Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Rechte Anschlagsserie in Neukölln: Verdacht auf AfD-nahe Staatsanw…
> Rechte Tendenzen unter Ermittlern: Wegen möglicher Befangenheit bei einer
> Anschlagsserie in Neukölln werden zwei Staatsanwälte strafversetzt.
Bild: Die Berliner Generalstaatsanwältin Margarete Koppers
Berlin taz | Wegen des Verdachts der Befangenheit sind zwei Staatsanwälte
mit sofortiger Wirkung aus den Ermittlungen zu einer extrem rechten
Anschlagsserie in Berlin-Neukölln abgezogen worden. Das teilte die Berliner
Generalstaatsanwältin Margarete Koppers mit, die nach einer
Fachaufsichtsbeschwerde durch eine Opferanwältin den Fall überprüft hatte.
Sämtliche Ermittlungen im Neukölln-Komplex würden nun von der
Generalstaatsanwaltschaft übernommen und neu aufgerollt, sagte sie am
Mittwochabend im RBB. Den Juristen werde Nähe zu Verdächtigen vorgeworfen.
Sie seien in andere Abteilungen versetzt.
Koppers fand klare Worte für die bereits seit Ende 2016 andauernden
erfolglosen Ermittlungen zu der rechten Terrorserie, die sich nun auch noch
als Justizskandal entpuppen könnte: „Das wirft wieder einen Schatten auf
die Ermittlungen, der Betroffene zu Recht misstrauisch macht (...), auch
vor dem Hintergrund, dass Pannen passiert sind.“
Zur extrem rechten Terrorserie hauptsächlich im Süden des Berliner Bezirks
Neukölln werden mittlerweile über 70 Fälle gezählt. Dazu gehören
Sachbeschädigungen und Drohungen, aber auch 23 Brandstiftungen, die sich
hauptsächlich gegen Personen richten, die sich gegen rechts engagieren.
Hauptverdächtige sind drei bekannte Angehörige der lokalen rechten Szene.
Doch die Ermittlungen der Polizei waren vor allem von Erfolglosigkeit
gekennzeichnet – selbst die Einrichtung einer Sonderkommission mit 30
Beamt:innen brachte keine Ergebnisse.
Auch diese jüngste „Panne“ legt erneut eher strukturelle Ursachen der
erfolglosen Ermittlungen nahe. Koppers ist in Prüfungen nach der
Fachaufsichtsbeschwerde nämlich auf Hinweise gestoßen, auf die Betroffene
der Anschlagsserie die Behörden schon länger aufmerksam machen. Deren
Anträge auf Akteneinsicht hatte die Staatsanwaltschaft allerdings stets
abgeblockt.
## Leiter der Staatsschutzabteilung 231
Nach taz-Informationen liegt dem Verdacht vor allem ein Chat zwischen einem
der Hauptverdächtigen, Tilo P., und einem Bezirksverordneten der AfD
Neukölln zugrunde. Das Telefon von P. ist 2017 überwacht worden, und so
haben Polizist:innen und auch der in diesem Fall ermittelnde Staatsanwalt
S. offenkundig gewusst, was P. über die Vernehmung durch einen weiteren
Staatsanwalt schrieb: Der Jurist habe in seiner Vernehmung selbst
angedeutet, auf der Seite der Hauptverdächtigen zu stehen und auch die AfD
zu wählen. P. schreibt danach sinngemäß in dem Chat, man habe also vor den
Ermittlungen nicht allzu viel zu befürchten. Der Hinweis ist wohl ohne
Konsequenzen zu den Akten gegangen.
Der mutmaßlich AfD-nahe Staatsanwalt F. ist dabei nach taz-Informationen
sogar Leiter der Staatsschutzabteilung 231. Er war somit verantwortlich für
sämtliche politischen Straftaten im Land Berlin. In linken Szenekreisen ist
F. daher nicht erst seit gestern als Scharfmacher bekannt. So hatte er etwa
nach einem antifaschistischen Fahrradkorso gegen einen Rudolf-Heß-Marsch
von Neonazis wegen der Bildung einer kriminellen Vereinigung ermittelt,
nachdem es zu Rangeleien an einem AfD-Werbestand kam.
Die Ermittlungen wurden nocht immer nicht eingestellt, wie David Kiefer vom
Berliner Bündnis gegen Rechts der taz sagte – trotz „offenkundiger
Unschuld“. Kiefer werde nun rückblickend allerdings einiges klar: „Es ging
dem Staatsanwalt nur um eine Kriminalisierung der Proteste“, sagt er. Man
frage sich, ob der Staatsanwalt seine politische Überzeugung mit Strafrecht
verwechselt habe.
Für den [1][linken Kommunalpolitiker Ferat Kocak], einen der Betroffenen
der Anschlagsserie in Neukölln, wird der Komplex dagegen immer
undurchsichtiger: „Jetzt verhindern schon zwei Staatsgewalten die
Ermittlungen“, sagt er. Zur Aufklärung fordert er gegenüber der taz erneut
einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss.
## Polizeiinterna für die AfD
Kocaks Auto ging im Februar 2018 direkt neben einer Gasleitung an seinem
Haus in Flammen auf. Nur durch Glück griff das Feuer nicht auf das Haus
über, in dem Kocak schlief. Später stellte sich heraus:
Verfassungsschützer:innen und auch die Polizei hatten konkrete Hinweise auf
die Planung des Anschlags. Die Hauptverdächtigen hatten Kocak systematisch
ausgespäht. Gewarnt haben die Ermittler:innen Kocak dennoch nicht.
Im Juni hatte sich zudem herausgestellt, dass sich der [2][Berliner
Polizist Detlef M. in einer AfD-Chatgruppe] und per Mail wiederum mit dem
Hauptverdächtigen P. austauschte. Es ging auch darum, ob P. eine gegen
rechts gerichtete Veranstaltung eines Buchhändlers besuchen sollte. Wenige
Tage später brannte auch das Auto des Buchhändlers. In dem Fall ermittelt
die Staatsanwaltschaft wegen [3][Geheimnisverrats gegen den Polizisten.]
Auch weil dieser Polizeiinterna über den Anschlag am Breitscheidplatz der
AfD gesteckt hatte.
Ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss scheiterte bislang an der SPD
und den Grünen. Anne Helm, selbst im Fokus der mutmaßlichen Täter:innen,
forderte zuletzt einen Sonderermittler.
7 Aug 2020
## LINKS
[1] /Opfer-von-rechtem-Terror-in-Neukoelln/!5700339
[2] /Ermittlungen-gegen-Berliner-Beamten/!5690788
[3] /Anschlag-auf-Berliner-Weihnachtsmarkt/!5688454
## AUTOREN
Gareth Joswig
## TAGS
Rechter Terror in Berlin-Neukölln
Rechtsextremismus
Repression
Schwerpunkt AfD in Berlin
Repression
Rechter Terror in Berlin-Neukölln
Rechtsextremismus
Schwerpunkt Rot-Rot-Grün in Berlin
Ferat Koçak
## ARTIKEL ZUM THEMA
Berliner Vizechefin der AfD tritt zurück: AfD-Fraktion zerlegt sich selbst
Kristin Brinker hat ihren Rücktritt als stellvertretende Vorsitzende
erklärt, bleibt aber Mitglied der Fraktion. Ein Wochenkommentar.
Prozess wegen Neonazi-Warnplakaten: Schlappe für die Staatsanwaltschaft
Das Amtsgericht Tiergarten hat zwei Antifas freigesprochen, die in Neukölln
vor Nazis warnten. Die Anklage fiel im Prozess in sich zusammen.
Rechte Anschlagsserie in Neukölln: Es rumort in der Staatsanwaltschaft
Nach der Versetzung zweier Staatsanwälte gibt es Kritik an
Generalstaatsanwältin Koppers und Justizsenator Behrendt. Strafverteidiger
widersprechen.
Rechte Gewalt in Berlin-Neukölln: Ein ungeheuerlicher Verdacht
Zwei Staatsanwälte sind wegen Befangenheit versetzt worden. Nötig sind
unabhängige Ermittlungsinstanzen, die Rassismus in Behörden untersuchen.
Anne Helm über NSU 2.0 und Neukölln: „Ich bin eine Reizfigur für Rechte“
Anne Helm ist neue Chefin der Linksfraktion im Berliner Abgeordnetenhaus.
Im Interview spricht sie über ihre Schulzeit, Nazi-Drohungen und die
Zukunft von R2G.
Rechte Anschläge in Berlin-Neukölln: Mit Wissen der Behörden
Vor einem Jahr brannten in Neukölln die Autos zweier Linker. Die Behörden
hatten Hinweise, dass Neonazis die Taten planten.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.