| # taz.de -- Prozess wegen Neonazi-Warnplakaten: Schlappe für die Staatsanwalts… | |
| > Das Amtsgericht Tiergarten hat zwei Antifas freigesprochen, die in | |
| > Neukölln vor Nazis warnten. Die Anklage fiel im Prozess in sich zusammen. | |
| Bild: Neuköllner Anwohner-Ini protestiert gegen eine Anklage der Staatsanwalts… | |
| Berlin taz | Die Staatsanwaltschaft ist mit einer Anklage von zwei | |
| Antifaschisten gehörig auf die Nase gefallen. Zwei Personen sollten im | |
| Februar 2017 zwei Poster aufgehängt haben, auf denen sie vor lokalen | |
| Neonazis warnten. Darauf waren mit einer Warnung Fotos der Neonazis | |
| Sebastian T. und Julian B. abgebildet – beide sind Hauptverdächtige in der | |
| langjährigen und [1][unaufgeklärten Anschlagserie in Neukölln] mit über 70 | |
| Straftaten. Die Staatsanwaltschaft hatte Anklage erhoben wegen | |
| Ehrverletzung der abgebildeten Neonazis und einem Verstoß gegen das Kunst- | |
| und Urheberrecht. | |
| Doch aus einem Schuldspruch wurde nichts: Das Amtsgericht Tiergarten sprach | |
| die beiden Angeklagten nach kurzer Verhandlung am Mittwochvormittag frei. | |
| Der Richter sagte am Ende der zweistündigen Verhandlung: „Ich bin nicht der | |
| Meinung, dass das hier ein Verfahren hätte werden sollen. Freispruch ist | |
| das einzig Richtige. Ich wünsche Ihnen alles Gute.“ | |
| Der Richter sah gleich mehrere Gründe für den Freispruch: Erstens seien die | |
| aufgestellten Behauptungen auf dem Plakat laut der Beweisführung der | |
| Verteidigung wohl richtig – Sebastian T. sei Neonazi und gewaltbereit. | |
| Zweitens konnte nicht einmal erwiesen werden, dass die Angeklagten die | |
| Plakate geklebt hätten. Die widersprüchlichen Aussagen der Zivilpolizisten, | |
| die die Angeklagten damals aufgegriffen und ihre Personalien aufgenommen | |
| hatten, konnten zu keinem Tatnachweis führen. | |
| Besonders absurd war, dass die Polizisten selbst offenbar kaum verstanden, | |
| warum sie in dieser Sache aussagen sollten. Nicht nur waren ihre Angaben | |
| nach drei Jahre ungenau, sie schenkten dem Vorfall auch damals schon wenig | |
| Beachtung. Und erstatten auch keine Anzeige: Einer sagte: „Wir haben in dem | |
| Moment keine Straftat erkannt.“ Auf eine Anklage wegen Ehrverletzung oder | |
| Urheberrecht „wär ich im Leben nicht gekommen“, sagte ein Polizist, der | |
| damals offenbar verdeckt wegen einer anderen Sache ermittelte – „für uns | |
| war das kein richtiger Fall.“ | |
| ## Berlins eifrig gegen Links ermittelnde Staatsanwaltschaft | |
| So ist es offenkundig der Staatsanwaltschaft zu verdanken, dass in der | |
| Sache dennoch drei Jahre lang ermittelt und schließlich Anklage erhoben | |
| wurde. Laut der linken Initiative Neukölln Watch, die wohl auch Einblick in | |
| die Akten hat, ist es im Zuge der Ermittlungen sogar zu Hausdurchsuchungen | |
| bei den nun freigesprochenen Personen gekommen. | |
| Auch sei die Staatsanwaltschaft direkt an den Neonazi Sebastian T. | |
| herangetreten, um ihn zu einer Anzeige zu bewegen. Eine Ehrverletztung habe | |
| aber nicht einmal dieser selbst in den Plakaten erkannt, wie die | |
| Verteidigung in der Verhandlung mit Berufung auf dessen Anzeige betonte. | |
| Schlechteres Timing konnte die Verhandlung für die Staatsanwaltschaft | |
| eigentlich nicht haben: Ermittelt und Anklage erhoben hatte die für | |
| politische Delikte zuständige Abteilung der Staatsanwaltschaft, deren | |
| Leiter F. und ein ermittelnder Staatsanwalt gerade vergangene Woche wegen | |
| des Verdachts auf Befangenheit und mutmaßlicher AfD-Nähe versetzt wurden – | |
| das hatten Indizien aus den Ermittlungsakten in der Neuköllner | |
| Anschlagsserie ergeben ([2][taz berichtete]). | |
| Der Verdacht ist insbesondere deshalb brisant, weil die Ermittlungen in der | |
| Serie seit Ende 2016 keine Erfolge vorzuweisen haben. [3][Oberstaatsanwalt | |
| F.] galt zudem auch innerhalb der Behörde mindestens als rechtskonservativ, | |
| in der linken Szene war er dafür berüchtigt, jede Bagatelle hart zu | |
| verfolgen. | |
| ## Mangelnde Aufklärung im Neukölln-Komplex | |
| Lukas Theune, Verteidiger einer der Angeklagten, sagte nach dem Verfahren: | |
| „Die Staatsanwaltschaft hat keine Erfolge in den Ermittlungen zu der | |
| rechten Anschlagsserie vorzuweisen und klagt stattdessen Antifaschisten | |
| an.“ | |
| Die Freigesprochenen hatten anfangs in einer Erklärung einige der über 70 | |
| Straftaten der Anschlagsserie, die mutmaßlich auf T.s Konto gehen, | |
| aufgezählt und mangelnde Aufklärung beklagt. Das Problem seien dabei auch | |
| Behörden wie Staatsanwaltschaft und Polizei und Geheimdienst. | |
| Antifaschistischer Selbstschutz wie die Warnung vor Nazis auf Plakaten sei | |
| deswegen notwendig, so einer der später Freigesprochenen. Auch eine | |
| Kundgebung vor dem Amtsgericht hatte vor Prozessbeginn die Aufklärung der | |
| rechten Anschlagsserie gefordert. | |
| 12 Aug 2020 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Rechter-Terror-in-Berlin-Neukoelln/!t5612550 | |
| [2] /Rechte-Anschlagsserie-in-Neukoelln/!5705701 | |
| [3] /Rechte-Anschlagsserie-in-Neukoelln/!5702107 | |
| ## AUTOREN | |
| Gareth Joswig | |
| ## TAGS | |
| Repression | |
| Rechter Terror in Berlin-Neukölln | |
| Schwerpunkt AfD | |
| Schwerpunkt Antifa | |
| Soziale Bewegungen | |
| IG | |
| Rechter Terror in Berlin-Neukölln | |
| Rechter Terror in Berlin-Neukölln | |
| Rechter Terror in Berlin-Neukölln | |
| Rechtsextremismus | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Rechte Anschlagsserie Berlin-Neukölln: Stochern im rechten Sumpf | |
| Innensenator Geisel will die Anschlagsserie von einer Kommission | |
| untersuchen lassen. Die Grünen fordern, die Polizei genau in den Blick zu | |
| nehmen. | |
| Rechte Anschlagsserie in Neukölln: Es rumort in der Staatsanwaltschaft | |
| Nach der Versetzung zweier Staatsanwälte gibt es Kritik an | |
| Generalstaatsanwältin Koppers und Justizsenator Behrendt. Strafverteidiger | |
| widersprechen. | |
| Rechte Anschlagsserie in Neukölln: Verdacht auf AfD-nahe Staatsanwälte | |
| Rechte Tendenzen unter Ermittlern: Wegen möglicher Befangenheit bei einer | |
| Anschlagsserie in Neukölln werden zwei Staatsanwälte strafversetzt. | |
| Rechte Gewalt in Berlin-Neukölln: Ein ungeheuerlicher Verdacht | |
| Zwei Staatsanwälte sind wegen Befangenheit versetzt worden. Nötig sind | |
| unabhängige Ermittlungsinstanzen, die Rassismus in Behörden untersuchen. |