volksbegehren verständige, so Helm.
Katrin Schmidberger, wohnungspolitische Sprecherin der Grünen, meint: „Die
SPD hat bei Volksbegehren schon öfter Foul gespielt, aber ich bin
überzeugt, wir können das noch rechtzeitig schaffen.“ Die Koalition sei nur
glaubwürdig, wenn sie direkte Demokratie ernst nehme und schnell eine
Einigung hinbekomme. Allerdings sagt Schmidberger auch: „Ich kann gut
verstehen, dass die Volksinitiative die Schnauze voll hat und jetzt
öffentlich Druck macht.“
Tatsächlich klagt die Initiative bereits gegen das lange Prüfverfahren und
ist mehr als nur genervt. [3][Seit Juni versichere die Innenverwaltung]
immer wieder, dass die rechtliche Prüfung rasch abgeschlossen werde, wie es
in einer Mitteilung vom Donnerstag heißt. Ralf Hoffrogge von „Deutsche
Wohnen & Co. enteignen“ fragt: „Sollen wir sabotiert werden?“
Die Initiative habe den Eindruck, dass man mit der Regierung keine
Absprachen treffen könne, so Hoffrogge: „Der Senat kann doch keine
koalitionsinterne Kontroverse auf Kosten der Demokratie veranstalten!“
Durch ein Zurückhalten der Zulässigkeitsprüfung werde die juristische
Prüfung politisiert, so Hoffrogge: „Das ist illegal. Da wird Bürgern das
Recht auf Demokratie weggenommen!“
10 Sep 2020
## LINKS
[1] /Deutsche-Wohnen-und-Co-enteignen/!t5562213
[2] /Volksinitiative-einigt-sich-mit-Senat/!5695513
[3] /Deutsche-Wohnen-und-Co-Enteignen/!5691479
## AUTOREN
Gareth Joswig
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