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# taz.de -- Heinz Bude leitet Documenta-Institut: Rätsel der Zeitgenossenschaft
> Der Soziologe Heinz Bude wurde als Gründungsdirektor des Kasseler
> Documenta-Instituts vorgestellt – und präsentierte schwungvolle Visionen.
Bild: Ab nach Kassel: Heinz Bude leitet das neue documenta-Institut
Insider wussten es schon länger, aber erst vergangene Woche gaben die
documenta und die Universität Kassel bekannt, dass der 1954 geborene
[1][Heinz Bude], dort seit 2000 Professor für Makrosoziologie,
„Gründungsdirektor“ des neuen documenta-Instituts werden soll. Spätestens
durch sein Essay zur „Generation Berlin“ ist der Wissenschaftler zu einem
der [2][markantesten Intellektuellen Deutschlands] geworden.
Insofern kann sich die Universität glücklich schätzen, in Bude solch ein
Aushängeschild für die neue Institution gewonnen zu haben. Als frisch
emeritierter Professor hat Bude nun auch die nötige Zeit, kennt [3][das
Machtsystem von Politik und Wissenschaft] in der Stadt. Wenn die Berufung
nicht den Beigeschmack hätte, dass – ähnlich wie bei Berlins Humboldt Forum
– einmal mehr ein älterer Herr die Führung einer innovativ gedachten, neuen
Institution übernehmen soll.
Um schwungvolle Analysen und Visionen war Bude bei seiner Vorstellung nicht
verlegen. Die „einmalige Chance“ des Instituts mit seinen drei in Kürze zu
besetzenden Professuren sieht er darin, „dass es die documenta als ein
Modell der Ausstellung von Gegenwartskunst versteht und damit das
weltgesellschaftliche Phänomen der Biennalisierung des Kunstfelds in den
Griff bekommt“.
## Künstlerische Forschung
Einen weiteren Lichtblick für die im Vorfeld umstrittene Struktur des
Instituts, eröffnete Ministerin Dorn. Neben den je 6 Millionen Euro, mit
der die Stadt Kassel und das Land Hessen und den 12 Millionen, mit denen
der Bund die Errichtung des Institut finanzieren, stellt Dorn zusätzlich
200.000 Euro für „künstlerische Forschung“ zur Verfügung. Für diesen An…
hatte sich die scheidende documenta-Professorin Nora Sternfeld in einer
Denkschrift starkgemacht.
An einen Skandal grenzte es freilich, dass bei dem Pressetermin am Mittwoch
in Kassel die Frage nach der NS-Belastung der documenta-Gründerväter, die
im letzten Jahr bekannt wurde und kontrovers diskutiert worden war, nicht
einmal erwähnt wurde. Als Wissenschaftler, der 1986 mit einer Arbeit zur
Wirkungsgeschichte der Flakhelfergeneration an der FU Berlin habilitiert
worden war, dürfte Bude einen Blick für die Verstrickungen dieser
Gründergeneration haben.
Unerklärlich deshalb, dass er die Frage, was [4][die NS-Belastung von
Männern wie Werner Haftmann] für die Forschungsagenda des Instituts
bedeuten könnte, nicht einmal anschnitt. Die Lösung des „Rätsels der
Zeitgenossenschaft“ ist ihm vordringlicher. Dazu soll das Institut auch
Gegenwartskunst präsentieren.
## Sind Kuratoren „Meta-Künstler“?
Mit „Herkulesaufgabe“ (Kassels Universitätspräsident Reiner Finkeldey) ist
Budes künftige Arbeit nicht nur von diesem neuralgischen Punkt her
zutreffend beschrieben. In einem frühen Aufsatz hatte der am Beispiel von
Hans Ulrich Obrists berühmten Gesprächen mit den verrücktesten Initiativen
und Akteuren aus Kunst, Wissenschaft, Mode und Politik den „Kurator als
Meta-Künstler“ beschrieben, dem es nicht mehr um die Position des Museums,
sondern die „Tätigkeit des Versammelns“ gehe. Als „Allesfresser“ jeden
verfügbaren Wissens sei er der „Inszenierer einer heterogenen Welt“.
Fast scheint es, als habe Bude damit seinen neuen Job beschrieben. So wie
er in dem neuen documenta-Institut eine [5][explosive Mischung] aus
(kunst-)historischen, kultur- und standortpolitischen sowie
wissenschaftlichen Interessen austarieren soll. Würde ihm das gelingen,
könnte der „Gründungsdirektor“ nach dessen projektierten zwei, drei Jahren
womöglich einer Frau den Weg an die Spitze des Instituts ebnen. Vielleicht
sogar einer außerhalb von Europa. So viel Liebe zur Weltkunst sollte die
documenta in Kassel doch langsam entwickelt haben.
13 Aug 2020
## LINKS
[1] /!5178769/
[2] /Heinz-Bude-ueber-Pegida-und-Co/!155625/
[3] /Heinz-Bude-ueber-neue-SPD-Spitze/!5646925/
[4] /Geschichte-der-documenta/!5650350/
[5] /Documenta-in-den-Miesen/!5447357/
## AUTOREN
Ingo Arend
## TAGS
Heinz Bude
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Cornelia Koppetsch
Schwerpunkt Coronavirus
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